Das Epizentrum der Weltwirtschaft verlagert sich
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Während Japans jahrzehntelanger Niedergang nach Fukushima noch deutlicher wird, wächst das Selbstbewusstsein Chinas gegenüber seinen Nachbarn und dem Westen immer weiter. Asienkenner Karl Pilny zieht eine Zwischenbilanz und gibt Ausblicke auf die weitere Entwicklung der Region.
Japan – ein Jahr nach Fukushima
Am 11. März 2011 ereignete sich 130 Kilometer östlich der japanischen Hafenstadt Sendai im Pazifischen Ozean ein Erdbeben der Stärke 9,0 auf der Richterskala. Das Beben löste einen Tsunami aus, der verheerende Zerstörungen in der Region Tohoku anrichtete und ganze Küstenstädte fortspülte. Auch Teile des Atomkraftwerks Fukushima-1 wurden stark beschädigt, sodass die Kühlung der abgeschalteten Reaktoren nicht mehr hergestellt werden konnte.
Ein knappes Jahr nach der Katastrophe ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Über die humanitären und volkswirtschaftlichen Schäden ist viel geschrieben worden. Interessanter erscheint die Entwicklung der Nuklearindustrie Japan, die einen wichtigen volkswirtschaftlichen Faktor darstellt. Exemplarisch kann man Schwächen der weiterhin bestehenden „Japan AG“ festmachen, die in den achtziger Jahren die Welt in Angst und Schrecken versetzte. Die Schwächen und Auswirkungen dieser Strukturen wurden durch die Vorfälle rund um Fukushima schlaglichtartig erhellt.
Fukushima-1 ist lediglich der jüngste, wenngleich schwerste in einer langen Reihe von Unfällen in japanischen Atomkraftwerken. Vertuschungsversuche und Skandale, in die die staatliche Bürokratie und Atomindustrie gleichermaßen involviert waren, haben Schwächen des japanischen Governance-Systems deutlich werden lassen.
Der landesweite öffentliche Widerstand gegen Atomenergie in Japan bleibt auch nach Fukushima-1 verhältnismäßig gering. Japan ist ein ressourcenarmer Inselstaat, der fast 100 Prozent seiner Ölversorgung importieren muss und dabei in erster Linie auf den politisch instabilen Nahen Osten angewiesen ist.
Seit dem Jahr 1956 verfolgt das Land langfristige Pläne zur Förderung der Atomenergie, um das zentrale Ziel der Energiesicherheit durch zwei Maßnahmen zu erreichen: Die Steigerung des Anteils von Atomstrom an der Energieversorgung und die Erstellung eines geschlossenen Brennstoffkreislaufs, der Japan unabhängiger von Uranimporten machen soll. Die Ölkrise im Jahr 1973 bestärkte die Regierung in diesen Zielen. Mit den Stromquellengesetzen aus dem Jahr 1974 wurde eine doppelt so hohe Subventionierung von AKWs im Vergleich zu kohle- oder ölbetriebenen Kraftwerken etabliert. Diese finanzielle Förderung wurde weiter ausgebaut, sodass sich Japan bereits im Jahr 1995 zu über 50 Prozent selbst mit elektrischer Energie versorgen konnte, wobei Atomkraft mit einem Anteil von 29 Prozent als Hauptersatz fungierte. Japan avancierte zum drittgrößten Erzeugerland von Atomstrom nach den USA und Frankreich und unterhält eines der größten Atomforschungsprogramme der Welt.
Im Jahr 1966 ging das erste japanische AKW ans Netz. Seit Mitte der 1980er Jahre betreiben die neun größten japanischen Stromkonzerne, darunter Tokyo Electric Power Company (TEPCO), mittlerweile 55 AKWs. Bis zum Jahr 2020 will das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI)1 neun zusätzliche AKWs in Betrieb nehmen und bis zum Jahr 2030 sogar mehr als 14.
