Kommentar
11:37 Uhr, 20.02.2012

Collective Action Clauses - der legalisierte Diebstahl

Stellen Sie sich vor, Sie und ein paar Bekannte leihen einem „Freund“ eine beträchtliche Summe Geld zu fixierten Konditionen, was Zinssatz und Laufzeit angeht. Der Rückzahlungstermin rückt näher. Da sagt ihr „Freund“: „Du pass auf, ich hab mit den anderen gesprochen. Wenn eine Mehrheit von euch Gläubigern beschließt, dass ich nur 1/3 zurückzahlen muss, dann gilt das für euch alle. Die anderen haben schon zugestimmt. Du hast leider Pech gehabt“.

Was sagen Sie dann? Das geht doch gar nicht, oder? Unmöglich! Juristisch undenkbar.
Und doch ist entspricht dies ziemlich genau dem, was der griechische Staat aktuell mit der rückwirkenden Einfügung der berüchtigten Collective Acion Clauses (CAC) in seine bereits emittierten Staatsanleihen plant. Dadurch soll eine Änderung der Anleihebedingungen, akzeptiert von einer Mehrheit, verbindlich für ALLE Gläubiger eines Bonds gelten.
Man kann trefflich darüber streiten, ob CAC generell juristisch ein akzeptables Instrument sind. Auch in Deutschland sind sie inzwischen etabliert, was Unternehmensanleihen angeht (lesen Sie mehr dazu hier). Ich bin strikt dagegen, weil sie eine Enteignung ermöglichen, gegen die man sich nicht wehren kann – selbst wenn die Situation des Gläubigers dies gar nicht zwingend erfordert. Aber immerhin weiß man in diesen Fällen vorher, worauf man sich einlässt (sofern man das Gesetz kennt).

Im Falle Griechenland sieht es aber anders aus. Bei den Staatsanleihen, die nach griechischem Recht aufgelegt sind, sind bis zum heutigen Tag keine CAC implementiert. Unter diesen Voraussetzungen wurden die Anleihen gezeichnet und an den Börsen gehandelt. Wenn das griechische Parlament nun nachträglich die Spielregeln ändert, kurz vor Auslaufen der Bonds, dann ist das nicht nur unanständig. Es ist schlichtweg Vertragsbruch. Kein Richter auf diesem Planeten mit einem Funken Ehrgefühl kann das durchgehen lassen.
Hinzu kommt die Kombination mit der Tatsache, dass es der EZB gestattet wurde, die in ihrem Bestand befindlichen Bonds noch ein paar Tage vorher in Anleihen mit eigener Wertpapierkennnummer zu tauschen. Somit ist die Zentralbank bei der de facto-Enteignung außen vor.

Beides zusammen ist in der Lage, dem Anleihemarkt nachhaltigen Schaden zuzufügen. Und nicht nur dem Anleihemarkt, denn es ist ein grundsätzlicher Angriff gegen den Rechtsstaat. Der Bürger, die Marktteilnehmer müssen sich zu jedem Zeitpunkt darauf verlassen können, dass das aktuelle Recht gilt – und nicht das zukünftig rückwirkend geänderte.
Wenn Athen seine Schulden nicht zurückzahlen kann, darf es natürlich die Gläubiger bitten, auf einen Teil zu verzichten. Wenn diese nicht wollen, muss eben die Zahlungsunfähigkeit erklärt werden. Nur so ist es juristisch und moralisch einwandfrei.
Die CAC-Aktion ist, sollte sie denn „erfolgreich“ verwirklicht werden, ein Pyrrhus-Sieg. Griechenland wird auf Jahrzehnte am Kapitalmarkt geächtet werden, und das völlig zu Recht. Hinzu wird eine ebenso verdiente Klagewelle kommen.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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