Kommentar
17:40 Uhr, 17.09.2018

Darum müssen die Lehrbücher neu geschrieben werden

Eigentlich hätte man aus der Krise des Jahres 2008 lernen sollen. Nur scheinen die Marktteilnehmer nicht lernen zu wollen. Alte Gesetzmäßigkeiten gelten nicht mehr. Oder doch?

Gastbeitrag der Guidants-Experten Dr. Christoph Bost und Compagnon

Die meisten Menschen interessieren sich nur wenig für Wirtschaft und Politik. Erst kürzlich erzählte mir jemand, warum sich Sorgen machen, mit Fast Food von McDonald’s und Computerspielen bzw. Handyspielen lebt es sich doch viel besser. Dies belegt wieder einmal die Auffassung von Kaiser Nero, Hauptsache das Volk hat „Brot und Spiele“ (Juvenal). Diejenigen aber, die sich mit Politik und Wirtschaft beschäftigen und dies auch schon länger tun, verstehen manche Entwicklung immer weniger. Denn Not kennt kein Gebot und die Notenbanken ignorieren daher jegliche ökonomische Gesetzmäßigkeiten. Es überrascht entsprechend wenig, dass Professoren von Universitäten zu der Auffassung gelangen, dass die Lehrbücher neu geschrieben werden müssen.

Professor Straubhaar verweist zum Beispiel darauf, dass nach allen makroökonomischen Lehrbüchern eine Situation, in der die Geldmenge um den Faktor zwei steigt, die Gütermenge aber nur um 13 %, zu einer gewaltigen Inflation führen muss. Generationen von Studierenden wurde das Grundgesetz des Monetarismus eingebläut, wonach ein schnelleres Wachstum der Geldmenge als der Gütermenge entsprechend zu steigenden Preisen führen müsse, weil Güter im Vergleich zum Geld knapper und damit teurer würden.

In der heutigen Zeit wird diese Gesetzmäßigkeit außer Kraft gesetzt. Offenbar gilt ein zentrales Grundgesetz der Makroökonomie seit der Finanzmarktkrise nicht mehr. Man verweist auf die extrem gesunkene Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, welche das Geldmengenwachstum aufgefangen und kompensiert haben könnte. Diese Einschätzung ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, um die Gesetzmäßigkeit aber wieder herzustellen, sollte man vielleicht sowohl was die Umlaufgeschwindigkeit als auch die Inflation betrifft lediglich die Messdaten anpassen. Die Liquidität hat ihren Weg primär nämlich an die Finanzmärkte bzw. in die Geldbeutel der Reichen gefunden.

Die Inflation findet also an den Kapitalmärkten statt und hier wird das Geld recht flott im Umlauf gehalten. Darüber hinaus gibt es natürlich die Internationalisierung zu beachten, diese belegt allerdings, dass weltweit die Liquidität massiv erhöht worden ist und somit inflationäre Impulse gegeben sind. Dies ist auch unter anderem daran zu erkennen, dass die Schulden inzwischen deutlich stärker wachsen als die Wirtschaft. Wenn nun die Geldmenge, welche zur Verfügung gestellt wird, auch noch primär den Reichen zukommt, so wird dies die gängige Messung der Umlaufgeschwindigkeit kaum tangieren, wird das Geld doch erneut am Kapitalmarkt und nicht im Konsum eingesetzt. Wenn also eine Steuerreform á la Trump dem kleinen Mann 60 USD im Jahr an Einkommen bringt, welches über die Inflation von 2 % wieder aufgesogen wird, so belegt dies, dass das ökonomische Modell unverändert seine Gültigkeit besitzt.

Die großen Einkommenssteigerungen haben aber die Reichen erhalten und glaubt man den Statistiken, so geben diese sowieso höchstens noch 50 % ihres Einkommens für Konsum aus. Mit dem Geld wird aber umso mehr spekuliert, die Aktienkurse steigen, die Immobilienpreise steigen, die Preise für Gemälde, Diamanten, Oldtimer, Whisky und vieles andere mehr steigen, die Vermögensverteilung hat sich in den letzten Jahren entsprechend drastisch verschlechtert. Diese Spekulation trifft den Konsumentenpreisindex aber nur in geringem Umfang.

Zu Recht kritisiert Professor Straubhaar, dass die Finanzmarktkrise zwar aufgedeckt hat, wie stark Eigeninteresse und Egoismus von Bankmanagern, Börsenhändlern, Ratingagenturen und Finanzinstituten zu gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen geführt haben, dass man daraus aber nichts gelernt hat. Er zieht den Schluss, dass man aus der Krise des Jahres 2008 nur lernen konnte, dass diese Leute nicht lernen wollen. Man arbeitet heute mit noch größeren Hebeln am Kapitalmarkt, die Leerverkäufe haben drastisch zugenommen und die Algorithmen des Hochfrequenzhandels werden nur noch bewegt von Börsenkursen, welche Sie zuvor selbst auf Nanosekundenbasis errechnet haben. Losgelöst von den makroökonomischen Fundamentaldaten treiben Spekulanten die Güter-, die Arbeits- und Kapitalmärkte vor sich her, die Finanzmärkte werden zu immer größeren Brandbeschleunigern.

7 Kommentare

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  • haigo
    haigo

    Vollgeld ... Nach wie vor ein sehr interessanter Vorschlag. Aber ändert es tatsächlich etwas daran, dass sich über die Jahrzehnte immer mehr Schulden (Staatsschulden, Unternehmensschulden, private Kredite, Pensions- und Rentenversprechen, ........) auftürmen?

    22:43 Uhr, 17.09. 2018
  • Kaishakunin
    Kaishakunin

    Sehr guter Beitrag. Man hört Kritik durch. Was wären denn Ihrer Meinung nach die Auswege aus der Misere. Oder anders gefragt, was müsste "man" tun, damit "es besser wird"? Hierzu wäre ein Folgeartikel mit Gedankenspielen sehr schön...

    21:14 Uhr, 17.09. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • amateur
    amateur

    Ich bin kein Wirtschaftsexperte: Aber solange des "Mehrgeld" nicht in den Wirtschaftskreislauf kommt, sondern von den oberen Zehntausend hin- und hergeschoben wird, gibt es keine Inflation. Das Spielchen könnte so noch viele Jahre gehen.

    20:43 Uhr, 17.09. 2018
  • haigo
    haigo

    Ray Dario und andere sehen eine Asset-Inflation durch die Niedrigzinsen der Zentralbanken. Ein Inflation der Verbraucherpreise käme dann erst in einer späteren Phase. Finde ich sehr schlüssig. Siehe verlinktes Video.

    19:35 Uhr, 17.09. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • maykaefer
    maykaefer

    Für eine Inflation kommt es nicht auf die Geldmenge im Gesamten an, sondern auf die verfügbare Geldmenge (Liquidität) und um die ist es mehr als schlecht bestellt.

    18:21 Uhr, 17.09. 2018

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