Bushs Konjunkturprogramm: Wahlgeschenk oder Konjunkturstimulus?
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1. Angesichts der aktuellen Konjunkturschwäche in den USA und der von vielen als hoch eingeschätzten Rezessionswahrscheinlichkeit hat die Regierung Bush in Zusammenarbeit mit dem Kongress ein Bündel von Maßnahmen geschnürt, das schon bald verabschiedet werden soll, um der USKonjunktur schnell wieder auf die Beine zu helfen. Im Senat werden derzeit noch kleinere Änderungen des Programms diskutiert. Wir gehen jedoch davon aus, dass die notwendige formelle Zustimmung des Repräsentantenhauses sowie des Senats in Kürze erfolgen wird.
2. Die geplante Fiskalspritze umfasst insgesamt rund 1 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts, also etwa 150 Mrd. US-Dollar. Davon sollen 100 Mrd. US-Dollar an die Privathaushalte fließen und 50 Mrd. US-Dollar den Unternehmen zugute kommen. Es handelt sich in beiden Fällen um Einmalmaßnahmen, d.h. keine dauerhaften Steuersenkungen bzw. Abschreibungserleichterungen. Für die Privathaushalte gilt folgende Regelung: US-Amerikaner, die 3.000 US-Dollar oder mehr verdienen, bekommen eine Steuergutschrift von mindestens 300 US-Dollar als Einzelpersonen bzw. mindestens 600 US-Dollar als gemeinsam veranlagtes Ehepaar. In Abhängigkeit von der Steuerlast steigt die Steuergutschrift bis maximal 600 US-Dollar für Einzelpersonen bzw. 1.200 US-Dollar für Ehepaare. Ehepaare, die 150.000 US-Dollar im Jahr verdienen, bekommen die maximale Gutschrift. Familien mit Kindern erhalten zusätzlich pro Kind 300 US-Dollar. Beispielsweise bekommt also ein Ehepaar mit drei Kindern und einem Jahreseinkommen von 150.000 US-Dollar
einen Scheck von 2.100 US-Dollar zugeschickt. Für die Unternehmen gelten verbesserte Abschreibungsregeln. Für alle in 2008 erfolgten Ausrüstungsinvestitionen können zusätzlich 50 % der Investitionssumme sofort abgeschrieben werden. Die derzeit geltenden Obergrenzen für die Abschreibungssummen werden für kleine Unternehmen im Jahr 2008 befristet nach oben gesetzt.
3. Zwei Aspekte des Programms sind für die Konjunkturanalyse relevant. Zum einen ist dies die Frage, wann die Maßnahmen greifen, d.h. wann die Steuerschecks verschickt werden und ab wann die Abschreibungserleichterungen gelten. Sollte das Paket in absehbarer Zeit verabschiedet werden, kommt die Fiskalspritze zwar nicht mehr rechtzeitig zu Beginn der Schwächephase. Zumindest wird sie aber noch einigermaßen frühzeitig wirken und nicht – wie es oft der Fall ist – prozyklisch in den folgenden Aufschwung hinein. Zum anderen ist ein wesentlicher Faktor für die Ermittlung der Wachstumswirkungen des fiskalischen Stimulus die Frage nach den Multiplikatorwirkungen des Pakets. Dauerhafte Wachstumswirkungen erzeugt solch ein einmaliger fiskalischer Impuls nämlich nur dann, wenn die daraus resultierenden zusätzlichen Konsum-und Investitionsausgaben dazu führen, dass die Unternehmen angesichts der höheren Nachfrage ihre Kapazitäten ausbauen und mehr Arbeitsplätze schaffen. Dadurch kommt eine Aufwärtsspirale in Gang. Rechnen die Unternehmen jedoch damit, dass dieser Nachfrageschub nur einmalig ist und produzieren nur kurzfristig etwas mehr, dann erfolgt schon kurz nach der Konjunkturspritze ein Rückprall und der gesamte Wachstumseffekt des Programms ist kaum spürbar.
4. Die für das aktuelle Programm angekündigten auf das Jahr 2008 begrenzten Maßnahmen bewirken ohne diesen Multiplikatoreffekt deutlich weniger als Steuersenkungen, die längere Zeit gelten, wie dies beispielsweise bei den Steuersenkungsprogrammen der Jahre 2001 und 2003 der Fall war. In der derzeitigen Situation einer konjunkturellen Schwächephase gehen wir davon aus, dass es bestenfalls geringfügige Multiplikatoreffekte geben wird, d.h. das Konjunkturpaket bringt lediglich Volatilität in den Konjunkturverlauf,
erhöht jedoch die durchschnittliche Wachstumsrate nur unwesentlich.