Institutionelle Verflechtungen verhindern Neubeginn
Trotz Anzeichen einer Krise hält Japan an seiner Atomenergiestrategie fest. Das liegt nicht zuletzt an den engen institutionellen und personellen Verflechtungen zwischen Staat und Atomindustrie, die auch als „atomares Dorf“ bezeichnet werden. Institutionelle Verflechtungen haben eine mangelnde Überwachung der Atomindustrie, Vertuschungen von Unglücksursachen, mangelnde Informationsvermittlung und Sicherheitsmängel in japanischen AKWs zur Folge.
Die personelle Verschmelzung von Politik und Bürokratie mit der Atomindustrie hat eine lange Geschichte.
Hinzu kommt ein Phänomen, das zwar nicht spezifisch für die Atomindustrie ist, sondern generell zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor in Japan stattfindet: Die als „goldener Fallschirm“ bezeichnete zweite Karriere von Bürokraten in der Privatwirtschaft (jap. amakudari, „vom Himmel herabsteigen“).
Auch der Betreiber des vom jüngsten Atomunfall betroffenen Kraftwerks Fukushima-1, TEPCO, weist ein solches Beziehungsgeflecht seit dem Jahr 1962 auf, als Takeo Ishihara, ehemals MITI-Bürokrat, in das Unternehmen wechselte und es bis zum Vizepräsidenten brachte. Ihm folgten drei weitere ehemalige hochrangige Bürokraten aus der dem MITI untergeordneten Agentur für Natürliche Ressourcen und Energie, was mit der Zeit zu dem ungeschriebenen Gesetz führte, dass einer der sechs Vizepräsidentenposten bei TEPCO für einen ehemaligen MITI/METI-Bürokraten reserviert ist.
TEPCO ist allerdings kein Einzelfall. Mindestens 45 ehemalige Bürokraten aus dem MITI/METI sind bisher in den Vorstand der zehn größten japanischen Elektrizitätsversorger gelangt, womit die Erwartung der Konzerne verknüpft zu sein scheint, Einfluss auf die Energiepolitik ausüben zu können.
Dass tatsächlich eine Zusammenarbeit zwischen MITI/METI und den Stromkonzernen stattfindet, wurde im Jahr 2000 deutlich, als ein für den amerikanischen Energiekonzern General Electric in Fukushima-1 tätiger Inspekteur die Atomaufsichtsbehörde NISA über einen rissigen Dampftrockner im Kraftwerk informierte, dessen schlechter Zustand von TEPCO verheimlicht wurde. Die NISA gab daraufhin die Identität des Inspekteurs an TEPCO weiter, wodurch dieser in der japanischen Branche gebrandmarkt war, und erlaubte TEPCO, Inspektionen selbst durchzuführen. TEPCO durfte das AKW zwei weitere Jahre betreiben, bis weitere Sicherheitsmängel bekannt wurden. Als die Vertuschungen aufflogen, traten der Vorstandsvorsitzende und der Präsident zurück, nur um danach zu Beratern von TEPCO zu werden. Angestellte und Vorstandsmitglieder, die an der Offenlegung der Verschleierungen beteiligt waren, mussten dagegen Gehaltskürzungen hinnehmen.
Daran wird ersichtlich, wie Japans „atomares Dorf“ funktioniert und bisher unter Beteiligung der Atomindustrie, Bürokratie und großen Teilen von Politik und Wissenschaft florierte: Durch das gegenseitige Zuschieben von lukrativen Posten, Bauprojekten und der nötigen politischen, finanziellen und regulativen Unterstützung wurde ein innerer Kreis geschaffen, der denjenigen die Aussicht auf Beförderungen nimmt, die nicht zu ihm gehören. Dasselbe Prinzip liegt den sogenannten „Presseklubs“ zugrunde, einer Institution, die sich, ebenso wie amakudari, in ihrer modernen Form während der jahrzehntelang ununterbrochenen Alleinherrschaft der Liberaldemokratischen Partei Japans (LDP) herausbildete. Presseklubs sind meist an Ministerien und Firmen gebunden und ihre Mitglieder sind Journalisten, die für große und etablierte nationale Medien arbeiten. Ausländische Presse, unabhängige Journalisten und Zeitschriftenreporter bleiben dabei ausgeschlossen. Stillschweigende Bedingung ist das Zurückhalten von Informationen, die in der Bevölkerung negative Reaktionen hervorrufen könnten. Kritische Journalisten arbeiten so zwangsläufig außerhalb des Systems. Auch TEPCO unterhielt solche Presseklubs – mit der Folge, dass in den ersten zwei Wochen nach der jüngsten Katastrophe während TEPCOs Pressekonferenzen nicht ein Journalist die Frage stellte, ob Plutonium aus dem dritten Reaktor von Fukushima-1, der MOX-Brennstäbe enthält, ausgetreten sei.
