Bush oder Kerry - die Qual der Wahl
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1. Schon seit Monaten sind die Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahlen am 2. November 2004 in vollem Gange. Die drei Fernsehduelle der beiden Kandidaten George W. Bush und John F. Kerry endeten laut Umfragen jeweils mit einem leichten Vorsprung von Kerry, sodass jetzt beide Kandidaten mehr oder weniger gleichauf liegen, nachdem Bush lange Zeit die Nase vorn hatte. Der Wettlauf bleibt also bis zum Ende spannend. Wir diskutieren im Folgenden, wie die wirtschaftspolitischen Pläne der beiden Kandidaten aussehen und welche Auswirkungen sie auf das Wirtschaftswachstum haben. Als wichtigste wirtschaftspolitische Themen haben sich die Bereiche Steuern, Arbeitsmarkt, Gesundheitssystem, Bildung, Staatsfinanzen und Welthandel herauskristallisiert. Die Folgen des Wahlausgangs für die Finanzmärkte beleuchten wir in einem zweiten Volkswirtschaft Spezial, das morgen veröffentlicht werden wird.
Steuern
2. Kerrys wohl wichtigstes Steuersenkungsprojekt ist die Reduzierung der Unternehmenssteuern um 5 % (d.h. der Steuersatz sinkt um 1,75 Prozentpunkte von 35 % auf 33,25 %), womit über die nächsten zehn Jahre hinweg geschätzte Mindereinnahmen von 120 Mrd. US-Dollar verbunden sind. Weitere Steuernachlässe sind geplant für Kinderbetreuung, für die Ausbildung der Kinder und für neu geschaffene Arbeitsplätze (s.u.). Die Einnahmenseite des Bundeshaushalts will Kerry verbessern, indem er die von Bush durchgesetzten Steuersenkungen für die Bezieher hoher Einkommen (mehr als 200.000 US-Dollar im Jahr) wieder rückgängig macht und Steuerschlupflöcher stopft. Mit letzteren meint er insbesondere die derzeitige "Begünstigung" von im Ausland erzielten Gewinnen US-amerikanischer Unternehmen. Diese müssen erst beim Transfer in die USA versteuert werden, was sich ändern soll. Der Plan Kerrys, dass die im Ausland erzielten Gewinne der Unternehmen wieder in die USA gelenkt werden, damit sie dort in neue Arbeitsplätze investiert werden, ist allerdings am 11. Oktober 2004 schon als Gesetz verabschiedet worden.
3. Bush hat in seiner bisherigen Amtszeit schon spürbare Steuersenkungen vorgenommen, die insbesondere den privaten Konsum stimuliert, die öffentlichen Haushalte aber stark belastet haben. Er bekennt sich weiterhin zu niedrigen Steuern. Viele seiner Steuersenkungen wurden befristet verabschiedet. Diese Befristungen zu beseitigen, ist sein erklärtes Ziel. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Verringerung der Einkommensteuer, die Abmilderung der "marriage penalty" (Verheiratete zahlen in den USA aufgrund der Steuerprogression mehr Steuern, als sie unverheiratet zahlen würden) und den höheren Kinderfreibetrag (ein Teil der Befristungen wurde am 4. Oktober schon per Gesetz aufgehoben). Zudem will er das Steuersystem "gerechter, einfacher und wachstumsfreundlicher" gestalten - ohne dies näher zu konkretisieren. Vom Strukturwandel benachteiligte Regionen sollen in den Genuss reduzierter Steuern kommen, damit sich Unternehmen ansiedeln und damit neue Arbeitsplätze schaffen.
