Kommentar
00:00 Uhr, 29.04.2006

Chartintervalle - Die Lupenfunktion des charttechnischen Analysten

Chartintervalle (Chartperioden)

Kursverläufe (Charts) lassen sich in verschiedenen zeitlichen Einheiten, Perioden oder man sagt auch Intervallen darstellen. Im Monatskerzenchart steht eine Kerze für den Kursverlauf eines Monats. Im Wochenchart repräsentiert eine Kerze den Kursverlauf einer Woche und im Tageschart den eines Tages.
Investoren haben einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont. Sie begutachten deshalb in der Regel längerfristige Kursverläufe. Dabei konzentieren sie sich auf Jahres-, Quartals-, Monats- und Wochencharts.
Trader handeln im kurzfristigen Zeitfenster. Im Rahmen der charttechnischen Analyse werten sie zwar auch Monats- und Wochencharts aus, um eine Vorstellung vom großen Bild, dem Big Picture, zu erhalten. Im Zentrum der Analyse stehen aber kurzfristige Kursverlaufsabschnitte mit kurzen Chartintervalleinstellungen, wie Tagescharts, 60 Minutencharts, 30 Minutencharts, 15 Minutencharts, 10 Minutencharts, 5 Minutencharts, 1 Minutencharts und Tickcharts.
Das Umstellen von einem Chartintervall in ein anderes erfolgt im Charting-Programm mit nur einem Mausklick. Zur besseren Auswertung öffnet man im Charting-Programm mehrere Fenster, in denen der zu analysierende Basiswert in unterschiedlichen Intervallen gleichzeitig nebeneinander angezeigt wird.
Die Auswertung sollte ausgehend von den großen in Richtung der kleineren Chartintervalle erfolgen.
Ähnlich wie die Umstellung vom Linienchart auf Kerzen- oder Balkenchart einer Lupenfunktion gleichkommt, läßt sich die Möglichkeit unterschiedliche Chartintervalle anzeigen zu lassen, mit einer Lupenfunktion vergleichen. Und zwar eine Lupenfunktion der Zeit-Kategorie. Durch die Möglichkeit, immer kleinere Chartintervalle einzustellen, läßt sich in das Kursgeschehen hineinzoomen. Mit der Zoomfunktion lassen sich deutlich mehr auszuwertende Informationen aus dem Kursverlauf extrahieren. Signale, Trendwenden, Kauf- und Verkaufniveaus und bevorstehende Ausbrüche können früher erkannt werden.
Konkret. Die Zoomfunktion durch Wechsel zwischen Chartintervallen hat mehrere wesentliche Vorteile. Es läßt sich beispielweise nach "Mustern in einer Kerze" suchen. Wenn im Tageschart eine bullische Reversalkerze (Hammer) vorliegt und im 60 Minutenchart eine bullische inverse SKS Bodenformation, so liegt in beiden Intervallen eine positive charttechnische Signallage vor. Das eine bullische Signal im 60 Minutenchart bestätigt das zweite bullische Signal im Tageschart. Wenn der Kursverlauf auf wichtige Trendlinien, Fibonacci Retracements, Gleitende Durchschnitte, Bollingerbänder, formationstechnische Begrenzungslinien auftrifft, läßt sich durch das Zoomen in kleinere, feinere Chartintervalle besser eine Antwort darauf finden, wie der Kurs auf besagter Chartstruktur reagieren könnte. Bildet sich beispielweise bei Auftreffen auf eine Unterstützung in einem kleineren Chartintervall ein bärisches Kursmuster aus, kündigt dies einen Bruch der Unterstützung an.

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Beispiel 1 - Der Monatschart und der Wochenchart vom S&P 500 Index.

Anbei der Monatskerzenchart vom S&P 500 Index seit März 2002. Jedem einzelnen Monat ist also eine Kerze zugeordnet. Januar 2003, Februar 2003, März 2003, usw. Jede Kerze zeigt den Eröffnungskurs und Schlußkurs des Monats, den Monatshöchstkurs, den Monatstiefstkurs, die ganze Handelsspanne während des Monats und die "Netto-Kursbewegung" in dem Monat an. Im längerfristigen Monatschart läßt sich die übergeordnete Trendtrendenz erkennen.

Um Mißverständnissen vorzubeugen. Ein Monatschart zeigt also nicht den Kursverlauf an, wie er sich während eines Monats entwickelt hat, wie ein Laie fälschlicherweise meinen könnte.

Das Chartintervall darf nicht mit dem Darstellungszeitraum des Kursverlaufs verwechselt werden!

