Kommentar
09:20 Uhr, 27.10.2004

Callable-ABC: Rückruf-Produkte für jeden Anlage-Geschmack

Abseits der Bonus-Ecke profiliert die HVB sich weiterhin als führender Anbieter der so genannten "Callable"-Zertifikate, der in puncto Namensgebung momentan am schlimmsten verballhornten Produktgattung. Je nach Emittent muss man sich mit den Etiketten "Express" (HypoVereinsbank), "MaxiRend" (DZ BANK), "miniMAX" (Bankgesellschaft Berlin), "Zanonia" (LB Baden-Württemberg), "Athene Protect" (BNP Paribas) oder "Side Step" (Commerzbank) herumschlagen - obwohl doch immer eine Struktur gemeint ist, die unter bestimmten Bedingungen schon vorzeitig mit einem mehr oder weniger erklecklichen Aufschlag zurückgezahlt wird. Aus diesem Grundprinzip lassen sich allerdings unterschiedliche Chance/Risiko-Profile ableiten, weshalb wir uns angesichts der zunehmenden Emissionsflut an einen kleines "Callable-ABC" wagen wollen.

Ausgangspunkt sind dabei die auf eine Seitwärtsbewegung ausgelegten Papiere, von denen wir Ihnen in der letzten Ausgabe die attraktivsten und aktuellsten vorgestellt haben. Unabhängig vom Emittenten lautet die Regel hier: Sofern der Basiswert an einem der üblicherweise drei bis fünf Stichtage seinen Stand bei Emission erreicht oder überschritten hat, ist sofort Schluss; falls nicht, wird die Laufzeit um ein Jahr verlängert. Liegt der Basiswert auch am letzten Stichtag noch "unter Wasser", verhindert eine 20- bis 40prozentige Schutzgrenze zunächst Schlimmeres - innerhalb dieser Sicherheitszone gibt's noch eine Rückzahlung zum Emissionspreis, erst bei darüber hinausgehenden Einbußen trägt man dann auf einen Schlag sämtliche Verluste. Diesem Standard-Mechanismus folgen alle im vorangegangenen Absatz erwähnten Papiere, von A wie "Athene" bis Z wie "Zanonia". Lediglich die Commerzbank tanzt aus der Reihe: Die "Side Step"-Zertifikate kommen gänzlich ohne Risikopuffer daher und sind deshalb nur für etwas offensivere Seitwärts-Spekulanten geeignet; die Variante "Side Step Plus" beinhaltet dagegen statt einer Schutzgrenze einen veritablen "Airbag" und bringt dadurch auch jenseits des Risikopuffers immer geringere Verluste als ein Direktinvestment. Wirklich lohnend ist das jedoch nicht, da man für das Mehr an Sicherheit zu hohe Abstriche bei der Rendite hinnehmen muss.

Allen Zertifikaten dieser Basis-Kategorie ist gemein, dass der erste Stichtag zum Zeitpunkt der Emission stets etwas mehr als ein Jahr entfernt ist. Wer gleich zu Anfang mit von der Partie ist, braucht selbst bei frühestmöglicher Rückzahlung seinen Ertrag nicht mit dem Fiskus zu teilen.

Die HypoVereinsbank hat diesen defensiven Mechanismus mit mittlerem Zeithorizont nun in verschiedene Richtungen weiterentwickelt. Ein erster Schritt waren die (namentlich nicht extra gekennzeichneten) Papiere mit maximal zweijähriger Terminierung und quartalsweisen Stichtagen. Hier geht es also nicht um steuerfreie Erträge, sondern um eine möglichst rentable Kursfrist-Anlage. Alle zwei bis drei Monate legen die Bayern eine entsprechend an das Marktniveau angepasste Neuemission vor; gleichzeitig sollten nicht steuersensitive Investoren aber auch die bereits notierten Zertifikate nicht aus dem Auge verlieren. Uns gefällt vor allem das im Frühjahr bei einem EURO STOXX 50-Niveau von 2.907,46 Punkten aufgelegte Papier (ISIN DE 000 A0A QT3 7). Die ersten beiden Stichtage sind bereits verstrichen, so dass es am 23. November 2004 schon in die dritte Runde geht. Schafft der paneuropäische Super-Index bis dahin den Sprung auf oder über den Referenz-Stand, winkt eine Rückzahlung von 105,25 Euro. Gemessen am aktuellen Briefkurs (98,40 Euro) sind also in nur sechs Wochen 6,96 Prozent Rendite drin - und dafür muss der EURO STOXX 50 (aktuell: 2.800 Punkte) bloß um 3,8 Prozent zulegen. Ein netter Hebel also und trotzdem kommt man obendrein in den Genuss eines Risikopuffers: Falls es im November nichts wird, hat man noch fünf weitere Chancen auf Rendite (der Rückzahlungsbetrag steigt von Quartal zu Quartal um 1,75 Euro) und falls alle Stricke reißen und der EURO STOXX 50 keine dieser Chancen verwandelt, hilft am Ende natürlich auch hier die Schutzgrenze. Oberhalb eines Index-Stands von 2.326 Zählern gibt's am 28. Februar 2006 immerhin 100,00 Euro zurück.

