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10:53 Uhr, 18.08.2008

China-Aktien zur Olympiade nicht in Medaillenform

Mit einem Riesen-Spektakel haben am Wochenende die Olympischen Spiele in China begonnen. Wie nicht anders zu erwarten war, haben die Gastgeber das Spektakel zu einer beeindruckend inszenierten Propagandaschau genutzt. Der erfolgreich gestaltete Auftakt deutet an, dass die Welt perfekt organisierte Spiele geboten bekommen wird. Die bisherigen Ergebnisse sprechen zudem dafür, dass am Ende die Gastgeber den Medaillenspiegel anführen werden.

Von der Regierung wird das als ein weiterer Beweis dafür herangezogen werden, welch eine bedeutende Rolle das Land inzwischen in der Welt erobert hat. Und vermutlich liegen auch jene Auguren richtig, die dem Riesenreich mittelfristig eine dominante Rolle in der Weltwirtschaft zutrauen. Zumal für diese These schon alleine der Bevölkerungsreichtum des Landes spricht.

Olympiahoffnungen haben sich am Aktienmarkt nicht erfüllt

Alles können aber auch die Chinesen nicht kontrollieren und lenken, wie sie wollen. Deutlich wird das am dortigen Aktienmarkt. Dieser hat, gemessen am Shanghai Composite Index, seit dem am 16. Oktober erreichten Rekordhoch von 6.092 Punkten mit aktuell nur noch 2.437 Punkten schon 60 Prozent an Wert verloren.

Damit sind fast alle Experten, die auf eine Dauerhausse gesetzt hatten, schmerzhaft eines Besseren belehrt worden. Denn in der Regel hatten sie prognostiziert, dass die Chinesen schon dafür sorgen werden, dass die Hausse nicht schon vor der Olympiade endet. Obwohl sich diese These kaum mit überzeugenden fundamentalen Gründen untermauern ließ, wurde sie im Herbst vergangenen Jahres allgemein vertreten. Doch auch in China gelten eben die Gesetze der Schwerkraft und die zu Zeiten des Rekordhochs viel zu hohen Bewertungen werden früher oder später einfach überall auf der Welt gefragt. Die Bären lassen sich dann in ihrem Treiben auch nicht von Ereignissen wie Olympischen Spielen abhalten.

Erstaunlich an den drastischen Kursverlusten ist, dass sie sich eingestellt haben, obwohl die Wirtschaft bisher immer noch sehr schnell wächst. Trotz eines schweren Erdbebens in der Provinz Sichuan im Mai ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 10,1 Prozent gestiegen. Deshalb, und unter Verweis auf die Devisenreserven von 1,8 Billionen Dollar, hat die Ratingagentur Standard & Poor's Ende Juli die langfristige Kreditwürdigkeit des Landes um eine Stufe auf „A+“ angehoben.

Konjunkturängste gibt es aber trotzdem. Wegen der Furcht vor einer Wirtschaftsabkühlung nach den Olympischen Spielen ist der Shanghai Composite Index, der sowohl die in Heimatwährung notierten A-Aktien als auch die in Fremdwährung notierten B-Aktien umfasst, alleine am 08. August um 4,4 Prozent gefallen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich Schätzungen zufolge die Gesamtkosten der Spiele in Peking auf rund 22,5 Milliarden Euro belaufen. Die damit verbundenen positiven Konjunkturimpulse werden natürlich künftig wegfallen.

Inflationsdruck lastete auf den Kursen

Nachdem sich das Wachstum verglichen mit dem Vorjahresplus von 11,9 Prozent bereits auf das tiefste Niveau seit 2005 abgeschwächt hat, konzentriert sich das Interesse der Marktteilnehmer darauf, wie stark sich die Konjunktur noch abkühlen wird. Viel wird davon abhängen, wie sich die Inflation entwickeln wird. Diese ist im Juli dank geringerer Preissteigerungen bei Lebensmitteln zwar schon auf 6,3 Prozent gesunken, nach 7,1 Prozent im Juni sowie 7,7 Prozent im Mai, und auch der rückläufige Ölpreis spricht zunächst für eine weitere Entspannung.