Darstellungszeitraum von diesem S&P 500 Index Chart : März 2002 bis April 2006

Chartintervall: Monatschart

Anbei ist der Kursverlauf vom S&P 500 Index ebenfalls seit März 2002 dargestellt. Allerdings wurde hier ein anderes Chartintervall gewählt; nämlich ein Wochenchart. In diesem Wochenchart steht jede Kerze für eine Woche. Sie erkennen die feinere Auflösung des Kursverlaufs gegenüber dem zuvor gezeigten Monatschart. Im Wochenchart lassen sich mehr Einzelheiten erkennen. Es handelt sich quasi um eine stärkere Vergrößerungsstufe der Lupe. Es würde keinen Sinn machen diesen mehrjährigen Kursverlaufsabschnitt im Tageschart anzuzeigen, weil man dann die einzelnen Kerzen nicht mehr erkennen könnte.

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Beispiel 2 - Aktie der Deutschen Telekom im 4-fach Zoom

Anbei sind Monats-, Wochen-, Tages- und 60 Minutenchart von der Aktie der Deutschen Telekom zu sehen. Farblich ist der Kursverlaufsabschnitt umrahmt, den der Chart mit dem nächstfeineren Chartintervall anzeigt.

Die 4 Monatskerzen, die im Monatschart (A) umrahmt sind, zeigen im darunter dargestellten Wochenchart (B) eine schräg verzogene so genannte inverse SKS Bodenformation, wobei die letzte der Wochenkerzen nachrichtenbedingt mit einem gewaltigen Gap Up (Kurslücke nach oben) über der Buy Triggerlinie (Nackenlinie) der Formation eröffnete und damit ein sauberes mittelfristiges Kaufsignal auslöste. Ein klarer Mehrwert an Information für den charttechnischen Analysten. Im Monatschart (A) ist zu erkennen, dass der Aktienkurs seit 2-3 Monaten wieder steigen kann.

Schön und gut. Aber die Frage, die sich stellt ist die, ob der Anstieg weiter gehen kann. Und wenn ja, wie weit. Im Wochenchart (B) zeigt sich eine charttechnisch bullische Signallage, die die Prognose zuläßt, dass die Aktie mittelfristig mindestens bis 15,50-16,00 Euro ansteigen dürfte.

Tageschart (C) zeigt, wie die Wochenkerze "innen" aussieht. Der erste Tag der Woche mit einem Gap Up und anschließendem Anstieg (weißer Kerzenkörper), anschließend Ausbildung eines Wimpels und dann Ausbruch aus diesem nach oben. Also eine schwache Bestätigung der Aussage, die durch Prüfung des Wochencharts getätigt werden konnte.

Der 60 Minutenchart (D) zeigt den Kursverlauf nach dem Gap Up in noch einer feineren Auflösung. Im 60 Minutenchart ist ein Rechteck (Rectangle) zu erkennen, aus dem es am letzten Tag der Woche zu einem Ausbruch nach oben gekommen war. Für kurzfristig ausgerichtete Trader ist Chart (D) sehr wichtig. Ein Rückfall auf 14,17 Euro könnte auf Sicht einiger Stunden gehebelt (über Hebelzertifikate, Optionsscheine, CFDs) gekauft werden. Bei 14,17 Euro liegt eine gute Unterstützung, die mindestens eine mehrstündige Gegenbewegung einleiten würde. Das protektive Stopp für einen gehebelten Trade könnte außerdem sehr eng gesetzt werden.

In dem Beispiel ging es darum, die Bedeutung und den Mehrwert durch das Umschalten von Chartintervallen hervorzuheben.

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Beispiel 3 - Nasdaq100 im Mehrfach-Zoom

Anbei der Linienchart vom Nasdaq100 Index von 2003 bis Juli 2005 als Übersichtsdarstellung.

Zu erkennen, ist die Rallye in 2003 und anschließend in 2004 die volatile Konsolidierungsphase.