Japans „atomares Dorf“ und das Versagen sämtlicher potenzieller Überwachungsstrukturen ist ein wesentlicher Grund dafür, weshalb der erste und älteste Reaktor des AKW Fukushima-1 trotz des gesetzlich vorgeschriebenen Maximums von 40 Jahren Betriebszeit Anfang des Jahres 2011 noch eine Laufzeitverlängerung bekam, warum das AKW über unzureichende Schutzwälle gegen Tsunamis verfügte und sich die Notstromgeneratoren nur knapp über dem Meeresspiegel befanden.
Das jüngste Anwachsen der japanischen Anti-Atomkraftbewegung erfolgt von einem – im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz – sehr niedrigen Niveau aus und dürfte weiterhin vornehmlich auf lokale Initiativen gegen den Bau neuer AKWs beschränkt bleiben. Die Ursachen hierfür liegen in der bereits bestehenden finanziellen Abhängigkeit vieler Kommunen von Atomsubventionen und den durch AKWs in der unmittelbaren Umgebung geschaffenen Arbeitsplätzen, die die ursprünglich vorhandenen Berufszweige und Einkommensquellen größtenteils ersetzt haben.
Die meisten Reaktoren gelangten auf diese Weise in dünner besiedelte Gebiete abseits der großen Ballungszentren, obwohl sie für Letztere den Großteil des Stroms produzieren. Der überwiegende Teil der Bevölkerung will zwar nicht in der direkten Nachbarschaft zu AKWs leben, akzeptiert diese prinzipiell aber als Stromlieferanten, weshalb sich bei Umfragen trotz der aktuellen Katastrophe die Mehrheit der Befragten weiterhin für die Nutzung von Kernenergie ausspricht. Eine Abkehr Japans von der Atomenergie ist deshalb mittelfristig nicht zu erwarten.
Technologisch alle Voraussetzungen für die Energiewende gegeben
Erneuerbare Energien können dadurch, dass sie in der Vergangenheit im Vergleich zu Atomkraft kaum gefördert oder ausgebaut wurden, kurz- und mittelfristig nicht als Substitut dienen. Da 15 Reaktoren infolge des Erdbebens derzeit nicht in Betrieb und weitere wegen Sicherheitsinspektionen vorübergehend abgeschaltet sind, wird der erwartete Strommangel durch Elektrizitätserzeugung aus fossilen Brennstoffen, vor allem Flüssig-Erdgas, überbrückt werden.
Trotzdem liefert die derzeitige Krise einen Anlass für die japanische Regierung, den Ausbau erneuerbarer Energien in Zukunft stärker voranzutreiben, wofür sie allerdings Widerstand in Bürokratie, Atomindustrie und den eigenen Reihen überwinden muss. Technologisch verfügt Japan bereits über alle Voraussetzungen für eine Energiewende, vor allem in den Bereichen Kraft-Wärme-Kopplung in Kombination mit intelligenten Stromnetzen und Photovoltaik. Eine solche grundlegende Überarbeitung der Energiestrategie brächte immense Kosten mit sich.
Allerdings könnte sie durch ihren langfristigen Nutzen und ihre Kompatibilität mit den japanischen Zielen der Energiesicherheit bei gleichzeitiger Emissionsreduzierung in Kombination mit den tatsächlichen Preisen von Atomstrom auch wirtschaftlich attraktiv werden. In Letzteren sind nämlich in der Regel nicht die Kosten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle oder unbegrenzte Haftungen in Katastrophenfällen enthalten.