Arbeitsmarkt
4. Der wunde Punkt der Regierung Bush ist die nach der Rezession 2001 bisher unbefriedigend gelaufene Schaffung neuer Arbeitsplätze. Der erneut enttäuschend schwache Beschäftigungsaufbau im September könnte die Wahl mit entscheiden. Kerry befürwortet die Einführung einer Steuergutschrift bei der Neuschaffung von Arbeitsplätzen (New Jobs Tax Credit): Befristet für die Jahre 2005 und 2006 sollen die Lohnnebenkosten für Arbeitgeber bei neu geschaffenen Stellen reduziert werden. Gegen die Abwanderung von Arbeitsplätzen, beispielsweise nach China, will er vorgehen, indem er eine Angleichung der Arbeitsbedingungen fordert (Verbot von Kinderarbeit in China, Stärkung der Rechte der Arbeitnehmer) und die "Währungsmanipulationen" beenden will. Über Druck und Verhandlungen soll eine Flexibilisierung des Yuan/US-Dollar- Wechselkurses erreicht werden. Über die oben schon genannte Rückführung von im Ausland erzielten Gewinnen sollen ebenfalls neue Stellen gewonnen werden. Ein weiteres Instrument sind die "Manufacturing Business Investment Corporations (MANBIC)", die Kapital für Unternehmensgründungen bereitstellen sollen. Auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen zielt seine Initiative "Buy American": Öffentliche Aufträge sollen, soweit möglich, an amerikanische Unternehmen vergeben werden. Kerry will außerdem die aktuellen Mindestlöhne von 5,15 US-Dollar pro Stunde bis 2007 auf 7,00 US-Dollar anheben. Hiervon wären sieben Millionen Amerikaner betroffen. Daneben soll die Arbeitslosenversicherung ausgeweitet werden, mehr Menschen sollen in Arbeitslosigkeitsphasen Zahlungen erhalten, und die Möglichkeit der Fortbildung in Zeiten der Arbeitslosigkeit soll verbessert werden. Derzeit erhalten nur etwa ein Drittel der Arbeitslosen Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung.
5. Bush macht in seinem Wahlkampfprogramm keine speziellen Aussagen, wie er den Arbeitsmarkt fördern will. Das Thema wird jedoch beispielsweise im Zusammenhang mit der Vereinfachung des Steuersystems, der Öffnung der Weltmärkte für amerikanische Produkte oder der Förderung von Unternehmensgründungen genannt. Letztendlich betont er immer wieder, dass er auf die Marktkräfte vertraut, die zu höherer Beschäftigung führen werden.
Gesundheitssystem
6. Kerry hat sich zum Ziel gesetzt, die derzeit eher mangelhaften Möglichkeiten der Bevölkerung zu verbessern, sich bei einer Krankenversicherung zu versichern. Hierzu plant er Steuergutschriften für kleine Unternehmen und sozial schwächere Arbeitnehmer, damit diese die Gesundheitsversorgung finanzieren und in den neuen Congressional Health Plan einzahlen können. Außerdem sollen die Krankenversicherungsbeiträge für Familien um bis zu 1.000 US-Dollar pro Jahr gesenkt werden. Kurzzeitig Arbeitslose sollen während ihrer Arbeitslosigkeit Zugang zur Krankenversicherung haben. Zudem will Kerry die Kostenexplosion im Gesundheitswesen über verschiedene Maßnahmen eindämmen, wie beispielsweise über die verstärkte Verwendung von Generika. Die gesamten Kosten für die Verbesserung des Gesundheitssystems schätzt Kerrys Stab auf insgesamt rund 650 Mrd. US-Dollar für die nächsten zehn Jahre.
7. Bush dagegen will, nachdem er schon die Gesundheitsleistungen für ältere Menschen und ärmere Bevölkerungsschichten ausgeweitet und mehr Wettbewerb im Arzneimittelsektor eingeführt hat, möglichst wenig neue Belastungen für die Steuerzahler durch das Gesundheitssystem schaffen. Er plädiert für steuerliche Entlastungen für die unteren Einkommensschichten, damit sich diese krankenversichern können. Ebenso will er die Krankenversicherungsmöglichkeiten bei kleinen Unternehmen durch eine Steuerreduzierung fördern. Weitere geplante Maßnahmen zielen auf die Stärkung alternativer Krankenversicherungsmöglichkeiten (über Kirchen oder wohltätige Organisationen) ab; Ziel seiner "kostenfreien" Pläne ist zudem ein strafferes Gesundheitssystem mit mehr Wettbewerb und weniger Missbrauch und Verschwendung.