Dies ist aber auch notwendig, weil die Teuerung in diesem Jahr schon auf den höchsten Stand seit 1996 geklettert ist. Vom Inflationsziel der Zentralbank, das auf Jahressicht bei 4,8 Prozent liegt, sind die Geldpolitiker relativ weit entfernt. Die seit Mitte 2006 von der Notenbank unternommenen Maßnahmen, unter anderem Preiskontrollen, zeigen bisher nur wenig Wirkung. Die im Juni von 8,2 Prozent auf 8,8 Prozent gestiegenen Produzentenpreise signalisieren jedenfalls, dass ein Preisdruck immer noch vorhanden ist.

Das Thema Inflation sorgt auch deshalb für Verunsicherung, weil dieser Einflussfaktor in den späten achtziger Jahren und Mitte der neunziger Jahre letztlich für eine deutliche Wachstumsverlangsamung auf unter sieben Prozent gesorgt hat. Allerdings bewegten sich damals die Teuerungsraten auch bei mehr als 15 Prozent. Soweit ist das Land aktuell zwar noch nicht, aber die Angst vor einer ähnlichen Entwicklung lastet trotzdem auf dem chinesischen Aktienmarkt.

Verstärkt werden die Bedenken auch dadurch, dass Chinas Notenbank ihre geldpolitische Ausrichtung zuletzt offenbar wieder geändert hat. Den Interpretationen von Experten zufolge will sie sich nun wieder stärker auf das Wachstum konzentrieren als auf die Eindämmung der Inflation. Ziel ist es laut dem jüngsten Quartalsbericht der People's Bank of China, ein gutes geldpolitisches Umfeld für ein stetiges und schnelles Wachstum zu schaffen. Belegt wird diese Priorität dadurch, dass die Notenbank die Leitzinsen 2008 (der Benchmark-Satz für einjährige Ausleihungen liegt bei 7,47 Prozent, die Einlagenzinsen belaufen sich nach sechs Anhebungen vergangenes Jahr auf 4,14 Prozent) nicht mehr verändert hat.

Völlig intakte charttechnische Abwärtstrends

Neben dem offenen Ausgang des schwierigen Spagats zwischen Wirtschaftswachstum und Inflation sowie den allgemein schwachen Weltbörsen hat der chinesische Aktienmarkt in den vergangenen Monaten auch deshalb Schwierigkeiten bekommen, weil die Bewertung überhöht war. Außerdem mussten zuletzt die Gewinnerwartungen gesenkt werden. So gingen die Ertragsschätzungen für das laufende und das kommende Jahr innerhalb von sechs Monaten um rund 30 Prozent zurück.

Weil aber die Kurse noch schneller gefallen sind, hat sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis der chinesischen Aktien auf unter 20 zurückgebildet. Damit liegt es mittlerweile deutlich unter dem Durchschnitt von 30, das sich aus den vergangenen 15 Jahren errechnet. Wie die Analysten bei M.M. Warburg zu bedenken geben, erscheinen die Konsensschätzungen zu den Gewinnsteigerungen mit Anstiegen um knapp 20 Prozent in den nächsten beiden Jahren immer noch optimistisch zu sein. Geht man stattdessen von einer Stagnation der Gewinne oder im etwas ungünstigeren konjunkturellen Umfeld von einem leichten Gewinnrückgang aus, ergibt sich ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 24. Das wäre dann im internationalen Vergleich noch immer hoch.

Auch deshalb bleibt es abzuwarten, ob die Kurse schon so weit gefallen sind, dass sie demnächst wieder den Vorwärtsgang einschalten können. Wenngleich die Notierungen mit einem Minus von 60 Prozent wirklich bereits sehr stark gefallen sind. Trotzdem dürfte die aktuell immer wieder vertretene Argumentation, wonach gelungene Olympische Spiele für eine Trendwende sorgen können, so einfach gestrickt zu sein, wie die frühere Annahme, vor den Spielen würden die Kurse bestimmt nicht abstürzen.

Vielmehr kommt es daran, die steigende Inflation einzudämmen und trotzdem anhaltend robustes Wirtschaftswachstum zu sichern. Erst wenn sich abzeichnet, dass diese beiden Punkte erreicht werden können, hat auch die chinesische Börse wieder eine Chance auf steigende Notierungen. Bevor es soweit ist, muss aber auch der Shanghai Composite Index entsprechende Chartsignale aussenden. Aktuell ist davon bei einem völlig intakten Abwärtstrend nichts zu sehen.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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