Bleibt die Inflation noch über Monate hinweg bei 4%?
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Gastbeitrag von Dr. Christoph Bost
Es gibt verschiedene Definitionen von Stagflation, im Wesentlichen ist sie geprägt von einem schwachen Wirtschaftswachstum und einer anhaltenden über dem Wachstum liegenden Inflation. Dies führt in der Regel zu einer Verschärfung der finanziellen Repression. Diese gibt es bereits seit langem, doch je schlimmer sie wird, desto mehr werden die Anleger ins Risiko gedrängt, insbesondere wenn dann Notenbanken auch noch negative Zinsen beschließen. Dem Staat kann man damit zwar eine gute Stütze geben (Staatsfinanzierung), ihm vielleicht sogar die Möglichkeit geben die Neuverschuldung einzudämmen, doch dem Sparer, welcher im Schweiße seines Angesichts jeden Monat etwas auf die hohe Kante gelegt hat um damit seine unter Umständen kärgliche Rente aufzubessern, wird Kaufkraft entzogen.
Über Jahrzehnte wurden Versicherungen bzw. Anlageberater, welche ein stärkeres Augenmerk auf Aktien legten, als besonders risikofreudig eigestuft und als Spekulanten bezeichnet. Man stellte sogar infrage, ob bei Ihnen eine anlegergerechte Kapitalanlage umgesetzt wurde. Dem eher konservativen Anleger, und hierzu gehörte der wohl größte Teil der deutschen Anleger, empfahlen sich Sparbücher oder „sichere“ Staatsanleihen. Bei Null-Zinsen oder gar negativen Zinsen und gleichzeitig auch noch steigender Inflation spüren die konservativen Anleger den Kaufkraftschwund ihres sauer ersparten Notgroschens aber deutlich.
Für deutsche Staatsanleihen gibt es bis 15 Jahre Laufzeit negative Zinsen, in der Eurozone summieren sich die negativ verzinsten Staatsanleihen auf rund 7,7 Billionen €. Die nun aufkommende Inflation schlägt entsprechend richtig tiefe Kerben in die zukünftige Kaufkraft. Selbst wenn sich der Inflationsanstieg in den nächsten Jahren wieder verlangsamt, die Notenbanken sind definitiv nicht ihrer Aufgabe der Geldwertstabilität gerecht geworden. Sie finanzieren Staaten, machen die Reichen noch reicher, da ein Großteil der neu geschaffenen Liquidität in den letzten zehn Jahren nur den Weg an die Kapitalmärkte fand, was viele Sachwerte CPI- neutral deutlich an Wert steigen ließ und diese für die meisten Konsumenten unerschwinglich machte und hielt Zombieunternehmen am Leben, welche aufgrund ihrer Fehlpolitik längst den Weg zum Konkursrichter hätten gehen müssen.
Dies wiederum hat zu zahlreichen Verzerrungen in der Marktwirtschaft geführt, insbesondere der Mittelstand musste darunter leiden. Große Unternehmen mit Marktzugang konnten Anleihen mit negativem Zins begeben, der Mittelstand musste sich bei erhöhtem bürokratischen Aufwand unverändert um Kredite bei den Banken bemühen und mussten für den Kredit sogar noch Zinsen bezahlen. Entsprechend dürfte es keine Überraschung sein, dass sich in den Medien inzwischen die These breit macht: an Aktienanlagen kommt niemand vorbei, man signalisiert den Anlegern, dass es keine Alternativen gibt und mitunter versucht man sogar zu suggerieren, dass die Notenbanken einen Einbruch am Aktienmarkt nie mehr zulassen können, würden sie sonst doch viele Pensionsfonds insbesondere in den USA in den Konkurs treiben. Entsprechend dieser Auffassung wird unterstellt, dass die Notenbanken entweder bei negativen Zinsen noch mehr Liquidität in den Markt schieben oder letztlich sogar selbst am Aktienmarkt einschreiten, wie dies in Japan bereits Realität ist. Bedeutet dies nun, dass das risikolose Staatspapier, dessen Besitz inzwischen zu Strafzinsen führt, durch ein „risikoloses“ Aktienindexprodukt ersetzt wird?
