Kommentar
09:00 Uhr, 27.08.2007

Das Problem mit der Subprime-Salami

Die US-Hypothekenkrise verbreitet Angst und Schrecken bei Investoren - aber keiner weiß, wann der Spuk vorbei ist

Unter einer Salami-Taktik versteht man gemeinhin, dass die Wahrheit nur scheibchenweise ans Licht kommt. Ähnlich verhält es sich bei der anhaltenden Krise um die so genannten Subprime-Loans: Faule Immobilienkredite in den USA, die von ihren Schuldnern nicht mehr bedient werden können. Stück für Stück oder besser Scheibe für Scheibe offenbart sich das Ausmaß der Krise. Von geschlossenen US-Fonds bis zur jüngsten Rettungsaktion für die deutsche IKB-Industriebank – immer wieder ruft sich die Krise in Erinnerung. Aber niemand weiß genau, wer wie involviert ist und vor allem, wann die Krise überstanden ist.

Ungewissheit ist ein Umstand, den die Märkte bekanntermaßen überhaupt nicht mögen. Die US-Hiobsbotschaften der letzten Wochen setzen den Dax immer wieder unter Druck und waren für viele Investoren Anlass, Gewinne zu realisieren. Inzwischen reagiert man etwas differenzierter, vor allem der Finanz- und Immobiliensektor muss Federn lassen, wenn neue Eruptionen aus den USA zu spüren sind. Dabei ist die Subprime-Krise, und das hat vor allem die Rettungsaktion der IKB gezeigt, kein rein US-spezifisches Problem. Erst am Donnerstag fror die französische Bank BNP-Paribas drei Fonds mit einem Volumen von 2,75 Milliarden Euro ein und sorgte für einen Kursrutsch, der die Wochengewinne des Dax egalisierte. Zudem kursieren weiterhin Gerüchte über deutsche Geldhäuser, die Subprime-Leichen im Keller liegen haben.

Domino-Effekt oder Schwelbrand?
Eine zentrale Frage für die Aufarbeitung der Subprime-Krise ist dabei, ob es sich um ein begrenztes Problem handelt oder ob sich ein Flächenbrand entwickeln könnte. Viele Experten sind der Ansicht, dass die Krise bereits auf Europa übergegriffen habe. Erst am Donnerstag schrieb die Europäische Zentralbank einen Schnelltender mit einem Volumen von 94,8 Milliarden Euro aus, um die Liquidität an den Märkten sicherzustellen. Dies war die erste Intervention dieser Art seit dem 11. September 2001. Die japanische Notenbank schoss kurz darauf ebenfalls Liquidität nach. Auch das beherzte Eingreifen der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau und anderer deutsche Kreditinstitute zur zeitweiligen Rettung der IKB verdeutlichen die Risiken, die momentan vorherrschen. Eine Pleite der Mittelstandsbank hätte nach der Ansicht von Marktbeobachtern zu einer Bankenkrise führen können.

Neben der IKB räumte bereits die WestLB, zuletzt ohnehin mit wenig Fortune bei Investments, ein, von der Krise betroffen zu sein. Die Privatbank Sal. Oppenheim schloss einen 750 Millionen Euro schweren ABS-Fonds. Während man bei der Deutschen Bank zu den Risiken schweigt, rechnet die Commerzbank mit einer Ergebnisbelastung von 80 Millionen Euro. "Die Subprime-Krise ist kein großes Thema für uns", sagte Finanzchef Eric Strutz am Donnerstag trotzig. Bei der Münchener Rück stellt man sich nach Angaben von Vorstandsmitglied Jörg Schneider schlimmstenfalls „auf Verluste im hohen zweistelligen bis höchstens im niedrigen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich“ ein. Andere Kreditinstitute gaben bekannt, nur in CDOs mit hoher Bonität investiert zu haben. Bei Private Equity-Fonds wird vor dem Hintergrund sinkender Liquidität eine kurzfristige Abnahme der M&A-Aktivitäten erwartet. Überhaupt, und das ist vielleicht die positive Seite an der aktuellen Krise, wird der Appetit auf riskante Investments gedämpft. Erst kürzlich blieb ein Konsortium aus acht Banken auf Krediten mit einem Volumen von fünf Milliarden Britischen Pfund sitzen. Mit dem Darlehen war die Übernahme der britischen Drogeriekette Alliance Boots finanziert worden. Eigentlich war eine Weiterreichung an den Kapitalmarkt geplant, doch der verschmähte das Angebot.

