Kommentar
07:54 Uhr, 22.10.2015

Comeback des BRIC-Stars?

Brasilien befindet sich in der schwersten Rezession seit Jahren, der Präsidentin droht ein Amtsenthebungsverfahren, ein Korruptionsskandal erschüttert das Land, die Währung kollabiert und Rohstoffpreise sind niedrig. Kann es noch schlimmer kommen?

Erwähnte Instrumente

  • db X-trackers MSCI Brazil He
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Der obigen Liste kann man noch einige negative Punkte hinzufügen. Die Inflation ist so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr, die Zinsen liegen bei 15%, die Währungsreserven sind rückläufig, ausländische Investoren ziehen ihr Kapital ab, Unternehmen haben weniger Zuversicht als 2008/09 und Konsumenten sind so schlecht gelaunt wie seit 1999 nicht mehr. Kurz gesagt: die Situation ist wirklich düster.

Die Lage ist derzeit so aussichtslos, dass man sich ernsthaft fragen muss, ob es noch schlimmer kommen kann. Brasilien hat so viele Probleme und Baustellen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Während sich die USA und Europa in einem moderaten Aufschwung befinden, erlebt Brasilien die schwerste wirtschaftliche Krise seit den 80er Jahren. Das ist etwas, was nicht jeden Tag vorkommt. Für antizyklisch orientierte Anleger lohnt sich ein genauerer Blick auf das Land.
Brasilien ist stark vom Rohstoffexport abhängig. Der Sektor trug 2014 noch 7% zum Bruttoinlandsproduktes bei. Schon allein wegen des Preisverfalls der Rohstoffe kommt es zu einem negativen Beitrag zum Wirtschaftswachstum aus diesem Sektor. Die Abhängigkeit von Rohstoffen lässt sich nicht von heute auf morgen beenden. Investoren und Anleger behandeln Brasilien allerdings wie Angola. Angolas Rohstoffexporte machen 60% der Wirtschaftsleistung aus. Das ist überhaupt kein Vergleich zu Brasilien und dennoch ist die Reaktion von Anlegern und Investoren die gleiche. Das spricht bereits Bände und deutet eine Übertreibung an.

Brasilien ist sehr viel mehr als ein nur eine Rohstoffexportnation. An die 65% der Wirtschaftsleistung kommen aus dem privaten Konsum. Dieser Anteil ist fast so hoch wie in den USA. Konsumenten sind in diesen Tagen nicht besonders gut gelaunt, daher nutzt der hohe Anteil wenig, um das sinkende Rohstoffgeschäft zu kompensieren. Allerdings: Während die Laune nach wie vor nachgibt steigen die Konsumausgaben wieder minimal an. Das ist ein positives Signal.

Auch an der Rohstofffront gibt es Zeichen der Entspannung. Viele Rohstoffe arbeiten an einem mittelfristigen Boden. Der Ölpreis scheint derzeit nicht auf Kurs zu neuen Jahrestiefs. Das hilft der Währung, den Unternehmen und auch den Staatseinnahmen.

Der Abschwung in Brasilien ist gewiss noch nicht beendet. Die Lage bleibt schwierig, doch mit einem vorsichtigen Optimismus kann man annehmen, dass die Talsohle gerade durchschritten wird. Das zeigt sich bisher in den Aktienkursen gar nicht. Anleger brauchen also einen gewissen Mut, um jetzt einzusteigen. Wer allerdings erst auf eine Rallye wartet und dann einsteigt, der verpasst einen Großteil der Bewegung. Wer den Turnaround vor der Masse nutzen will, ist als Anleger ziemlich auf sich allein gestellt.

Die Chancen für den Aktienmarkt stehen gut. Grafik 1 zeigt den brasilianischen Markt seit 1994. Die Bewegung des Marktes zeigt große Parallelen zum Ölpreis. Das liegt nicht zuletzt am ehemaligen Börsenschwergewicht Petrobras. Inzwischen ist der Anteil des Unternehmens an der Gesamtmarktkapitalisierung auf unter 4% geschrumpft. Es waren einmal über 10%. Der Gesamtmarkt wird immer noch von Rohstoffunternehmen beeinflusst, doch ihre Gewichtung ist inzwischen weit weniger dominant als noch vor einigen Jahren.

Neben dem Aktienindex und dem Ölpreis ist noch ein weiterer Indikator zu sehen. Die rote Linie zeigt die Marktkapitalisierung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Vor der Finanzkrise war der Aktienmarkt mit 108% des BIPs bewertet. Seitdem fällt dieser Wert und erreichte zuletzt 35%. Das ist so viel wie vor 13 Jahren und entspricht dem Niveau der Jahre vor dem großen Rohstoffboom (2000-2002).

Warren Buffet verwendet die Kapitalisierung im Verhältnis zum BIP gerne als Indikator. Es zeigt gut Übertreibungen in beide Richtungen an. Für Brasilien zeigt sich so langsam eine Übertreibung nach unten. Auch wenn man die Bewertung mit anderen Märkten vergleicht kommt man zu dem Schluss, dass Brasilien so langsam wieder interessant wird.

Grafik 2 zeigt die Kapitalisierung anderer Märkte im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung im Vergleich. Abgebildet sind die historischen Maximal- und Minimalwerte. Derzeit liegt der Indikator für Brasilien bei 35%. Das immer noch doppelt so hoch wie das bisherige historische Minimum. Es kann also durchaus noch schlimmer kommen. Da darf man sich nichts vormachen. 35% entspricht im internationalen Vergleich allerdings einem attraktiven Niveau. Nur sehr wenige Märkte hatten ein historisches Minimum unter 30%.

Sich als Anleger einen Brasilien ETF ins Depot zu legen fällt derzeit nicht leicht. Es ist auch alles andere als ausgemachte Sache, dass die Krise und der Abwärtstrend auf dem Aktienmarkt nach 4 Jahren vorbei sind. Als Anleger hat man neben dem Kursrisiko auch ein Währungsrisiko. Verliert der brasilianische Real gegenüber Dollar und Euro weiter an Wert, dann kann dies etwaige Kursgewinne aufzehren.

Persönlich traue ich brasilianischen Aktien ein Comeback zu. Das Währungsrisiko kann man ausschalten (z.B. über den gehedgten db x-trackers ETF mit der ISIN US2330513092). Wer das Währungsrisiko ausschaltet partizipiert natürlich auch nicht an etwaigen Gewinnen aus einer Aufwertung des Real. Wer das Risiko bzw. die Chance eingehen will, der kann den iShares MSCI Brasilien ETF in Erwägung ziehen (ISIN DE000A0HG2M1). Eile ist nicht angesagt. Eine Bodenbildung braucht Zeit und muss sich in den kommenden Wochen bestätigen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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