Kommen wir zurück zum Thema Stagflation. Ist mit einem sich abschwächenden Konjunkturaufschwung zu rechnen oder wird sich der stabile Konjunkturaufschwung fortsetzen? Wird die Inflation weiter steigen oder auf erhöhtem Niveau verharren oder wieder zurückkommen? Betrachten wir hierzu einige Schlagworte: Energiekrise, Klimapolitik, Lieferketten Probleme, Pandemie, Arbeitsmarkt, Zins-/ Geldpolitik. Dies sind nur einige Einflussfaktoren, sie haben aber auf jeden Fall großen Einfluss auf die weitere Entwicklung.
Energiekrise/Klimapolitik
Die aktuelle Energiekrise ist zum Teil zu mindestens Folge der neuen Energiepolitik. Bis zum Jahr 2050 wollen die meisten Länder der Erde klimaneutral beim CO2-Ausstoß werden. Dieses Vorhaben versucht man nun über die unterschiedlichsten Regulierungsmaßnahmen voranzutreiben, selbst die Notenbanken haben sich diesem Ziel nun verschrieben. Das Ziel anzustreben ist eine sinnvolle Sache und man fragt sich warum man dies nicht schon viel früher getan hat. Über den Weg das Ziel zu erreichen kann man sich streiten, nicht selten gewinnt man den Eindruck, dass einige Lobbyisten hervorragende Arbeit geleistet haben. In den Medien findet man leider nur selten kritische Worte zu der ein oder anderen Entwicklung. Mitunter hat man sogar den Eindruck, dass der früher tendenziell kritische Journalist durch Journalisten ersetzt wurde, die dem Establishment bereitwillig folgen.
Ist das Elektroauto zum Beispiel der Weisheit letzter Schluss? Es ist wohl nicht mehr aufzuhalten, doch wer schreibt über die Umweltzerstörung bei der Lithiumgewinnung für die Batterien oder beim Kupfer (der Bedarf soll viermal so hoch sein wie bei einem Benziner), wer spricht über die Batterieentsorgung etc.? Professor Sinn vertritt die Überzeugung, dass ein Elektroauto erst dann weniger CO2 produziert, wenn man es mehr als 240.000 km gefahren hat. Wie viele Autos in Deutschland werden aber solange gefahren, bevor sie verkauft werden? Wie soll die neue Politik finanziert werden?
Bis 2030 erzwingt die Umsetzung der bereits beschlossenen Klimamaßnahmen in Deutschland Mehrinvestitionen in Höhe von 860 Milliarden €, also knapp 100 Milliarden € pro Jahr. Das zeigen Berechnungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie BDI und der Boston Consulting Group.
BCG-Experte Herhold sagte dem Handelsblatt, es brauche nun eine Diskussion über die Verteilung der Kosten und Lasten. Bei einer Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 80 % belaufen sich die Kosten aufgrund der Studie sogar auf mindestens 1,5 Billionen €. F. Erdle, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Metalle, befürchtet, dass die hohen Kosten Wachstum, Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Deutschland ist allerdings nur für 2 % des Ausstoßes weltweit insgesamt verantwortlich.
Um den Klimawandel erfolgreich zu bewältigen, muss ein Großteil der Welt mitspielen. Hier allerdings sieht der Chef von BlackRock, L. Fink, schon jetzt große Probleme. Er befürchtet, dass die Welt auf dem besten Weg ist, den Kampf gegen den Klimawandel zu verlieren, benötigen nach seiner Einschätzung alleine die Schwellenländer in den nächsten drei Jahrzehnten jährlich etwa 1 Billion $, um die CO2-Neutralität zu erreichen. Er verweist darauf, dass den Schwellenländer derzeit gerade einmal 150 Milliarden $ pro Jahr zur Verfügung stehen.
Ähnliche Probleme sieht auch die Bank of America in Bezug auf die USA. In ihrer Studie kommt man zu dem Ergebnis, dass in den nächsten 30 Jahren Kosten von 150 Billionen $ benötigt werden also rund 5.000.000.000.000-jährlich, was derzeit das Doppelte des Welt Bruttoinlandsprodukts wäre. Bei dieser Berechnung ist nicht einmal berücksichtigt, dass zwei wichtige Ressourcen wie Lithium und Nickel bereits 2024 Defizite aufweisen dürften und, dass eine Vielzahl von Engpässen auftreten werden.