5. Zu Beginn der Amtszeit von Präsident Bush wurden in den Jahren 2001 und 2003 zwei ähnliche Programme zur Stützung der Konjunktur initiiert, deren Auswirkungen Hinweise für die Abschätzung der Effekte des aktuell geplanten fiskalischen Impulses geben. Bei der Betrachtung der beiden Versendungsaktionen von Steuerschecks ergeben sich folgende Erkenntnisse: Im Mai 2001 wurde eine große Steuerreform verabschiedet, in deren Gefolge zwischen Juli und September 2001 Steuerschecks im Gesamtwert von 38 Mrd. US-Dollar verschickt wurden. Bei den privaten Konsumausgaben ist in diesen Monaten so gut wie keine Auswirkung der Aktion zu sehen. Vielmehr wurde im September sogar ein deutlicher Rückgang des Konsums gemeldet, was aber auf die Terroranschläge des 11. September zurückzuführen war. Erst im Oktober besannen sich die US-Bürger auf das zusätzliche Geld und gaben es insbesondere für Autos aus, denn die Autohändler lockten mit massiven Rabattaktionen die Kunden an. Durch die nur zum Teil für Konsum verwendeten Einnahmen aus den Steuerschecks stieg die Sparquote sogar für einige Monate spürbar an. Im Juli und August des Jahres 2003 wurden dann nochmals Schecks in Höhe von insgesamt 37 Mrd. US-Dollar an die Bevölkerung verteilt. Diese zeigten bei den privaten Konsumausgaben stärkere direkte Wirkungen als im Jahr 2001. Auf einen August mit weit überdurchschnittlichen Ausgaben folgte ein Rückprall im September mit rückläufigen Ausgaben. Was bedeutet das für das aktuelle Konjunkturpaket und seine Auswirkungen? Die Steuerschecks könnten in diesem Jahr voraussichtlich ab Juni an die privaten Haushalte verschickt werden, da die Steuerverwaltung nach der Verabschiedung durch den Gesetzgeber mindestens zwei Monate Vorlauf benötigt. Damit gehen wir in unserer Berechnung des Bruttoinlandsprodukts für die Monate Juni und Juli von einem deutlich höheren privaten Konsum aus. Diese zusätzlichen Konsumausgaben dürften jedoch im August wieder wegfallen. Die insgesamt vorgesehenen 100 Mrd. US-Dollar für die privaten Haushalte werden allerdings unserer Schätzung zufolge zu etwa zwei Dritteln in zusätzliches Sparen bzw. in Kredittilgung fließen, also überhaupt nicht im privaten Konsum auftauchen. D.h. die Sparquote der Haushalte wird durch das Konjunkturprogramm zumindest für eine Weile in ihrem Niveau nach oben und die Verschuldungsquote nach unten gezogen.
6. Bezüglich der Anreize für Ausrüstungsinvestitionen gehen wir davon aus, dass es weitgehend bei Mitnahmeeffekten bleibt, d.h. die verbesserten Abschreibungsbedingungen werden für ohnehin geplante Investitionen genutzt, zusätzliche Investitionen werden jedoch nur in geringem Umfang getätigt. Bei für das Jahr 2009 geplanten Investitionen ist zudem mit Vorzieheffekten zu rechnen, um noch in den Genuss der Abschreibungserleichterungen zu kommen. Damit wird die Investitionstätigkeit Anfang 2009 wegen des Rückpralleffekts vermutlich sogar rückläufig sein, wie es in der Vergangenheit zu beobachten war. Insgesamt kommt man über die Konsum- und Investitionseffekte im Vergleich zur Prognose ohne das Konjunkturprogramm auf ein geringfügig stärkeres Wachstum im zweiten Quartal 2008, ein sehr kräftiges Wachstum im dritten Quartal und dafür schwächere Werte in den Quartalen Q4 2008 und Q1 2009. Starke Ausschläge werden also einmal mehr den Bruttoinlandsproduktsverlauf prägen.
7. Fazit: Die wichtigste Funktion des Konjunkturpaketes ist wohl die Vertrauensbildung in der Bevölkerung, die besonders in Zeiten des Wahlkampfs sehr ernst genommen wird. Der Eindruck soll vermittelt werden, dass die Politik die Bevölkerung mit ihren Problemen nicht allein lässt. Wenn das Programm es mit der Vertrauensbildung schafft, einen Keil in die drohende Abwärtsspirale zu schlagen und sie damit zu verhindern, hat es in der Tat schon viel bewirkt. Wir gehen davon aus, dass dies gelingt. Ohne das Programm
wäre die Wahrscheinlichkeit höher, dass die US-Wirtschaft in eine Rezession rutscht. Insgesamt dürfte das Wachstum im Jahr 2008 unserer Schätzung zufolge lediglich 0,3 Prozentpunkte höher ausfallen als ohne Konjunkturpaket. Abgesehen von der kurzfristigen Schubwirkung bleiben mittel- und langfristig keine Effekte, eine dauerhafte Verhaltensänderung der Haushalte und der Unternehmen und damit ein langfristig höheres Wirtschaftswachstum ist also nicht zu erwarten. Denn die Strukturprobleme liegen in den Bilanzen der
Banken und privaten Haushalte und nicht in zu hohen Einkommensteuersätzen oder schlechten Abschreibungsmöglichkeiten. Ob dieser kurzfristige Schub allerdings wert ist, dass der Staatshaushalt mit einer Summe von 150 Mrd. US-Dollar belastet wird, ist die große Frage. Viel wichtiger für die Überwindung der aktuellen Wachstumsschwäche infolge der Hypotheken- und Kreditkrise ist unseres Erachtens die Tatsache, dass die Fed ihr Möglichstes tut, um die Verwerfungen an den Geld- und Kreditmärkten abzumildern.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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