Kommentar
07:00 Uhr, 17.10.2007

Chefanalyst: Aktieninvestoren kehren wieder verstärkt zurück

Die von dem US-Hypothekarmarkt ausgelösten Tiefdruckwirbel sorgten für einen stürmischen Sommer auf den etablierten Kredit- und Kapitalmärkten. US-Institute, die auf die Finanzierung von Kreditnehmern mit geringer Bonität spezialisierten sind, stehen vor zum Teil erheblichen Refinanzierungsproblemen, zahlreiche mussten bereits schließen. Doch während atmosphärische Tiefdruckwirbel in unseren Breiten – bedingt durch die vorherrschende Westströmung – ostwärts ziehen, konnte das bei den Finanzmarktturbulenzen nicht festgestellt werden.

Gastbeitrag : Peter Brezinschek, Chefanalyst bei der österreichischen Raiffeisen Zentralbank (RZB)

Quelle : Ostbörsen-Report.de

Die Region Mittel- und Osteuropa erwies sich in dieser größten Krise des letzten Jahrzehnts überwiegend resistent. So wurden erst kürzlich die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr für Russland (7,5 Prozent) und die Ukraine (6,5 Prozent) nach oben revidiert, ebenso wie jene für Österreich (3,4 Prozent). Gleichzeitig sollte damit die Spitze des aktuellen Konjunkturzyklus in Österreich und CEE erreicht sein. Entsprechend niedriger, jedoch immer noch über dem Potenzialwachstum, sind die Prognosen für 2008 angesetzt. Einzig in Rumänien (2007e: 5,0 Prozent, 2008f: 6,0 Prozent) und Ungarn (2007e: 2,0 Prozent, 2008f: 3,3 Prozent) sollte das Wachstum im kommenden Jahr zulegen.

Inflationsdruck nimmt in der gesamten Region zu.

Das prosperierende Umfeld und steigende Rohstoffpreise heizen die Inflation in den meisten Ländern spürbar an. Die Teuerungsziele von Russland bis Rumänien und Bulgarien sind übertroffen. In Polen und Tschechien ist mit einer steigenden Inflation zu rechnen. Und auch in Österreich ist in den nächsten sechs Monaten von einem kräftigen Anstieg der Konsumentenpreise über die Zwei-Prozent-Marke auszugehen. Mit Ausnahme Ungarns sind Zinserhöhungen daher auch in CEE bis Frühjahr 2008 wahrscheinlich.

Mit der Zinssenkung der US-Notenbank Fed um 50 Basispunkte im September stieg auch die Risikobereitschaft der Investoren in CEE. Die Risikobereitschaft wird anhand des auf Zinsdifferenzen von fünfjährigen Anleihen basierenden RZB Konvergenzindex gemessen. Der RZB Konvergenzindex drückt damit die Erwartung des Finanzmarktes hinsichtlich der Angleichung von Zinsen und Währungen der CEE-Länder an die Eurozone aus. Er kann daher als Indikator für die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts in die Europäische Währungsunion in den kommenden fünf Jahren verstanden werden.

Mit der zunehmender Risikobereitschaft der Investoren wurden Aktien, Eurobonds und Lokalwährungsanleihen (etwa in polnischen Zloty oder ungarischen Forint) attraktiver. Im Zuge der Euro-Aufwertung sollten sich die meisten CEE-Währungen auch gegenüber dem Euro festigen. Allerdings kann die globale Liquiditätskrise bei Leistungsbilanzdefizitländern kurzzeitig für Korrekturen sorgen.

Österreich: 2008 weiterhin überdurchschnittliches Wachstum

Stark wie schon lange nicht mehr präsentierte sich die österreichische Wirtschaft im zweiten Quartal. Das führte zu einer Revision der BIP-Prognose von ursprünglich 3,2 auf nunmehr 3,4 Prozent, womit jedoch der konjunkturelle Höhepunkt erreicht werden soll. Für 2008 ist mit einem deutlichen Rückgang des Wachstums zu rechnen. Die von uns prognostizierten 2,7 Prozent liegen allerdings noch immer über dem langjährigen Durchschnitt. Somit wäre die Wirtschaft dann vier Jahre in Folge über dem Potenzial gewachsen. Als Basis für weiterhin überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum dienen die gute Auftragslage sowie eine Rekord-Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe.

Mit dem konstanten Anziehen der Konjunktur verbesserte sich auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Quartalen . Angesichts der hohen Zahl an offenen Stellen sind wir auch für die kommenden Monate optimistisch. Das Tempo, mit dem sich die Arbeitslosenrate der Vollbeschäftigung nähert, wird jedoch abnehmen. So ist mit einem weiteren Absinken der Arbeitslosigkeit von derzeit 4,3 auf 4,2 Prozent im kommenden Jahr zu rechnen.

ATX bis Jahresende bei 4.900 Zählern

Die Krise auf dem US-Hypothekarmarkt übertrug sich im Juli auf die Aktienmärkte. Österreichische ATX Werte konnten sich, trotz des guten Gewinnwachstums im zweiten Quartal, dem nicht entziehen und verloren sogar mehr an Boden, als vergleichbare europäische Werte. Demgegenüber steht eine äußerst stabile Konjunkturentwicklung, dessen Stärke auch Zuversicht für die nächsten Monate gibt. Die guten wirtschaftlichen Basisdaten dürften sich auch in den zukünftigen Quartalsberichten positiv darstellen.

