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10:25 Uhr, 08.01.2002

Börse/Wirtschaft: Wohin geht die Reise ?

Richard Dickson, technischer Stratege bei Hilliard Lyons Research, ist der Meinung, dass der Aktienmarkt weiterhin überkauft sei.

Jedoch blieben die Fragen über die Qualität der Rallye weiter bestehen, da das Sentiment ähnlich dem vom März 2000 aussehe. Der Markt könne wahrscheinlich auf kurze Sicht noch höher steigen, aber er sehe keinen Grund dafür seine Bedenken über eine drohende Korrektur zu reduzieren.

Der RBC Dain Rauscher Analyst Bob Dickey sagte, dass sich der Markt kurz vor einem Ausbruch befinde. So sei es wahrscheinlich, dass der Markt in den nächsten Wochen höher steigen werde.

Jedoch zeige der CBOE's Volatility Index eine überkaufte Situation an, die in der Vergangenheit zu Ruckschlägen geführt hätte. Obwohl dieser Indikator über mehrere Wochen eine überkaufte Lage anzeigen könne ohne dass der Markt reagiere, sei dies dennoch ein Warnsignal, dass die Rallye näher ihrem Ende als ihrem Anfang sei.


Stephen Roach, der Chefvolkswirt von Morgan Stanley, erklärte heute, daß er ein erneutes Abgleiten der US-Wirtschaft in die Rezession erwarte. Die Vergangenheit habe gezeigt, daß die Wirtschaft oftmals dann wieder in eine Rezession gerutscht war, wenn sie den Anschein hatte, aus einer solche sich gerade zu erholen. Während der Jahre 1973 bis 1975, als die US-Wirtschaft zum letzten Mal zwei aufeinanderfolgende Jahre geschrumpft war, habe es gar eine dreiköpfige Rezession gegeben, merkte er an. In den Jahren 1981 und 1982 habe es zwei Rezessionen gegeben.

Eine der beiden Voraussetzungen für das angesprochene Szenario sei bereits erfüllt, erklärte Roach: Die "massive" Liquidation von Lagerbeständen im vierten Quartal, welche der Experte auf 110 Milliarden $ schätzt. Sollte nun noch ein Nachfrageeinbruch kommen, stehe einem erneuten Abrutschen in die Rezession nichts mehr im Wege. Die Kurse an den Börsen würden dadurch noch einmal beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen.


Es sei nötig, die nationale Sparrate zu erhöhen, um ein Produktivitätswachstum wieder erreichen zu können, wie es in den vergangenen Jahren zu sehen war. Dieser Meinung ist der Edward Gramlich, Gouverneur bei der US-Zentralbank Fed.

Gramlich weist darauf hin, dass ein großer Teil des Produktivitätswachstums im vergangenen Jahrzehnt auf den IT-Sektor zurückzuführen war. Große Teile der Investitionen in diesen Sektor stammten aus dem Ausland, so Gramlich.

Sollten diese Investoren das Interesse verlieren, so wird das Produktivitätswachstum abflachen.

"Die Frage, die wir hier stellen müssen, ist, wie lange kann das andauern?"

Der Gouverneur schlägt vor, diesem drohenden Trend entgegen zu wirken, indem man langfristig die eigene Sparrate erhöht, sodass die Regierung selbst mehr Einfluss auf diesen Trend gewinne.


Steve Milunovich von Merrill Lynch ist noch nicht völlig davon überzeugt, dass der Technologiesektor in diesem Jahr sich besser als der Gesamtmarkt entwickeln wird, da die meisten Aktien in diesem Sektor weiterhin eine sehr hohe Bewertung hätten. Darüber hinaus geht die Investmentbank von einer langsamen und schrittweisen Erholung der Fundamentaldaten des Segments aus. Allerdings gesteht Milunovich ein, dass es keine negativen Signale bis zur Gewinnwarnungssaison für das Märzquartal gäbe.


Der oberste Aktienstratege von CIBC World Markets, Subodh Kumar, erwartet, daß die kommende Ergebnismeldesaison aufzeigen werde, daß die Kostensenkungsmaßnahmen der Unternehmen greifen würden. Dadurch würde die Gewinnsituation der Unternehmen entscheidend verbessert werden, zunächst sei gar von einem starken zweistelligen Zuwachs auszugehen. Später solle sich das Gewinnwachstum bei 7,5% einstellen. Er erwarte insgesamt eine aufgelockerte bis gute Stimmung.


Richard McCabe, der Chefmarktanalyst von Merrill Lynch, sieht die Kursstärke nach dem Tiefstand am 21.September als Anzeichen dafür, daß sich die Wirtschaft sich in den kommenden Monaten ebenso deutlich erholen wird.

Aktuell würden wir uns aber angesichts der Intensität des Aufwärtstrends in einem überkauften Zustand befinden, zunächst müßten fundamentale Nachrichten die Kursanstiege rechtfertigen, dann könne die Rallye ihre Fortsetzung finden.

Der Chefökonom von Merrill Lynch, Bruce Steinberg, stellte indessen klar, daß es nicht so wichtig sei, wann der Wirtschaftsaufschwung komme- er sollte in den nächsten Monaten ensetzen- sondern wie stark er ausfallen werde.

Derzeit würden Analysten im Schnitt von einem GDP-Wachstum von 3,5% im zweiten Halbjahr ausgehen, Steinberg selbst rechne aber mit 5% und mit 4% Wachstum im Jahr 2003. Sollte er Recht behalten, billigt er dem Aktienmarkt eine "ordentliche Performance" für dieses Jahr zu, ansonsten sei das Aufwärtspotenzial beschränkt.


Stephen Massocca, Präsident von Pacific Growth Equities, sieht in dem Zusammenspiel von schneller Liquiditätszufuhr, historisch niedrigen Zinssätzen und den hohen Cashbeständen der Fonds die Hauptursachen für die gewaltige Kursrallye an den Aktienmärkten in den vergangenen drei Monaten. Obowhl diese Faktoren auch weiterhin bestünden habe er doch Zweifel an einem weiteren Aufwärtspotenzial, wenn er sich die mittlerweile erreichten Bewertungsniveaus ansehe.

So sei das Multiple des Dow Jones auf einem 5-Jahreshoch und der S&P 500 habe hinsichtlich der KGV-Bewertung gar ein All-Time-High erreicht. Selbst wenn dies auf dem Boden einer Rezession nicht überbewertet werden solle, müßten diese Bewertungsrelationen nun dringend durch Fundamentaldaten untermauert werden.

Sollten die Ergebnismeldungen des Q4 enttäuschen und nicht den Eindruck bestätigen, daß die Gewinne der Unternehmen wieder ansteigen würden, sehe er kurzfristig einen großen Verkaufsdruck auf den Markt zukommen. Mittelfristig dürfte dieser aber durch die expansive Geldpolitik überkompensiert werden.

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