Anbei nun der Kerzenchart vom Nasdaq100 im Wochenintervall mit Darstellung des gleichen Kursverlaufsabschnitt. . In einen Chart lassen sich sehr viele Trendlinien einzeichnen. Einen guten charttechnischen Analysten zeichnet es aus, dass er die wirklich dominanten Linien sondiert und den gesamten restlichen Wirrwarr als zumindest temporär irrelevant klassifizieren und exkludieren kann. Im vorliegenden Chart sind 2 Trendlinien als die maßgeblichen für den Kursverlauf in 2004 und 2005 eingezeichnet. Das Konsolidierungsmuster in 2004 läßt sich als relativ angeordneter Doppelboden und als symmetrisches Dreieck interpretieren. Aus beiden gab es im August 2004 einen Fehlausbruch nach unten, der jedoch in wenigen Wochen durch ein "Rebreak" wieder ausgebügelt werden konnte. Um die Bedeutung der Darstellungsmöglichkeit in unterschiedlichen Chartintervallen zu verdeutlichen, soll es im Folgenden um den Punkt gehen, wo der Index auf Trendlinie A aufsetzt und nach oben abprallt. Die 3 Wochenkerzen, die auf der Trendlinie A zustande kamen, zeigen kein wirklich durchschlagend bullisches Muster.

Anbei der Kerzenchart vom Nasdaq100 im Tagesintervall. Eine Kerze repräsentiert den Kursverlauf eines Tages. Durch das Umschalten vom Wochen- in das Tagesintervall wird der Kursverlauf in einer feineren Auflösung sichtbar. Unter tatsächlich läßt sich unter dieser Lupe im Tageschart auf Trendlinie A eine bullische Doppelbodenformation erkennen. Dieses Doppelbodensignal kündigte ein Rebreak von Trendlinie B und durch die Relation zum Vorgänger-Zwischenhoch und Zwischentief eine mittelfristige Aufwärtsbewegung an. Ohne die Lupenfunktion hätte man diese Prognose nicht erstellen können!

Der 60 Minutenchart zeigt das Mikromuster. Eine Kerze steht hier für den Kursverlauf einer Stunde. Auf Trendlinie A hatte sich ein bärisches relatives Rounding Top ausgebildet. Es gab für einige wenige Stunden einen kleinen Fehlausbruch unter den Scheitelpunkt desselben. Das Rebreak war Basis für die Ausbildung von Leg 2 des im Tageschart gezeigten Doppelbodens.

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Beispiel 4 - DOW Jones im Wochen- und Tageschart

Anbei der Wochenchart vom DOW Jones seit März 2002. Die Konsolidierung in 2004 ließ sich in einen schräg nach unten rechts abfallenden Trendkanal eingrenzen. Mindestens 2 Auflagepunkte sind im Vorfeld erforderlich, um die Linien einzeichnen zu können. Erst die dritten Auflagepunkte, oben und unten, konnten über diese Trendlinien sondiert werden.

Die Tageschartdarstellung zeigt, dass es sich wieder lohnt, auf den Wochenchart mit Lupe draufzuhalten. Was die obere Begrenzungslinie der 2004er Konsolidierungsrange anbelangt, konnte hier Auflagepunkt 2 sehr wohl ermittelt werden. Es handelt sich um ein untypisches (bärisches) Spidertop. Auch der Auflagepunkt 2 der unteren Begrenzungslinie war über den Tageschart vermittelbar. Hier bildete sich nämlich eine (bullische) Doppelbodenformation. Auflagepunkt 3 der unteren Begrenzungslinie zeigt im Tageschart eine bullische Candlestickformation aus der "Morning Star" Klasse. Es ist kein echter "Morning star", aber der Herleitungsmechanismus ist derselbe. Sie sehen, die Hinzuziehung des Tagescharts ergab wieder einen deutlichen Mehrwert an Informationen.

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Beispiel 5 - MC DONALDS Aktie im Wochen- und Tageschart.

Nachfolgend der Wochenchart der Aktie von MCDONALDS (MCD) mit Tageschartausschnitt. Im Wochenchart ist zu erkennen, dass sich die Konsolidierung in 2005 in den Bereich der exp. GDL 50 (EMA50/blaue Linie) ausgedehnt hatte. In 2004 konnte dieser wichtige gleitende Durchschnitt etwaige Konsolidierungen aufhalten. Insofern der berechtige Blick auf diese Chartstruktur auch in 2005. Im Tageschartausschnitt zeigt sich direkt unterhalb des gleitenden Durchschnitts eine kleine inverse SKS Bodenformation. Dieses bullische Kursmuster kündigte ein Rebreak über den GDL an. Ein Rebreak wiederum bedeutet ein solides Kaufsignal. Besagt es doch, dass unter dem GDL Marktteilnehmer ausgestoppt wurden, es dann aber zu keinen Anschlußverkäufen kam. Werden Marktteilnehmer ausgestoppt und bleiben Anschlußverkäufe aus, ist das eine ausgezeichnete Ausgangsbasis für steigende Kurse!

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Autor: Harald Weygand - Head of Trading von GodmodeTrader.de

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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