Für die anstehende Berichtsaison werden starke Zahlen prognostiziert und die RCB-Schätzungen für das Gewinnwachstum für 2007 wurden von 11,2 Prozent auf 14 Prozent erhö ht. Für 2008 wird derzeit ein Gewinnwachstum von 12 Prozent prognostiziert. Auch erhöhte Zinssätze sollten den meisten ATX Unternehmen nicht schaden, da sich einerseits die am höchsten verschuldeten Unternehmen in den letzten Jahren umgeschuldet haben und jene die hohe Cashpositionen aufgebaut haben, davon profitieren können. Der hohe Ölpreis und der schwache Dollar müssen allerdings als negative Einflussfaktoren im Auge behalten werden.

Auch wenn internationale Turbulenzen durchaus noch negative Auswirkungen haben können wird aufgrund der derzeit attraktiven Bewertung der ATX Unternehmen, sowie der stabilen Rahmenbedingungen, bis Ende 2007, mit einem Anstieg des ATX auf 4.900 Punkten gerechnet.

Aktienmärkte CEE: Polen und Russland übergewichtet

In CEE liegt der Schwerpunkt der regionalen Gewichtung für die kommenden Monate auf den Märkten Polen und Russland. Besonders Polen punktet mit einem Wirtschaftswachstum über dem Potenzial, wobei dieses zu einem Gutteil aus der Binnennachfrage stammt. Weniger erfreulich zeigt sich hingegen Ungarn, das bei der RCB aufgrund des derzeit schwachen Wirtschaftswachstums untergewichtet wird.

Der polnische Markt präsentierte sich in den vergangenen drei Monaten sehr volatil. Auf das neue Allzeithoch zu Beginn des dritten Quartals folgte ein Kursrückgang um 17 Prozent, bevor der WIG 20 erneut in die Gewinnzone drehte. Neben den guten makroökonomischen Daten verlief auch die Halbjahres-Berichtsaison erfreulich. Mehr als die Hälfte der Unternehmen übertraf die Erwartungen. Für das kommende Jahr wird ein Gewinnwachstum von 8,6 Prozent erwartet. Diese Einschätzung lässt jedoch noch genügend Platz für positive Überraschungen.

Der russische Leitindex RTS erwies sich im dritten Quartal als Fels in der Brandung. Brezinschek geht von einer Fortsetzung dieses Aufwärtstrends aus. Aufgrund der jüngsten Rohstoffpreisentwicklungen rechnet die RCB in den nächsten Wochen und Monaten mit weiteren positiven Anpassungen der bisherigen Gewinnschätzungen. Darüber hinaus zeigen sich die Bewertungen im internationalen Vergleich mit einem KGV für 2008 von 11,4 auch ohne positive Gewinnrevisionen relativ günstig.

Für die vergleichsweise schwache Performance des ungarischen Aktienindex BUX gibt es kaum Erklärungsnotstand. So wurde etwa zur Eindämmung des Budgetdefizits kräftig an der Steuerschraube gedreht. Das wirkt sich naturgemäß negativ auf die Unternehmensgewinne und das Wirtschaftswachstum aus. Die enttäuschenden Halbjahresergebnisse der Unternehmen trugen ihren Teil zur Indexentwicklung bei. So wiesen die vier größten BUX-Titel (92,3 Prozent Indexgewichtung) einen aggregierten Gewinnrückgang von 28 Prozent aus. Auch für die Unternehmensberichte zum dritten Quartal wird diesbezüglich keine markante Verbesserung aus. Als Hemmschuh für die weitere Indexentwicklung könnten sich auch die neuen Gerüchte über eine Erhöhung der 'Bankensteuer' entpuppen.

Branchenfokus in Österreich und CEE

Die Unsicherheit bezüglich Bankaktien erscheint weiterhin relativ hoch und die kommende Berichtssaison verspricht entsprechende Spannung für den Sektor. Nach Darstellung der meisten Institute zeigt sich der Abschreibungsbedarf unter CEE Banken als relativ gering. Offenbar war aufgrund des starken Wachstums in den Heimmärkten die Versuchung, Zinsmargen mit Kreditderivatprodukten aufzufetten, glücklicherweise nicht groß genug.

Dennoch sind die Effekte der Liquiditätsknappheit unterschiedlich. Bevorzugt werden Banken mit starkem Einlagengeschäft wie die Erste Bank oder OTP bzw. die rumänische BRD-GSG aufgrund ihres dynamischen Wachstumskurses. Nach den jüngsten Ölpreisanstiegen haben sich die meisten osteuropäischen Ölfirmen den prognostizierten Kurszielen angenähert. Vor allem beim tschechischen Unternehmen Unipetrol wird vor allem wegen dem laufenden Restrukturierungsprogramm weiteres Aufwärtspotenzial gesehen. Bei den österreichischen Versorgern erscheint derzeit das Potenzialwachstum eingepreist. CEZ, die auch durch einen Aktienrückkauf gut unterstützt ist, weist im Vergleich noch höhere Wachstumschancen auf. Insgesamt werden die Versorgeraktien als Defensivwerte gut positioniert angesehen. Die durch geringe Verschuldung, stabile Cash-Flows und hohe Dividendenrendite ausgezeichneten Telekomwerte könnten von dem durch die Subprimekrise ausgelösten „Trend zu Qualität“ profitieren. Derzeit wird die Telekom Austria bevorzugt.

Zu den weiteren Top-Empfehlungen zählen die Voestalpine, da mit weiteren Stahlpreiserhöhungen gerechnet werden kann und das Unternehmen im Bereich Automotiv in Osteuropa gut positioniert ist. Auch sollte sich die Aktie des ungarischen Pharmaunternehmens Gedeon Richter erholen. Grund dafür sind geringer als erwartete Rabattverpflichtungen in Ungarn und erhöhter Fortschrittszahlungen/Milestonepayments 2008.

Mag. Peter Brezinschek, Chefanalyst bei der österreichischen Raiffeisen Zentralbank (RZB)

Dieser Artikel wurde im Ostbörsenreport-Börsenbrief veröffentlicht.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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