Kommentar
00:00 Uhr, 04.03.2008

Bürger müssen die Politiker herausfordern

Hessen vorn. Hamburg Hafenstraße. Reminiszenzen. Wo ist der Ausgang? Alle haben sich festgelegt! Oder doch - noch nicht? Wer sind die Sieger? Eindeutig die Linke! Sie sind „Agenda-Setzer“. Obwohl sie weder regieren, noch regieren werden. Obwohl sie kein seriöses oder gar ein konsistentes Programm haben. Sie bedienen indes perfekt das gefühlte Land. Sie nehmen jeden Protest auf. Und sie sind so umfassende Agenda-Setzer, weil die Volksparteien ihnen hinterher eilen. Alle haben die Globalisierung satt, hassen den Neoliberalismus – was das ist, klären wir im nächsten Jahrhundert – wenden sich von Privatisierung geekelt ab, geiseln den Wettbewerb. Alle sind zurück auf dem Weg in die warme Höhle kollektiven Schutzes durch einen besorgenden Staat. Ach, was haben wir doch alle gute Erfahrungen unter den verschiedensten Formen dieser „Lösung“ gemacht. Nirgendwo auf der Welt gab es mehr Fairness, Betreuung, Gleichheit (der Rechte) als im deutschen Sozialismus aller west- und ostdeutschen Spielarten. Oder war da etwas, was zur Überwindung solcher Ordnungen Anlass war? Waren die Lebenschancen und die Freiheitsrechte in solchen Glashäusern nicht – wie viele Ausbruchsversuche dokumentieren – arg begrenzt? Statt dass jene, die solche Rechte der Bürger würdigen, ihre Stimme erheben, verstummen wegen gefühlter Gerechtigkeit auch jene, die für Marktwirtschaft und Freiheitsrechte angetreten sind. Jene Grünen, Liberalen, Freiburger (Schule)-Konservative oder die Agenda 2010–Sozialdemokraten üben sich alle als Maulwürfe. Zum Überleben abgetaucht. Die Leistungsträger sind jetzt politisch korrekt die Asozialen. Und so bereiten wir den Boden für die Entscheidungsschlacht für die Gesellschaftsordnungsfrage in der Bundestagswahl 2009.

Da gibt es eine Reihe von Fragen! Wie etwa bekommen wir Regierungen in Wiesbaden und Hamburg hin? Wer bricht sein Wort? Oder wer springt über seinen Schatten? Was sollte man sich aus taktischen oder strategischen Gründen in Wiesbaden oder Hamburg wünschen, um die große Entscheidung im Herbst 2009 zu ermöglichen: die dann nicht mehr verschiebbare Weichenstellung für fundamentale Reformen zur Stärkung des Wachstums in Deutschland.

Lernen aus Einsicht, dem kantischen Imperativ folgen, ist offenkundig nicht sonderlich wahrscheinlich in Deutschland. Pathologisches Lernen hat dagegen schon einige Male geklappt in diesem unserem Lande. Also bis zum Sommer 2009 wenigstens in einem Bundesland zeigen, wie linke Ausrichtung wirkt?

Da des Volkes Stimme nicht fühlt, dass die Partei, die die meisten Stimmen erhalten hat – die Partei von Roland Koch nämlich – gewonnen hat, sondern Frau Ypsilanti, sollte man auch ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin – durch welche gewählten Landtagsabgeordneten auch immer – nicht im Wege stehen. Das lässt vermeiden, die FDP in Hessen zum Umfallen zu drängeln. Das erspart Koch das quälende Scheitern einer geschäftsführenden Regierung zu einem späteren – für die Bundestagswahl ungünstigen – Zeitpunkt. Und es brächte die linke Ministerpräsidentin in Handlungszwang. Und da gibt es viel zu tun. Den dringenden aber abgelehnten Ausbau der Infrastruktur. Der große internationale Flughafen Frankfurt verliert ständig gegenüber München. Die Rolle als das Drehkreuz in Europa ist in Gefahr und mit ihm der wichtigste Arbeitgeber in Rhein-Main. Da sollen ja wohl zügig Atomkraftwerke abgeschaltet werden und der Neubau von (weit effizienteren) Kohlekraftwerken rigoros blockiert werden. Und die Landesregierung wird Initiativen von Kommunen zu individuellen Nutzung von Solarenergie mit Zwang nachhelfen. Und es wird zu mehr staatlicher Steuerung zur Nutzung dezentraler Energiequellen kommen, auch dort wo die Effizienz der Nutzung (wegen Windmangel oder unzureichender Sonneneinstrahlung) nicht gegeben ist.

Die Zeichen an der Wand nach den beiden Landtagswahlen sind markerschütternd: Der Einzug der Linken in die Parlamente ist Vorbote für Landesregierungen in den Neuen Bundesländern unter Führung der Linken mit der SPD als Juniorpartner. Die Schwäche der FDP in einer Zeit in der die Große Koalition immer kollektivistischer wird, ist dramatischer Ausweis für das Austrocknen des marktwirtschaftlichen Biotops. Es signalisiert höchste Alarmstufe für Bayern. Dort steht die konservative Mehrheit auf der Kippe. Ohne neue Offenheit, etwa den Grünen gegenüber – eine solche Zusammenarbeit erschüttert freilich das Selbstverständnis in großen Teilen beider Parteien, der Grünen und der Christdemokraten – wird die Regierungsfähigkeit auch in diesem Bundesland gefährdet. Deutschland ist auf dem Weg in die Regierungsunfähigkeit. Deutschland wird – mitten in Europa – zum Symbol für Ausweglosigkeit.

Was wird dies alles für die Standortentscheidung von Unternehmen bedeuten? Wie werden wir mitten in einer Finanzmarktkrise und einem weltweiten Abschwung mit der Führungslosigkeit fahren? Ob uns die andern für Geisterfahrer halten?

Wer / was könnte uns auf die rechte Bahn zurückführen? Der Schmerz über die internationale Reaktion? Der Verlust des Titels „Exportweltmeister“? Die immer häufigere Abwendung von unserem Land durch die jungen Eliten, die sich hier nicht entfalten können, weder wissenschaftlich noch wirtschaftlich? Oder werden die Bürger ihren Bürgersinn entdecken und ihm entsprechend handeln und das politische Personal herausfordern - und wichtiger – verstärken? Es ist fünf nach zwölf. Falls jemand keine gut gehende Uhr bei der Hand hat.

Autor: Prof. Dr. Norbert Walter

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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