Kommentar
11:05 Uhr, 29.01.2021

US-Finanzsystem: Es knirscht im Gebälk

Der Smartphone-Broker Robinhood musste sich wegen des Ansturms von privaten Tradern auf GameStop & Co. frisches Kapital besorgen. Unterdessen sorgen die Verbindungen von Robindhood zum Market-Maker und Hedgefonds Citadel von Milliardär Ken Griffin für Stirnrunzeln und wilde Spekulationen im Internet.

Erwähnte Instrumente

  • AMC Entertainment Holdings Inc - WKN: A3D7MZ - ISIN: US00165C3025 - Kurs: 8,260 $ (NYSE)
  • Gamestop Corp. - WKN: A0HGDX - ISIN: US36467W1099 - Kurs: 344,000 € (XETRA)

Der wilde Ansturm von Hobbytradern auf Aktien wie GameStop sorgt inzwischen auch bei US-Brokern für große Probleme. Der Smartphone-Broker Robinhood musste sich laut Medienberichten mehr als eine Milliarde Dollar an frischem Kapital besorgen. Der Grund ist, dass die Broker wegen der starken Marktschwankungen höhere Sicherheitsleitungen bei Clearingfirmen hinterlegen müssen. Laut einem Bloomberg-Bericht verlangte das Clearinghaus DTCC alleine am Donnerstag insgesamt 33,5 Milliarden Dollar an zusätzlichen Sicherheitsleistungen von Brokern.

Unterdessen sorgen Verbindungen zwischen dem Smartphone-Broker Robinhood und dem Hedgefonds Citadel von Milliardär Ken Griffin für wilde Spekulationen im Internet. Citadel ist nicht nur als Hedgefonds aktiv, sondern ist mit dem getrennten Geschäftsbereich Citadel Securities zugleich einer der größten Market Maker in den USA. In dieser Funktion ist Citadel auch eine der wichtigsten Einnahmequellen des Smartphone-Brokers Robinhood, zu dessen Investoren Citadel gehört. Da Robinhood seinen Kunden den kostenlosen Wertpapierhandel ermöglicht, verdient es sein Geld durch den Verkauf des Orderflows seiner Privatanleger-Kunden an Market Maker wie Citadel. Zugleich war Citadel aber auch dem Hedgefonds Melvin Capital mit frischem Kapital zur Hilfe geeilt.

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Im Internet machten Gerüchte die Runde, Citadel habe Robinhood und andere Broker dazu aufgefordert, Privatanlegern den Kauf von Aktien wie GameStop zu verbieten, um so Hedgefonds wie Melvin Capital, die finanzielle Verbindungen zu Citadel haben, zu schützen. Sowohl Citadel als auch Robinhood dementierten diese Behauptungen allerdings. Mehrere Politiker forderten allerdings, die Beziehungen zwischen Citadel und Robinhood genauer unter die Lupe zu nehmen.

Robinhood will seine Beschränkungen bei GameStop und anderen Aktien bereits heute wieder lockern. Die GameStop-Aktien konnten im vorbörslichen Handel am Freitag wieder deutlich zulegen.

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Unterdessen wurde bekannt, dass die neue Finanzministerin Janet Yellen in den vergangenen Jahren beiden Jahren insgesamt sieben Millionen Dollar für Reden bei Wall-Street-Firmen erhalten hat. 810.000 US-Dollar bekam Yellen allein von Citadel.

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Mehrere Hedgefonds verbuchen Verluste

Update (00:35 Uhr):

Die jüngsten Marktbewegungen haben zu großen Verlusten bei mehreren Hedgefonds geführt. Der US-Smartphone-Broker Robinhood ruderte unterdessen zurück und will ab Freitag den "begrenzten Kauf" von Wertpapieren wieder erlauben, die Trader heute nicht mehr kaufen durften.

