Kommentar
17:35 Uhr, 03.11.2004

Das geldpolitische Dilemma der FED

Dr. Marc Faber, Buchautor und Anlageexperte, gilt als einer der renommiertesten Analysten für den asiatischen Wirtschaftsraum

Wir haben schon früher darauf hingewiesen, dass das Jahr 2003 sehr ungewöhnlich verlief und zwar in Bezug darauf, dass jede Anlageklasse inklusive Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Immobilien im Preis gestiegen sind. Wie erwartet kam es im Februar und März zu einer Korrektur sämtlicher Anlageklassen, mit der Ausnahme von Immobilien.

Seit Mitte Mai wandelte sich das Bild dahingehend, dass nun alle Anlageklassen, also auch Immobilien, aber mit der Ausnahme von Anleihen und dem US-Dollar wieder nach oben drehten, was zum größten Teil das Ergebnis der massiven Ausweitung der Geldmenge war und Mr. Greenspan zugeschrieben werden darf. Dies erwähne ich, da es für die amerikanische Notenbank möglich ist, die Geldmenge exponentiell auszuweiten (in den letzten vier Wochen mit einer Jahresrate von 20 %) und dabei die US-Zinsen signifikant unter dem Level der Inflation zu halten. Doch mit dieser Politik des "Gelddruckens" schadet die FED dem US-Dollar, was im Gegenzug eine noch höhere Inflation auslöst. Dies wird sich eines Tages auch auf die Zinsen auswirken und zu einem massiven Anstieg dieser führen.

Beobachtet man die Entwicklung der FED Fund Rates über Jahre hinweg, befindet sich der kurzfristige Leitzins der FED bei gerade einmal 1 %. Aufgrund des Wachstums im nominalen BIP und der Inflationsrate sollten die Zinsen aber mindestens bei 3-4 % liegen. FED Beobachter sagen, dass die FED "weit hinter der Kurve" ist. Schaut man sich den Abstand im Zinsniveau zwischen den kurzfristigen T-Bills und den langfristigen 30-jährigen T-Bonds an, so sieht man, dass der Abstand in den letzten 70 Jahren noch nie so groß war wie heute. Dies indiziert, dass die kurzfristigen Zinssätze viel zu niedrig für den aktuellen Wirtschaftszyklus liegen, was durch den derzeitigen Anstieg der Haus- und Energiepreise noch verschärft wird. Mr. Greenspan befindet sich mit seiner Politik deshalb in einer Einbahnstraße.

Trotz der ultraleichten Geldpolitik befindet sich der Anleihenmarkt seit März in erheblichen Schwierigkeiten und führte zu einem Absturz des Refinanzierungsindex (Indikator für die Refinanzierungsaktivitäten der Hausbesitzer) auf das tiefste Niveau seit Mai 2002. Dieser Umstand könnte sich in den Folgemonaten negativ auf den Konsum in den USA auswirken, da die Refinanzierung zu niedrigeren Zinssätzen einer der wesentlichen Faktoren für die Ausweitung des Konsums ist. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob das teilweise statistisch geschönte Stellenwachstum in den USA ausreichen wird, um den negativen Effekt der Refinanzierung auszugleichen. Meine Meinung ist, dass dies ziemlich unwahrscheinlich ist und wir innerhalb der nächsten Monate eine Konsumabschwächung beobachten werden. Diese These wird dadurch gestützt, dass Anleger in den letzten Monaten ebenfalls kein Geld verdient haben, und durch das gegen Ende des Jahres in Mode gekommene Inflationsspiel in Kupfer, Stahl, Schiffen und Immobilienaktien. Seit März haben diese Werte rund 30 % oder sogar mehr verloren.

Mr. Greenspan hat nun zwei Optionen. Entweder er folgt weiter einer Politik, die das kurzfristige Zinsniveau künstlich tief hält, oder er erhöht die Zinsen langsam und behutsam in Minischritten von 0.25 %. Oder er initiiert eine intensivere Verknappung des Geldes und fängt an die Zinsen aus dem Stand in halben Prozentpunktschritten zu erhöhen. Im ersten Fall wird der Anleihenmarkt weiter an Boden verlieren, da die Inflation ansteigen und den Risikoaufschlag erhöhen sowie den Dollar weiter unter Druck setzen würde. Alternativ dazu könnte er die kurzfristigen Zinsen sehr stark anheben und damit die Inflation bremsen, aber im Gegenzug Aktien- und Immobilienpreise und damit auch den Konsum unter Druck bringen sowie den Dollar in eine Gegenbewegungsphase bringen.

Zusammenfassend möchte ich damit sagen, dass es im Gegensatz zu 2003 in diesem Jahr eine sehr unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Anlageklassen geben wird, wie wir es in unserem Jahresausblick erwartet haben. Entweder werden die Anleihen und der Dollar weiter schwach und Aktien, Immobilien sowie Rohstoffe dagegen relativ stark tendieren, oder der US-Dollar und die Anleihen werden sich halten können und dafür würden Aktien und Rohstoffe relativ schwach werden. Ich wette darauf, dass die FED die Zinsen sehr langsam anheben wird, um nicht das Platzen der Blasen zu riskieren, die sie durch ihre Politik des leichten Geldes ausgelöst hat. Im Speziellen würde der US-Immobilienmarkt sehr anfällig auf signifikante Zinsanhebungen reagieren, da in diesem Jahr auch sehr viele Hypotheken mit einem variablen Zinssatz aufgenommen wurden und im Bundesstaat Kalifornien, je nach Gemeinde, zu Immobilienpreisanstiegen von 17 % bis 33 % geführt haben.

Dennoch dürfte selbst bei den aktuell niedrigen Zinssätzen keine weitere Ausweitung der Liquidität möglich sein und deshalb auch kaum neue Hochs in den weltweiten Aktien- und Rohstoffmärkten erreicht werden können. Vor allem da der Markt nun beginnt, die langfristigen Konsequenzen von Greenspans verantwortungsloser Geldpolitik zu erkennen und für den späteren Verlauf von 2004 und 2005 höhere Zinssätze und Inflationsraten einpreist. Es gibt noch zwei weitere Argumente für eine vorsichtige Haltung für den Aktienmarkt. So befinden sich die Barbestände der Investmentfonds auf einem historisch niedrigen Niveau und könnten in Verkaufsnot geraten, falls die Anleger im Zuge einer Aktienmarktabschwächung neue Gelder zurückhalten und netto Geld abgezogen wird.

Zu guter Letzt möchte ich noch auf den gefallenen Optimismus bei den Unternehmensinsidern hinweisen, die in den ersten vier Monaten dieses Jahres über 14 Mrd. US-Dollar an eigenen Aktien verkauft haben. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres verkaufte diese Gruppe nur etwa 4 Mrd. US-Dollar an Aktienwerten. Dies ist nach Angaben einer Studie das höchste Niveau an Insiderverkäufen seit dem Jahr 1971, als man mit der Erhebung dieser Statistiken begonnen hat. Man sollte sich deshalb fragen, wer letztendlich recht behalten wird. Der relativ uninformierte US-Bürger, die just zwischen Januar und Februar 2000 am meisten Geld in Aktienfonds investierten, kurz bevor der Markt sein Allzeithoch erreichte, oder die relativ gut informierten Insider, welche wie verrückt verkaufen! Ich für meinen Teil werde die jüngsten Kurserholungen als Möglichkeit nutzen, weltweit Aktien zu verkaufen.

Dr. Marc Faber

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