Auch eine rechtliche Einschränkung von amakudari der atomenergiebezogene Governance in Japan könnte zuträglich sein, obwohl eine solche Maßnahme aufgrund des in der Verfassung fixierten Rechts auf freie Berufswahl schwierig umzusetzen wäre. Andere Maßnahmen, wie etwa die Erhöhung des Pensionsalters für Ministerialbeamte, sind jedoch denkbar, um dem amakudari-Phänomen mittelfristig beizukommen. Die seit dem Jahr 2009 von der Demokratischen Partei Japans geführte Regierung könnte aus gegebenem Anlass verstärkt versuchen, ihr Wahlkampfversprechen, amakudari einzuschränken bzw. abzuschaffen, in die Tat umzusetzen.
Fraglich ist, ob der gerade vollzogene Wechsel vom relativ schwachen Premier Naoto Kan zu dessen ehemaligen Finanzminister Noda als neuem Premierminister wirklich umfassende Reformen bewirken wird. Nicht einmal der charismatische, aus einer alten Politikerdynastie stammende Hatoyama hatte es nach dem historischen Wahlsieg der DJP im Jahre 2010 geschafft die verkrusteten Strukturen aufzulösen. In den Augen der Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit hat die politische Kaste versagt. Die Beendigung der über fünfzigjährigen Alleinherrschaft der LDP ist bisher wirkungslos verpufft.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen der Katastrophe mögen mittelfristig beseitigt werden können, der volkswirtschaftliche Schaden ist aufgrund einer geringeren Bedeutung der betroffenen Region nicht so gravierend wie nach dem Erdbeben in Kobe 1995. Doch einmal mehr scheinen Chancen für grundlegende Strukturrreformen verpaßt zu werden. Deswegen hatten auch die milliardenschweren Infrastrukturprogramme und andere Konjunkturankurbelungsmaßnahmen in Japan in den letzten 20 Jahren, der sogenannten „verlorenen Dekade“, nicht zu einem Anspringen des Binnenkonsums geführt. Die Sparquote in Japan hingegen schmolz von über 30 % in den neunziger Jahren auf derzeit nur 3 % des BIP ab. Der japanische Verbraucher, auf dessen steigende Kauflust so viele warten, hat schlicht kein Geld mehr. Unabhängig von den Zusatzbelastungen finanzieller Art und der Stromknappheit durch die Katastrophe von Fukushima, rächt sich nun auch das nur rudimentäre Sozialvorsorgesystem in Japan.
Bei schwächeren Unternehmen, dem Ende des „Prinzips der lebenslangen Beschäftigung“ und einer dramatisch alternden Bevölkerung ist dies eine Zeitbombe, die schon bald die wirtschaftlichen Erwartungen noch stärker durcheinanderwirbeln könnte.
Japan verliert gegenüber Südkorea an Boden
Ungleich flexibler zeigten sich koreanische Unternehmen und auch die koreanische Regierung, beides seit einigen Jahren die schärfsten Konkurrenten Japans. So wie Hyundai Toyota als innovativstes und profitabelstes Automobilunternehmen der Welt ablösen und so wie Samsung Sony und Panasonic abhängen konnte, so kann es weiteren japanischen Unternehmen gehen.
Japan sollte man zwar nicht zu schnell abschreiben – es ist noch immer die drittgrößte Volkswirtschaft und hat die viertgrößte Marine der Welt. Doch die Uhr tickt und der Wettbewerb – vor allem bei den einstmals so von Japan malträtierten asiatischen Nachbarn – schläft nicht.
Chinas Strategie ist dem Westen überlegen
China lässt, wie Japan vor zwanzig Jahren, das Stadium des Nachahmers hinter sich. Chinas Fähigkeit, aus dem vom Westen erworbenen Wissen eigene Produkte und Innovationen zu entwickeln zeigt sich immer mehr. Erst deindustrialisiert sich der Westen selbst, indem er die Produktionsanlagen nach China exportiert, dann verliert er die Spitzenstellung in der Weltwirtschaft. Muss man mit dem Schlimmsten rechnen?