Für Anleger, denen die Kombination aus diversen Stichtagen und Schutzgrenze nicht genug ist, hat die HypoVereinsbank derweil die "Express Garant"-Zertifikate kreiert, die sich vom Ursprungs-Prinzip allerdings ziemlich weit entfernen. Beim bis zum 29. Oktober zur Zeichnung aufliegenden Papier auf den "HVB Europa Substanz"-Basket, einen mit den Dividendenschwergewichten des EURO STOXX 50 bestückten Aktienkorb, darf man sich nämlich nur einer Chance erfreuen, um im Express-Tempo mehr aus seinem Geld zu machen: Sofern der Basket Anfang November 2005 über seinem am Emissionstag aufnotierten Stand liegt, wird mit acht Prozent Aufschlag zurückgezahlt. Falls das nicht gelingt, wird aus dem "Express" ein Bummelzug - ein erst im November 2011 fälliges Garantie-Zertifikat, das dem Anleger eine 100prozentige Partizipation an der Durchschnittsperformance des "HVB Europa Substanz"-Baskets ermöglicht.

Der angestammte Vorteil der "Express"-Familie, nämlich die faire Chance auf Seitwärtsrenditen, kann hier also schnell in den Hintergrund treten - wenn das erste Jahr mies läuft, geht zwar kein Geld verloren, aber man muss sieben Jahre warten und kriegt nur dann mehr als seinen Einsatz zurück, wenn der aus sechs jährlichen Stichtagswerten (Oktober 2006 bis Oktober 2011) ermittelte Performance-Durchschnitt positiv ist. Will heißen: Die Münchener servieren hier ein Produkt mit einem Anlagehintergrund, der sich während der Laufzeit aufgrund eines letztendlich zufälligen Ereignisses signifikant ändern kann. Trotz der optisch hohen Partizipation erscheint uns das wenig aussichtsreich; kapitalgarantierte "Rainbow"-Zertifikate oder auch die Momentum-Anleihen (z.B. das "3% Swing Lock-in" von der Deutschen Bank oder der neue "Multizins Garant Extra 2" von der DZ BANK) bieten bei teilweise sogar geringerer Laufzeit ein deutlich überlegenes und vor allem klareres Chancen-Profil.

Und nun kommt seit der letzten Woche noch eine vierte Spielart namens "Easy Express" hinzu. Auch hier gibt's nur zwei Möglichkeiten: Entweder, der EURO STOXX 50 verliert zwischen Emissionstag (26. Oktober 2004) und Bewertungstag (16. Dezember 2005) per saldo weniger als 25 Prozent - dann bekommt man für das heute zu 100,00 Euro begebene Papier 105,00 Euro überwiesen und darf sich über 4,33 Prozent p.a. Rendite freuen. Oder die Euroland-Aktien taumeln noch mehr gen Süden und man wird vom vollen Index-Verlust erwischt, der dann auf jeden Fall über 25 Prozent liegen wird.

Das neue Konzept geht also in dieselbe Richtung wie ein "Deep Discount"-Zertifikat; selbst wenn die Aktienmärkte um ein Viertel einbrechen, kann die maximale Rendite noch voll vereinnahmt werden. Deshalb gleich mal der Vergleich mit dem "EURO STOXX 50 Discount 2.100" von BNP Paribas (ISIN DE 000 BNP 15U 0). Das heute zu 20,02 Euro erhältliche Papier wird am 16. Dezember 2005 zu höchstens 21,00 Euro zurückgezahlt, woraus eine maximale Rendite von 4,89 Prozent entsprechend 4,21 Prozent p.a. resultiert. Diese Rendite kann man voll vereinnahmen, wenn der Index am Fälligkeitstag auf oder über 2.100 Punkten steht; in Relation zum aktuellen Stand (2.800 Punkte) ergibt sich folglich ein Cap-Abstand, der mit -25,0 Prozent genau mit dem Risikopuffer des "Easy Express"-Zertifikats übereinstimmt. Die Kreation der HVB bietet also 0,6 Prozentpunkte mehr - doch dafür muss man Risiken hinnehmen, die sich aus Sicht eines defensiven Investors kaum noch vertreten lassen. Denn sobald der Puffer aufgebraucht ist, fährt man mit dem "Easy Express" spielend leicht vor die Wand; beim Discount-Zertifikat sorgt der Preisabschlag hingegen dafür, dass man auch im negativen Bereich immer besser fährt als mit einem Direktinvestment. Fällt der EURO STOXX 50 bis zum Fälligkeitstag auf 2.000 Zähler, liegt das "Easy Express" knapp 30,00 Prozent in den Miesen, während der "Discounter" gerade erst die Verlustschwelle erreicht hat. Diese Gefahr wird mit 60 Basispunkten Risikoprämie herzlich schlecht bezahlt, weshalb der jüngste Express-Spross leider ein Fall für die Mottenkiste ist.

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