Analyse
11:05 Uhr, 03.09.2015

China lädt US-Treasuries ab: Draghi ist jetzt am Zug

2009 wäre es eine Untergangsmeldung gewesen: China könnte damit beginnen, seine hauptsächlich aus US-Staatsanleihen bestehenden Devisenreserven abzubauen, und das werde zu einer Explosion der Renditen in den USA führen, was die Vereinigten Staaten in die Pleite stürzen wird.

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  • EUR/USD
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Jetzt ist ein Teil dessen genauso eingetreten: China verkaufte laut Societe Generale alleine seit der Flexibilisierung des Yuan-Handels am 11. August 100 Milliarden USD der ausländischen Staatsanleihen, die meisten davon aus den USA. Der andere Teil der Prognosen sind nicht eingetreten: Die Renditen bleiben gleich. Goldman Sachs sieht trotz eines sich abseilenden Chinas lediglich 2,5 % Rendite er zehnjährigen US-Staatsanleihen bis zum Jahresende, von aktuell 2,15 %. Viel stärker als China wiegt, dass die US-Konjunktur fester tendiert, als der Rest der Welt. Die Repatriierung von USD-Liquidität zurück in den Kern des Währungssystems sorgt für eine stetige und hohe Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen, was die Zinsen tief hält und es kaum auffallen lässt, dass das damals noch als dramatisch eingeschätzte längst Wirklichkeit geworden ist. China hat damit begonnen, seinen Schatz an US-Staatsanleihen abzubauen. Da festlandchinesische Aktien auch nach dem Rutsch um 39 % seit Juli immer noch doppelt so hoch bewertet sind wie die chinesischen Aktien in Hongkong, kann man von neuen Korrekturbewegungen ausgehen, die zu neuen Interventionen am Währungsmarkt führen, ergo also zu weiteren Verkäufen von Staatsanleihen durch Peking. Jetzt ist aber erst Mal bis zum Wochenende Torschluss in China, dort feiert man jetzt eine Militärparade und die Börsen bleiben geschlossen.

Wussten Sie, dass Mario Draghi ein begeisterter Schachspieler ist? Es wird berichtet, dass er während seines Fluges zurück von Frankfurt nach Hause im Januar, nachdem er QE in der Eurozone auflegte, auf seinem iPad eine Runde Schach gespielt haben soll. Morgan Stanley vergleicht in einer neuen Studie die Situation an den weltweiten Kapitalmärkten mit einem Schachspiel. Am Anfang des Spiels sei die Weltwirtschaft in einem angenommenen Gleichgewicht, und die einzelnen Schachfiguren sind Werkzeuge, die die Zentralbanken spielen können, um ihre Ziele zu erreichen – Wachstum und Inflation sind König und Königin. Sobald die erste Bank den Eröffnungszug nimmt erzwingt sie damit eine Reaktion der gegnerischen Zentralbank, die ihrerseits eine ihrer Figuren zieht. Und damit ist das ganze Spiel instabil geworden, es werden immer neue geldpolitische Züge notwendig, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Denn wenn Land 1 QE auflegt, dann wertet die Währung dieses Landes ab, jene des anderen Landes aber auf, was die Inflation in diesem Land senkt, weshalb dieses Land seinerseits ein QE-Programm auflegen muss, was die Währung wieder zurück auf Null bewegt. Da damit aber die gegnerische Währung wieder aufwertet, wird dort ein neues QE-Programm notwendig und in diesem globalen Schachspiel befinden sich die Zentralbanken gerade.

Auf dem Jackson Hole Zentralbanksymposium ging eine Studie fast unter, die eine Lösung beschreibt, wie wir dieses sinnlose Spiel beenden können. Die Harvard Universität hat in dieser Studie untersucht, wie stark sich die Preise in einem Land verändern, das seine Währung abwertet. Man hat herausgefunden, dass eine Währungsabwertung in einem Land wie der Türkei oder Japan um 10 % schon nach kurzer Zeit zu 90 % bis 100 % auf die Preise durchschlägt, die Preise steigen also tendenziell auch um diese 10 %. Das liege daran, dass 60 % der Importe in der Türkei in US-Dollar abgerechnet werden, in Japan liegt der Anteil sogar bei 71 %. Nun hat man herausgefunden, dass eine Währungsabwertung oder Währungsaufwertung im US-Dollar um 10 % nur zu 44 % auf die Preise in den Vereinigten Staaten durchschlägt, also bei einer Abwertung des USD um 10 % würden die Preise nur um 4,4 % steigen. Das liegt daran, dass die USA 99 % ihrer Importrechnungen in ihrer eigenen Währung, dem USD, bezahlen. Und da liegt der Hund begraben. Janet Yellen kann zumindest gemäß diesen neuen Untersuchungsergebnissen sehr wohl die Zinsen anheben, ohne durch den damit ausgelösten weiteren Anstieg des USD eine allzu stark sinkende Inflationsrate im eigenen Land befürchten zu müssen. Das war ja oft das Argument: Wenn die die Zinsen anhebt, dann geht der USD durch die Decke, und das wird die Inflation zu tief sinken lassen. Sehr wohl wird die US-Notenbank mit einem Zinsschritt aber ernste Inflationsgefahren für Länder wie die Türkei erzeugen, deren Währungen gegenüber dem USD einbrechen werden und dort landet dieser Währungseffekt 1-zu-1 in den Preisstatistiken.

Es ist von dieser Warte aus betrachtet auch verständlich, dass China, das eine so große Rolle im Welthandel spielt, seine Währung weltweit anerkannt sehen will. Denn nur wenn man die Rechnungen für seine Produkte im Export und Import in der eigenen Währung stellt ist man unabhängiger von Inflationsschocks aus dem Ausland. Diesen Luxus genießen nur die Amerikaner. Man muss sich hier einmal Japan betrachten: Die Japaner stellen nur 33 % ihrer Rechnungen ihrer Exportgüter in der eigenen Währung. Damit hat die dramatische Yen-Abwertung der letzten Jahre kaum eine Wirkung auf die Exportpreise Japans, weil Japans Unternehmen den Großteil, zwei Drittel, ihrer Exportrechnungen nicht in der eigenen Währung abrechnen. Hätten die USA aber um 10 % abgewertet, wären auch die Produkte der USA im Export um 10 % günstiger geworden.

Bill Gross schreibt in seinem Investmentausblick unterdessen, dass es zu spät ist für eine Zinsanhebung, man habe das Gelegenheitsfenster im ersten Quartal verpasst, aber es könne dennoch einen Zinsschritt geben, einfach weil die US-Notenbank demonstrieren will, dass sie sehr wohl fähig ist, einen solchen Schritt zu gehen. Welchen Zug Mario Draghi heute Nachmittag in Frankfurt unternehmen wird bleibt unterdessen abzuwarten. Das globale Schachspiel geht weiter.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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