Mehrere Hedgefonds haben durch die jüngsten Marktbewegungen große Verluste verbucht, wie das "Wall Street Journal" berichtet. Mit am stärksten getroffen wurden Melvin Capital Management und Maplelane. Der letztgenannte Fonds habe bis Mittwochabend rund 45 Prozent seines Kapitals gegenüber dem Jahresbeginn verloren, heißt es. Die Verluste stammten auch daher, dass der Fonds verschiedene Positionen, mit denen er sich verspekuliert hatte, geschlossen oder verringert habe. Die Hedgefonds Point72 Asset Management, Candlestick Capital Management und D1 Capital Partners haben laut "Wall Street Journal" zwischen zehn und zwanzig Prozent ihres Kapitals verloren.

Insgesamt hätten Shortseller alleine in diesem Jahr bis vergangenen Mittwoch bereits 70,87 Mrd. USD mit ihren Positionen verloren, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf das Finanzanalyseunternehmen Ortex.

Private Trader hatten sich in den vergangenen Tagen und Wochen gezielt auf Aktien gestürzt, die zuvor von Hedgefonds stark geshortet worden waren und hatten so einen Short-Squeeze ausgelöst, bei denen die Hedgefonds immer höhere Preise bieten mussten, um ihre Positionen durch den Kauf der Aktien wieder schließen zu können. Da die privaten Trader oft auch mit hochgehebelten Optionen spekulierten, lösten sie zudem einen sogenannten Gamma Squeeze aus, bei dem Options-Dealer ebenfalls die entsprechenden Aktien kaufen mussten, um bei steigenden Kursen vollständig abgesichert zu bleiben. Zuletzt entwickelten sich zudem Aktien, bei denen Hedgefonds auf Kursgewinne spekuliert hatten, schlechter als der Gesamtmarkt, wie ein entsprechender Aktien-Basket von Goldman Sachs zeigt. Verantwortlich dafür dürfte sein, dass die Hedgefonds angesichts der Verluste und des Abbaus ihrer Short-Positionen auch dazu übergangen sind, ihre Long-Positionen zu verringern.

Unterdessen kündigte der Smartphone-Broker Robinhood überraschend per Twitter an, ab Freitag die Verbote zum Kauf bestimmter Wertpapiere teilweise wieder zurückzunehmen. "Ab morgen planen wir den begrenzten Kauf dieser Wertpapiere zu erlauben. Wir werden die Situation weiterhin überwachen und wie nötig Anpassungen vornehmen", schrieb Robinhood-Co-Gründer Vlad Tenev auf Twitter.

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In der Folge konnten die GameStop-Aktien im nachbörslichen Handel wieder zulegen.

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Broker ändern Spielregeln: GameStop stürzt ab!

Ursprünglicher Artikel (18:12 Uhr):

Die Rebellion ist niedergeschlagen, das Imperium hat gesiegt: Nachdem die Meute der Amateur-Trader in den vergangenen Tagen in Feierlaune war, weil sie sogar einige Hedgefonds ins Wanken gebracht hatte, hat sie nun offenbar doch den Kürzeren gezogen.

Etliche Privatanleger-Broker in den USA kündigten am Donnerstag an, dass stark von Privatanlegern nachgefragte Aktien wie die von GameStop und AMC Entertainment sowie Optionen auf diese Aktien künftig nur noch verkauft, aber nicht mehr gekauft werden könnten.

Der große Smartphone-Broker Robinhood teilte mit: "Angesichts der jüngsten Volatilität beschränken wir Transaktionen für bestimmte Wertpapiere auf das Schließen von Positionen, einschließlich $ AAL, $ AMC, $ BB, $ BBY, $ CTRM, $ EXPR, $ GME, $ KOSS, $ NAKD, $ NOK, $ SNDL, $ TR und $ TRVG. Wir haben auch die Margin-Anforderungen für bestimmte Wertpapiere erhöht", teilte der Broker in einer Erklärung mit.

Ähnliche Mitteilungen kamen auch von anderen großen Brokern wie Interactive Brokers, nachdem einige Broker bereits in den Vortagen die Spielregeln zu Ungunsten der privaten Trader verändert hatten.

Auch beim deutschen Smartphone-Broker TradeRepublic können die Aktien nicht mehr gekauft, sondern nur noch verkauft werden.