Chinas Strategie ist schon auf mittlere Sicht den auf Quartalsgewinne fixierten börsennotierten westlichen Konzernen überlegen. Beide asiatischen Mächte, China und Japan, interessieren sich nicht für die betriebswirtschaftlichen Rezepte des Westens. Chinas kommunistische Partei hat zwar Börsen und Märkte zugelassen, aber sie hat nach wie vor die Planungshoheit und wird die Macht – schon in Erinnerung an die halbkoloniale Phase – nicht vollends den Märkten geben.
Japan hat seit der Demütigung durch die »ungleichen Verträge« mit dem amerikanischen Commodore Perry 1854 stets darauf geachtet, westliche Technik zu übernehmen, ohne die eigene Kultur aufzugeben. Seit zehn Jahren versuchen die Amerikaner den Japanern ihr Verständnis von Ökonomie beizubringen – doch Japan widersteht den Belehrungen beharrlich: Die japanischen Konzerne bedienen seit der großen Krise brav ihre Schulden, statt Gewinne auszuschütten. Insolvenzen zulasten von Gläubigern, Arbeitern und Steuerzahlern werden als unehrenhaft betrachtet.
Das Epizentrum der Weltwirtschaft verlagert sich immer stärker nach Asien, jedoch könnten die Spannungen zwischen China und Japan die politische Vorherrschaft Asiens verhindern. Dabei ist nicht einmal ein kriegerischer Konflikt zwischen China und Japan ausgeschlossen, denn der Kampf um die Rohstoffe und das wachsende Selbstbewusstsein der Chinesen fordern die Japaner heraus.
China und Japan haben nun verkündet, dass in dem stetig wachsenden Handel zwischen der zweiten und drittgrößten Volkswirtschaft der Welt in zunehmendem Maße die eigenen Währungen anstelle des US-Dollar verwendet werden sollen.
China, das schon vor einiger Zeit verkündet hatte, Shanghai bis 2020 zu einem internationalen Finanzzentrum auszubauen, muss dazu das eigene Finanzwesen liberalisieren und den freien Handel mit der eigenen Währung ermöglichen. Genau dafür ist dieses Abkommen ein wichtiger Schritt. Der wichtigste Teil der Vereinbarung bezieht sich jedoch darauf, dass Japan künftig erlaubt wird einen Teil seiner Devisenreserven in Yuan anzulegen. China mit 3,2 Milliarden US-Dollar und Japan mit 1, 3 Milliarden US-Dollar sind die beiden größten Gläubiger der Welt, die bisher vor allem in der US-Währung investiert sind. Doch beide sind unzufrieden mit der Haushaltspolitik der USA und fürchten um den Wert ihrer Anlagen.
Daher ist es für beide Länder sehr interessant, dass Japan zunächst 10 Milliarden US-Dollar in China anlegen darf. Es kann davon ausgehen, dass sich diese Quote bald erhöhen wird. Doch Tokio löst auch an anderen Fronten die Bindung an den Dollar. Die japanische Regierung verhandelt gerade mit Indien ein ähnliches Abkommen. Auch da geht es zunächst um 10 Milliarden US-Dollar, was für Japan ein geringer Betrag ist. Dch für Indien macht diese Summe bereits 2 % des dortigen Staatsanleihenmarktes aus.
China beginnt nicht nur mit dem Abschluss des Währungsabkommens mit Japan seine finanzielle Macht stärker auszuspielen. Auch der Staatsfonds CIC wird mit weiteren 50 Milliarden US-Dollar ausgestattet. Zudem kündigte die Regierung an, zwei weitere Staatsfonds im Volumen von insgesamt 300 Milliarden US-Dollar aufzulegen. Man kann davon ausgehen, dass sie dazu benutzt werden, strategisch wichtige Firmen und Rohstoffvorkommen weltweit aufzukaufen. Die Beteiligung des Staatsunternehmens, das den Drei Schluchten Staudamm am Jangtse betreibt, am portugiesischen Versorger EDP – wobei die deutsche EON aus dem Feld geschlagen wurde – gibt einen Vorgeschmack darauf. Nicht nur angeschlagene südeuropäische Firmen oder Regierungen hoffen oder fürchten chinesische Investoren. Auch im Mittelstand werden qualitativ hochwertige Unternehmen in Europa zugekauft. Hinzu kommen börsennotierte Bluechips: Bieten sie eine starke Marke und/oder interessante Technologie- und Vertriebsstrukturen, geraten sie immer stärker in den Fokus von chinesischen Unternehmen.