Bildung
8. Um einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu erhalten und andererseits die Familien in ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgabe zu unterstützen, will Kerry ein umfangreiches Bildungsprogramm starten, das in den nächsten zehn Jahren insgesamt ein Volumen von über 200 Mrd. US-Dollar umfassen soll. Hierzu gehören die Schaffung von mehr Plätzen in Schulen mit Ganztagsbetreuung bis 18 Uhr, die Verbesserung der Schulausbildung in Mathematik und Naturwissenschaften, die Gewährung von Steuergutschriften für bis zu 4.000 US-Dollar aufgewendeter College-Gebühren pro Jahr, Belohnungszahlungen für Bundesstaaten, die den Anstieg der College-Gebühren begrenzen, und die Möglichkeit, sich über eine zweijährige Tätigkeit im Staatsdienst ein College-Studium zu verdienen. Insbesondere im Hinblick auf die Anpassungen an den globalen Wettbewerb will er das lebenslange Lernen unterstützen durch eine Ausweitung des Trade Adjustment Assistance (TAA)-Programms, das Umschulungen und Weiterbildung für Arbeitslose gewährleistet. Für eine generelle Verbesserung der Schulbildung soll ein nationaler Erziehungsfonds gegründet werden, der über zehn Jahre hinweg mit insgesamt 200 Mrd. US-Dollar gefüllt werden soll.
9. Bush bekennt sich ebenfalls zu einer aktiven Bildungspolitik zur Erhaltung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft. Über eine Vielzahl von Zielen und Programmen will er etwa die Qualität der Schulausbildung und der Hochschulausbildung verbessern, Lehrer schulen und lernschwache Schüler fördern. Für Hochschulstipendien soll mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, und die Möglichkeiten von Bildungsdarlehen sollen erweitert werden. Auch Bush will wie Kerry in die Fortbildung von Erwachsenen, und hier insbesondere von Arbeitslosen, investieren. Hinsichtlich der Kosten dürften die Pläne von Bush deutlich weniger Ausgaben verursachen als diejenigen von Kerry.
Staatsfinanzen
10. Kerry betont, dass sämtliche von ihm geplanten höheren Ausgaben durch Einsparungen gedeckt sind. Die Ausgabensteigerungen von insgesamt rund 1.200 Mrd. USD über die nächsten zehn Jahre hinweg, wovon die Ausgaben für Gesundheit, Bildung und die Unternehmenssteuersenkung die größten Brocken sind, sollen gegenfinanziert und sogar überkompensiert werden über Einsparungen bzw. Einnahmenerhöhungen in Höhe von fast 1.600 Mrd. US-Dollar. Hier bilden die Rücknahme von Steuersenkungen - beispielsweise derjenigen für die Bezieher hoher Einkommen (über 200.000 US-Dollar pro Jahr), die Reduktion von Unternehmenssubventionen und das Stopfen von internationalen Steuerschlupflöchern die größten Posten. Vor allem die Verringerung der Ausgaben bzw. die Erhöhung der Einnahmen durch die beiden letzteren Vorschläge sind möglicherweise zu hoch angesetzt; erfahrungsgemäß gestalten sich Subventionskürzungen im politischen Prozess schwierig und so genannte Schlupflöcher lassen sich selten komplett stopfen. Mehr Hoffnung verspricht die Schaffung von institutionalisierten Begrenzungen der Staatsausgaben wie Obergrenzen für diskretionäre Ausgaben (also Ausgaben, die nicht durch Leistungsansprüche, bspw. Renten, festgelegt sind), die Wiedereinführung von PAYGO (jede zusätzliche Ausgabe muss durch eine zusätzliche Einnahme oder verringerte Ausgabe kompensiert werden) oder die Vetomöglichkeit für den Präsidenten bei Plänen des Kongresses für Mehrausgaben. Letztendlich dürfte es Kerry bei realistischer Betrachtung mit seinen Plänen nicht schaffen, sein Versprechen einzulösen, das Haushaltsdefizit innerhalb der nächsten vier Jahre zu halbieren.