Nach den Mitteilungen der Broker gerieten die Kurse der betroffenen Aktien am Donnerstag zeitweise in den freien Fall. Die GameStop-Aktie stürzte im Tief bis auf 112,25 USD ab, was einem Minus von mehr als 67 Prozent im Vergleich zum gestrigen Schlusskurs entspricht. Anschließend erholten sich die Papiere aber wieder etwas, notierten zuletzt aber weiter deutlich unter dem Niveau der vergangenen beiden Tage.

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Im Internet wurden die Maßnahmen der Broker teilweise scharf kritisiert. Der Unternehmer und Internet-Promi David Portnoy schrieb auf Twitter, er habe u.a. AMC- und Nokia-Aktien gekauft "mit dem Verständnis, dass wir in einem freien Markt leben, auf dem Menschen Aktien fair und auf eigenes Risiko kaufen und verkaufen können. Ich werde sie bis zum Tod behalten, um daran zu erinnern, dass die @RobinhoodApp-Gründer ins Gefängnis müssen."

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In einem mehr als 15.000 Mal auf Reddit kommentierten Posting wurde angekündigt, dass Anleger aus Kanada und dem Rest der Welt den amerikanischen Tradern zur Hilfe eilen würden.

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Quelle: Reddit

Auch Politiker wie die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez und der republikanische Senator Ted Cruz kritisierten scharf, dass Hedgefonds weiter handeln durften, während Privatanleger blockiert wurden.

Der in den USA lebende Guidants-Experte Simon Hauser kommentierte: "Meiner Meinung nach fand die konzertierte Aktion der Broker statt um eine Kernschmelze abzuwenden. Gerüchte wollen wissen, dass eine ganze Menge an Hedgefonds zweistellig im Minus waren YTD."

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16 Kommentare

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  • VSAtrader
    VSAtrader

    Es nennt sich perfekter Sturm )) jetzt werden Short Squeezs für Abverkauf vom Aktienmarkt verantwortlich gemach. Die Schuldfrage ist auch geklärt, die Hedgefonds sind's))

    17:30 Uhr, 29.01. 2021
  • Harald Weygand
    Harald Weygand Head of Trading
    14:09 Uhr, 29.01. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • zaphod_beeblebrox_Der-Nullte
    zaphod_beeblebrox_Der-Nullte

    Mich würde mal interessieren, ob hier jemand diese Entwicklung vorzeitig mitbekommen hat und woher. Hier wird immer nur von ominösen "Internetforen" geredet, ohne genauere Angaben.

    13:00 Uhr, 29.01. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • julisx1
    julisx1

    Es ist jetzt einfach für jeden ersichtlich wie extrem korrupt das System ist. Die Rufe nach Dezentralisierung sind völlig berechtigt! Suits haben fertig!!!

    11:42 Uhr, 29.01. 2021
  • Indiana Jones
    Indiana Jones

    Wenn das System kollabiert, wird am Ende nur zählen, was man selbst in der Hand hält bzw. worauf man ungehindert zugriff hat. Da nützen einem die ganzen Bitcoins, ETFs, Aktien, Optionsscheine, Zahlen auf irgendwelchen Konten nicht mehr viel.

    Wer dies nun nicht sehen mag, tut mir echt leid.

    08:59 Uhr, 29.01. 2021
    1 Antwort anzeigen
  • Robirot
    Robirot

    Ich würde sowas als Marktmanipulation bezeichnen.
    Wenn ich Hedgefond wäre und alle anderen eine Aktie nur noch verkaufen dürfen, hätte ich einen extrem starken Vorteil mit Leerverkäufen. Da wird wohl mit zweierlei Maß gemessen, der Marktmechanismus außer Kraft gesetzt und einseitig reguliert.
    Irgendwie bekomme ich das Gefühl, dass Kleinanleger nur gewünscht sind, solange man sie abzocken kann. Bin mal gespannt, wie lange das noch gut geht.

    07:59 Uhr, 29.01. 2021
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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