Im Vergleich zu dem mit 230 % des BIP hochverschuldeten Japan und den beinahe kollabierten europäischen Staaten, steht Südkorea mit gerade einmal 35 % Schuldenquote des BIP und einem Haushaltsdefizit von 2 % erstklassig da. Gleichwohl hat die südkoreanische Regierung gerade beschlossen im Jahre 2012 ungeachtet der Abkühlung der Weltwirtschaft das Haushaltsdefizit zu halbieren. Für 2013 wird sogar ein ausgeglichener Haushalt angestrebt. Südkorea, das neben Welt- Unternehmen wie Samsung und Hyundai auch eine äußerst anpassungsfähige Politik und Volkswirtschaft aufzuweisen hat, konnte mit einer gelungenen Mischung aus Konjunkturprogrammen, niedrigen Zinsen und einem weichen Won als einziges Industrieland eine Rezession nicht nur vermeiden, sondern im Jahr 2011 mit 4 % sogar wachsen. Die Aussichten bleiben weiterhin gut.
Japan hingegen hat Pläne für die beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer gerade schon wieder um zwei Jahre verschoben. Die Aussichten für eine Konsolidierung stehen dort schlechter denn je, da die Folgen von Fukushima noch lange nicht behoben sind. Im Gegenteil: Das Betreiberunternehmen Tepco steht wohl nun endgültig kurz vor der Verstaatlichung.
Japan baut seine Rüstungsindustrie aus
Abhilfe soll eine Abmilderung der strengen Vorschriften für Waffenexporte bilden. Ab sofort erlaubt die Regierung von Premier Noda die Ausfuhr von Waffen für humanitäre Einsätze und gestattet japanischen Rüstungsproduzenten gemeinsam mit Unternehmen aus befreundeten Staaten Waffen zu entwickeln und herzustellen. Dieses Zugeständnis an die einheimische starke Rüstungsindustrie wird wahrscheinlich große Auswirkungen haben. Zum einen könnte sich nun Mitsubishi an der Entwicklung des Kampfflugzeuges F -35 des US Herstellers Lockheed Martin beteiligen – der Militärmaschine wurde gerade der Vorzug vor dem Eurofighter gegeben. Zum anderen dürften die Beschaffungskosten für Japans Selbstverteidigungskräfte deutlich sinken. Auch das Säbelrasseln des neuen nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un – der seinen Amtsantritt gleich mit dem Test einer Mittelstreckenrakete zelebrierte –, dürfte im militärischen Sektor Japans Optimismus auslösen.
Auf absehbare Zeit dürfte Ostasien also nicht nur wirtschaftlicher sondern auch politischer Brennpunkt in Asien bleiben.
Dr. Karl Pilny ist seit dreißig Jahren intensiv mit der Wirtschaft, Kultur und Geschichte Asiens befasst. Als internationaler Wirtschaftsanwalt und Finanzexperte hat Pilny viele Jahre in Asien gelebt und gearbeitet und ist Autor mehrerer Sachbücher, darunter „Asiens Energiehunger: Rohstoffe am Limit“ und „Investment-Guide Asien: Chancen, Risiken und Profite für Ihr Depot“. Mit zahlreichen Vorträgen, seiner umfassenden Beratertätigkeit sowie
regelmäßigen Medienauftritten gilt er als einer der führenden Asienexperten im deutschsprachigen Raum. Zuletzt ist von ihm der Politthriller „JAPAN INC. “ (Osburg Verlag Berlin, ISBN 978-3-940731-69-2, 540 Seiten) erschienen. Spannend verpackt, schildert Pilny darin die alte Rivalität zwischen Japan, China und Korea, die durch Japans Niedergang neu aufbricht.
Erfahren Sie noch mehr in der [Link "Sonderpublikation "Asien & Rohstoffe"" auf www.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar].
Autor: Dr. Karl Pilny
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