11. Bush hat ebenfalls versprochen, das Budgetdefizit zu halbieren, er will sich dafür fünf Jahre Zeit lassen. Aber auch seine Pläne deuten eher darauf hin, dass das Haushaltsdefizit bestenfalls leicht verringert wird (siehe Grafik unten: die rote Linie entspricht in etwa Bushs Plänen). Sein Ziel, alle bisher befristeten Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit unbefristet zu verlängern, bedeutet auch für die kommenden Jahre weniger Steuereinnahmen, die wie bisher nicht durch Ausgabenkürzungen kompensiert werden. Ebenso wie Kerry will er auf Regelungen setzen, die eine weitere Verschuldung verhindern sollen, so etwa die Vetomöglichkeit des Präsidenten gegenüber höheren Ausgaben.
12. Gerade das Thema Haushaltsdefizit und Staatsverschuldung ist derzeit sehr brisant, wird jedoch von beiden Kandidaten zumindest im Wahlkampf nicht in der Form angegangen, wie es zu wünschen wäre. Denn im Verborgenen lauern schon Belastungen, die in nicht allzu ferner Zeit auf den US-Haushalt zukommen. So müssen dringend die Folgen der "kalten Progression" aufgefangen werden, die aufgrund der AMT, der Alternative Minimum Tax, im Zusammenspiel mit der Inflation entstanden ist. Diese Mindeststeuer, die ursprünglich dazu vorgesehen war, dafür zu sorgen, dass "Reiche" auf jeden Fall ein (recht hohes) Minimum an Steuern zahlen, erfasst inzwischen aufgrund ihrer Gültigkeit ab einem bestimmten - nicht inflationsindexierten - Jahreseinkommen jetzt auch die Mittelschicht. Dieses Problem wird von Jahr zu Jahr belastender für diese. Vorläufig hat Bush eine befristete Erleichterung bei der AMT geschaffen, doch diese müsste unbefristet gelten, vielmehr sollte die Grenze, ab der die AMT greift, inflationsindexiert werden. Dies dürfte erhebliche Einnahmenausfälle nach sich ziehen. Zudem haben auch die USA mit einer Kostenexplosion im Gesundheitswesen zu kämpfen, die das Staatsbudget vermehrt belasten wird. Nicht zuletzt rückt die Zeit immer näher, in der die Baby-Boomer in den Ruhestand kommen und ihrerseits den Staat mehr Geld kosten werden. Um diese Probleme bewältigen zu können, müssten derzeit eigentlich Budgetüberschüsse erzielt werden. Beide Kandidaten werden, wenn sie nicht eine durchgreifende Ausgabensenkung vornehmen, mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später Steuererhöhungen durchführen müssen, um die öffentlichen Haushalte in den Griff zu bekommen.
Welthandel
13. Hinsichtlich des Welthandels legen beide Kandidaten einen Schwerpunkt auf höhere Exporte, die über weitere Handelsabkommen, die Abschaffung von Handelshemmnissen der Handelspartner und eine bessere Ausbildung der inländischen Arbeitskräfte erreicht werden sollen. Dabei formuliert Kerry noch konkreter als Bush den Wunsch nach einem Schutz der US-amerikanischen Unternehmen, insbesondere gegenüber der chinesischen Konkurrenz. Die Formulierungen in Kerrys Wahlprogramm erwecken den Anschein, dass mit dem Argument der Durchsetzung einer international anerkannten Arbeitsgesetzgebung und von Umweltschutzstandards bei den Handelspartnern neue Handelsbarrieren zugunsten US-amerikanischer Unternehmen aufgebaut werden sollen.