Gesamtwirtschaftliche Folgen
Während in Europa derzeit vor allem Finanztitel die Indizes belasten, könnten sich in den USA darüber hinaus gesamtwirtschaftliche Folgen ergeben. Bereits für das laufende Jahr rechnen Experten mit einem weiteren Abkühlen der Konjunktur. US-Notenbank-Chef Ben Bernanke bezifferte die in den USA anfallenden Verluste jüngst mit zwischen 50 und 100 Milliarden US-Dollar. Das eigentliche Problem in den Vereinigten Staaten ist aber die starke Konsumorientierung der Wirtschaft, aus der das Wachstum hauptsächlich generiert wird. Der Binnenkonsum wiederum wird vom Immobilienmarkt mit getragen, wobei die dortigen Preissteigerungen nachgegeben haben und den Druck auf die RMBS, die Immobilien als Sicherheiten haben, ausüben. Standard & Poors rechnet damit, dass die Immobilienpreise in den USA zwischen 2006 und 2008 um acht Prozent nachgeben werden. Sollte das US-Verbrauchervertrauen und damit auch der US-Konsum, der rund ein Fünftel des weltweiten Konsums ausmacht, sinken, würde dies die US-Konjunktur belasten und damit auch weltwirtschaftliche Auswirkungen haben.

Dabei handelt es sich aber um ein Worst-Case-Szenario. Die Blase zerplatzt einfach an der Stelle, an der zu lange zu blauäugig auf Risiko gespielt wurde. Das Volumen der Subprime-Kredite ist seit den 90er Jahren enorm angestiegen und summiert sich derzeit schätzungsweise auf 700 Milliarden US-Dollar. Aktuell können rund sechs Millionen Häuslebauer ihre ARMs nicht bedienen - übrigens eine Verdreifachung innerhalb eines Jahres - , denn diese hatten auf stattliche Wertzuwächse ihrer Immobilien gesetzt. Die Kreditgeber wiederum setzten auf eine Weitergabe des Risikos an die Kapitalmärkte. Einige RMBS-Pools haben über 75 Prozent des Portfolios mit Subprime-Krediten besetzt und bekommen nun Probleme. Der Baufinanzierer Countrywide Financial musste für das zweite Quartal einen Gewinneinbruch von einem Drittel vermelden.

Warten auf das reinigende Gewitter
Diese Probleme wiederum werden derzeit bereinigt, scheibchenweise sozusagen. Analysten gehen davon aus, dass dieser Prozess erst im ersten Quartal 2008 seinen Höhepunkt erreicht und dann im Jahresverlauf ausklingen wird. Die Crux mit den Subprime-Loans ist eigentlich nur die Ungewissheit, wer wie involviert ist und was noch kommt. Immerhin haben die schlecht besicherten Hypothekenkredite nach Schätzungen des Branchenverbandes der US-Baufinanzierer einen Marktanteil von etwa 14 Prozent. Bedenklich ist, dass vermehrt Schuldner eigentlich guter Bonität wegen der Systematik der ARMs in Bedrängnis kommen. Die Großbank JP Morgan schätzt, dass in den kommenden 18 Monaten ARMs im Volumen von 500 Milliarden Dollar unsanft auf dem Boden der Realität landen werden.

Es ist quasi wie ein Pflaster, das nicht in einem Ruck, sondern Stück für Stück abgezogen wird. Im Gegensatz zu dem Pflaster weiß man aber nicht, wann die Pein überstanden ist. Anders gesagt: Wie viele Scheiben von der Salami noch abgeschnitten werden müssen, kann niemand sagen.

Autor: Nils Dietrich
Quelle: www.portfolio-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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