Corona könnte Regierungswandel auslösen
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Das Corona-Virus hat Gesellschaften und Volkswirtschaften auf den Kopf gestellt. Die Menschen haben neue Lebens- und Arbeitsweisen gefunden; die Unternehmen haben neue Geschäftsmodelle erfunden. Gleichzeitig versuchen Regierungschefs aller politischen Couleur, die Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen und gleichzeitig den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Nachdem Corona sich an die Spitze der innenpolitischen Agenda praktisch jeder Nation gedrängt hat, kann es nun als Katalysator für eine Welle staatlicher Transformation dienen.
Die Corona-Pandemie hat bei vielen Menschen ein Gefühl der Besorgnis hinterlassen, aber auch den Wunsch nach Veränderung geweckt. Die Politiker sehen sich unterdessen mit beispiellosen Herausforderungen und Machtbefugnissen konfrontiert. Vor diesem Hintergrund identifiziert NN Investment Partners (NN IP) drei Unbekannte, die zu einem Beschleunigungsfaktor für bestehende Trends und einem Katalysator für Veränderungen werden könnten.
„Der bestimmende Politik-Mix in den 2020er Jahren wird davon abhängen, ob die liberale Denkweise der vergangenen vier Jahrzehnte Nationalisten und Populisten oder einer „neuen Linken“ mit progressiven Politikern Platz macht“, sagt Marco Willner, Head of Investment Strategy bei NN IP. „Eine weitere Schlüsselfrage wird sein, ob wir den Aufstieg des starken Staates erleben werden oder eine Fortsetzung des Laissez-faire-Staates, der die Wirtschaftspolitik seit den 1980er Jahren geprägt hat.“
Die Pandemie könnte auch der Katalysator für einen Kalten Krieg zwischen den USA und China sein, so Willner. Es wäre das Ende der Koexistenz von internationaler Zusammenarbeit und wirtschaftlichem Wettbewerb zwischen den Ländern und würde die Beziehungen in Richtung strategischer Wettbewerb und einer Politik der Stärke verschieben.
Marco Willner und Mariana Mazzucato, preisgekrönte Wirtschaftswissenschaftlerin und Professorin, diskutierten bei einer digitalen Veranstaltung über aktuelle unbekannte Faktoren, die große Auswirkungen auf Investoren haben. Dies war die vierte Veranstaltung dieser Art in NN IPs UpsideDown-Reihe, die sich auf die Welt nach der Pandemie konzentriert.
Mariana Mazzucato sagt: „Corona bietet uns die Möglichkeit, den Kapitalismus zu verändern. Wie wir Wert messen, wie wir zusammenarbeiten, um gemeinsame Ziele zu erreichen, und wie wir öffentlich-private Beziehungen so strukturieren, dass es weniger um Almosen und Sicherheiten geht als um Co-Investitionen, bei denen sowohl Risiken als auch Gewinne geteilt werden. Wir müssen die digitale Kluft, die geistigen Eigentumsrechte für den Impfstoff und die Wiederaufbaufonds so verwalten, dass das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht. Das bedeutet, dass Zweck und Stakeholder-Value nicht länger auf die Unternehmensführung beschränkt bleiben dürfen, sondern in den Mittelpunkt der Frage gestellt werden müssen, wie wir Partnerschaften zwischen allen Wertschöpfern – in öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen – schaffen können. Wir müssen im Wiederaufbau besser werden.“
Um zu verstehen, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Herausforderungen haben könnte, denen sich die Regierungen nach der Pandemie gegenübersehen, hat NN IP drei wichtige Unbekannte identifiziert. Durch die Analyse, wie sich diese Unbekannten entwickeln könnten und wie schnell sowie dauerhaft diese Veränderungen sein könnten, können sich Investoren besser für eine Welt nach der Pandemie aufstellen.
Wird der Liberalismus einem populistischen Nationalismus oder einer „neuen Linken“ weichen?
Das Ende der Globalisierung nach der Finanzkrise 2008 bot einen Nährboden für rechtspopulistische Politiker, die einfache Lösungen für die Menschen anboten, die durch die Globalisierung auf der Strecke geblieben waren. Jetzt, in der Zeit nach der Pandemie, könnten liberale Regierungen unter Druck geraten, weil die Vorteile der Globalisierung schwinden und die Ungleichheit ein dringliches Problem bleibt, während populistische Politiker dadurch gefährdet sind, dass ihre Abneigung gegen technokratische Politiker oft mit einem schlechten Management der Pandemie einherging.
Dies könnte zu einer Art Gegenreaktion führen, die progressiven Politikern den Weg ebnet, und den Respekt vor Fakten wieder herstellt. Diese „neuen linken“ Politikerinnen und Politiker findet man häufig in den grünen Parteien Europas. Sie kämpfen für eine moderne Art der Inklusion, bei der gesellschaftliche Themen mehr Aufmerksamkeit erhalten, und räumen öffentlichen Themen wie Gesundheitsversorgung, Umwelt, Bildung und Infrastruktur höhere Priorität ein. Die allgemeine politische Richtung der neuen Linken zielt eher auf Chancengleichheit als auf gleiche Einkommen ab.
Starker Staat oder Laissez-faire?
Die jüngsten Lockdown-Maßnahmen verletzten die persönlichen Freiheiten und führten zu Grenzschließungen. Die Pandemie führte auch dazu, dass die meisten Regierungen mit steigender Arbeitslosigkeit und Verschuldung konfrontiert waren, was den Druck zur Erhöhung der Steuern verstärkte. Kurzum, die Regierungen haben in letzter Zeit weit mehr Macht ausgeübt als in der Vergangenheit, und die neuen wirtschaftlichen Herausforderungen erfordern weitere Interventionen in der Zukunft. Ein „starker Staat“ könnte auf zwei unterschiedlichen Gebieten intervenieren: auf der Ebene der individuellen Rechte oder als dominanter Marktteilnehmer in der heimischen Wirtschaft.
Ein neuer Kalter Krieg
Die Pandemie könnte der Katalysator für einen Kalten Krieg zwischen den USA und China sein. Sie würde die Koexistenz von internationaler Zusammenarbeit und wirtschaftlichem Wettbewerb zwischen den Ländern beenden und die Beziehungen auf strategischen Wettbewerb und eine Politik der Stärke verlagern. Die „America First“-Doktrin von US-Präsident Donald Trump versucht, die multilaterale Ordnung, die die USA nach dem Zweiten Weltkrieg mit aufgebaut haben, rückgängig zu machen. Dieser Ausstieg schafft ein Machtvakuum, das China zu füllen versucht. Wenn der Trend zur Politik der Stärke die Oberhand gewinnt, werden sich alle Länder für eine Seite entscheiden müssen.
Für Europa könnte ein neuer Kalter Krieg ein Schlüsselmoment darstellen. Die äußere Bedrohung könnte der Katalysator für mehr politische, militärische und wirtschaftliche Integration sein. Die Unterschiede zwischen den vielen Ländern Europas haben jedoch zwei Folgen. Erstens ist es unwahrscheinlich, dass sich alle europäischen Länder für die gleiche Seite entscheiden werden. Zweitens wird die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern genügen, um eine Union zu schaffen, die stark genug ist im globalen Wettlauf zu bestehen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine solche Union das nationalstaatliche Modell vollständig aufgeben und selbst zu einer führenden Macht werden würde. In der europäischen Politik geht es üblicherweise darum, die richtige Balance zu finden.
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