14. Viele der Aussagen von Bush zum Thema "freier und fairer" Welthandel zielen auf besseren Zugang zu den Absatzmärkten für US-Unternehmen ab. So will er Auslandsmärkte für US-Produkte öffnen, andere Länder davon überzeugen, dass freier Welthandel, freier Kapitalverkehr und flexible Wechselkurse zum Vorteil aller sind, und er will unfaire Handelspraktiken wie Exportsubventionen und Einfuhrbeschränkungen in anderen Staaten beseitigen. Eine Stärkung der USA als Exporteur sollen auch die oben schon genannten Fortbildungsmaßnahmen bewirken, die zu höherer Produktivität der Arbeitskräfte führen sollen. Aus der Erfahrung der vergangenen vier Jahre heraus sowie aus den Zwischentönen bei seinen Wahlkampfaussagen sind die Bekenntnisse Bushs zu einem freieren und faireren Welthandel nicht im engeren Sinne zu verstehen, es ist sogar durchaus möglich, dass er auch in Zukunft immer wieder dem Druck der unterschiedlichen Lobby-Gruppen (wie der Stahlindustrie oder der Landwirtschaft) nachgeben und protektionistische Maßnahmen ergreifen wird.
Ein Vergleich der beiden Kandidaten
15. Ohne jeden Zweifel werden beide Präsidentschaftskandidaten keine gravierenden Änderungen an der Wirtschaftspolitik der USA bewirken. Sowohl aus den Wahlprogrammen als auch aus den Debatten der beiden Kandidaten kristallisiert sich heraus, dass Bush das stärkere Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft hat und daran glaubt, dass selbstfinanzierende Steuersenkungen ein stabiles Wirtschaftswachstum mit einem entsprechenden Beschäftigungsaufbau generieren können, ohne dass weitere flankierende Maßnahmen zur Arbeitsplatzschaffung nötig sind. Dies ist ein Grundthema der Republikaner seit den frühen Achtzigerjahren. Die Absicherung von Risiken wie der Altersversorgung oder der Krankheit will er zwar durch eine Steuerbegünstigung der Beiträge fördern, letztendlich aber die Entscheidung für eine Absicherung dem Einzelnen überlassen. Er hat sich hier aber noch nicht festgelegt, wie eine derartige "ownership society" konkret aussehen soll. Beim Welthandel scheint er im Vergleich zu Kerry zumindest verbal ein Verfechter einer liberaleren Handelsordnung zu sein. Was die Haushaltskonsolidierung anbelangt, werden beide Kandidaten das Ziel einer Halbierung des Budgetdefizits nicht erreichen, Bush sind jedoch eher höhere Haushaltsdefizite zuzutrauen als Kerry.
16. Aus Kerrys Wahlprogramm liest man heraus, dass sein Ziel ein Staat ist, der mehr für seine Bürger sorgt. Zusätzliche Einnahmen aus der teilweisen Rücknahme der Bush'schen Steuersenkungen und aus dem Stopfen von Steuerschlupflöchern will er für eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Bildung und Krankenversicherung und für die Schaffung von Arbeitsplätzen ausgeben. Dies sind durchaus vernünftige Maßnahmen, die hauptsächlich den sozial schwächeren Bevölkerungsschichten nützen. Sie werden dafür sorgen, dass die Schere zwischen Armen und Reichen sich wieder etwas schließt. Allerdings geht es damit einen Schritt in Richtung höhere Staatsquote. Auch wenn diese in den USA immer noch niedrig ist, impliziert ein höherer Staatsanteil i.d.R. schwächere Wachstumskräfte. So ist etwa bezüglich der Arbeitsmarktpläne abzuwarten, ob die Anreize zur Schaffung von Arbeitsplätzen nicht eher Mitnahmeeffekte erzeugen als tatsächlich mehr Beschäftigung generieren. Die Festlegung bzw. Erhöhung von Mindestlöhnen kann im Niedriglohnsektor Neueinstellungen verhindern. Hinzu kommt, dass Kerry inländische Arbeitsplätze schützen und schaffen will, indem er Handelshemmnisse aufbaut und inländische Unternehmen bevorzugt - dies kann kurzfristig helfen, langfristig verhindern solche Maßnahmen jedoch die Anpassung im internationalen Wettbewerb.
17. Wendet man sich ab von den Wahlprogrammen und betrachtet die Fakten und Erfahrungen der letzten Jahre, so ist festzustellen, dass die Unterschiede zwischen Bush, dem Verfechter der liberalen Wirtschaftsordnung, und Kerry, seinem eher interventionistisch und protektionistisch geprägten Kontrahenten, wieder verschwimmen. Denn zum einen hat Bush in den letzten Jahren in Sachen freier Welthandel des öfteren enttäuscht, beispielsweise bei seinem Eintreten für den Schutz der amerikanischen Stahlindustrie und der Landwirtschaft. Zudem hängt ihm der Makel des massiven Umschwungs von Haushaltsüberschüssen hin zu Rekorddefiziten an. Probleme wie das Leistungsbilanzdefizit haben sich in seiner Amtszeit eher verstärkt als verbessert. Dieser negativeren Einschätzung steht gegenüber, dass von Kerry möglicherweise eine ähnlich positiv zu beurteilende Wirtschaftspolitik wie diejenige von Clinton zu erwarten ist, denn immerhin gehören zu seinem Beraterstab viele ehemalige Berater Clintons. Hinzu kommt, dass er in der Zusammenarbeit mit einem republikanisch dominierten Kongress die von uns kritischer beurteilten Pläne vermutlich gar nicht durchsetzen wird, sodass seine fiskalischen Erfolge größer sein könnten als es aus dem Wahlprogramm herauszulesen ist. Hierfür spricht auch, dass es Kerry schaffen könnte, hinsichtlich der Irakfrage mehr Staaten ins Boot zu holen, wodurch die Militärausgaben der USA sinken würden.
18. Insgesamt ist damit zu rechnen, dass die Pläne von Bush kurzfristig zu einem etwas stärkeren Wirtschaftswachstum als diejenigen Kerrys führen werden, denn die insgesamt niedrigeren Steuern regen das Wachstum an. Allerdings könnten die hohen Haushaltsdefizite auf die mittlere Frist Steuererhöhungserwartungen und steigende Inflationserwartungen mit all ihren negativen Folgen für das Wachstum auslösen, mittelfristig könnte also die Politik von Kerry ein stärkeres Wirtschaftswachstum gewährleisten. Dagegen ist bei Kerry damit zu rechnen, dass seine Politik eine höhere "Verteilungsgerechtigkeit" bewirkt, also ein tendenzielles Schließen der Schere zwischen Armen und Reichen. Dies kommt vor allem im Hinblick auf die erst kürzlich in einer Studie veröffentlichten Informationen über eine recht hohe Quote an "armen" Familien mit Kindern in den USA den sozial Schwächeren zugute. Letztendlich sieht es derzeit jedoch danach aus, dass beide Kandidaten das große Problem des Haushaltsdefizits im Zusammenspiel mit den steigenden Belastungen im Gesundheitswesen und der Rentenversicherung durch die geburtenstarken Jahrgänge nicht mit dem entsprechenden Durchsetzungswillen angehen. Es bleibt zu hoffen, dass der Druck der Realität den Reformwillen desjenigen steigert, der sich am Ende bei den Wahlen als Sieger durchsetzen wird.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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