Finanziert werden muss das ganze natürlich mithilfe der Notenbanken, welche hierfür bereits die nächsten QE-Programme in der Schublade liegen haben dürften. Die Bank of America erwartet von der grünen Politik eine zusätzliche Inflation von zunächst 3 % per anno, ein Effekt, der sich erst im Jahr 2035 wieder unter 2 % abschwächen wird. Sie hinterfragt in diesem Zusammenhang dann aber auch, wenn hierfür entsprechende Liquidität geschaffen wird, wo bleibt die Unterstützung für 1,8 Milliarden Menschen die unter absoluter Wasserknappheit leiden?
Die Studien gehen jetzt allerdings nur davon aus, welchen Investitionsbedarf die neue Politik hervorruft, sie berücksichtigen nicht, dass die grüne Politik auch dazu führt, dass zum Beispiel keine Investitionen mehr in die Erschließung neuer Ölfelder fließen, in neue Kohlevorkommen etc.. Entsprechend wird das Angebot in diesen Bereichen wie gewünscht geringer, was allerdings ebenfalls die Preise steigen lassen wird. Insgesamt kann unterstellt werden, dass die steigenden Energiepreise der letzten Monate nicht nur Pandemie bedingt gestiegen sind, der Anstieg dürfte sich unter Schwankungen fortsetzen. Dies kann unter Umständen sogar schneller geschehen als gewünscht, kommt der Aufbau der neuen Energien doch noch nicht so zügig voran, wie dies benötigt wird bzw. enttäuscht die Produktion aufgrund von zu wenig Wind etc.. Entsteht hierdurch Knappheit, dürfte dies die Preise zusätzlich treiben.
Lieferketten-Probleme
Engpässe bei den Lieferketten waren vorauszusehen, selbst ohne den Eintritt der Pandemie. Der grundsätzliche Auslöser dafür war eigentlich die Regierung Trump, welche in ihrem Handelskrieg mit China, aufgrund ihres zunehmenden Protektionismus, den Umbau der Lieferketten erzwang. Aufgrund einer breiten Palette von Sanktionsandrohungen und Verboten mussten die Unternehmen erkennen, dass sie ihre eigenen Verträge nur einhalten konnten, wenn sie entsprechend breit aufgestellt waren und nicht von China oder den USA abhängig waren (Deglobalisierung).
Entsprechend war bereits im Vorfeld der Pandemie eine Entwicklung zu beobachten, welche dazu führte, dass die Unternehmen ihre Produktion in verschiedene Länder verlagerten um diesen Sanktionen der beiden Supermächte zu entgehen. Der Umbau der Lieferketten führt aber in der Regel bereits zu Störanfälligkeit bzw. zu mindestens zu kurzfristigen Engpässen. Darüber hinaus müssen die Unternehmen die Losgrößen reduzieren, d. h. die Kosten steigen.
Eine jahrzehntelange Globalisierung führte zu fallenden Preisen, eine nun begonnene Deglobalisierung hingegen zu steigenden. Genau in diese Entwicklungsphase hinein trat die Pandemie und hat entsprechend zusätzliche Verwerfungen ausgelöst. Der Einbruch der Wirtschaft im Jahr 2020 hat pandemiebedingt dazu geführt, dass einige Marktteilnehmer entweder kurzfristig (Quarantäne) oder auch für immer (schuldenbedingt) den Markt verlassen mussten.
Im Rahmen der Globalisierung, welche über Jahrzehnte angehalten hat, ist die Lagerhaltung bei den Unternehmen deutlich geschrumpft (Kostenreduktion), die Rezession im Jahr 2020 führte dann auch noch zu entsprechenden Stornierungen von Aufträgen. Nachdem im Jahr 2021 unter anderem dank großzügiger Schecks seitens der US-Regierung sowie zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen weltweit die Nachfrage wieder deutlich anzog, konnte die Industrie in einigen Bereichen nicht schnell genug reagieren um die Produktion wieder hochzufahren. Wieviel Zeit hierfür benötigt wird, ist scheinbar schwer abzuschätzen.
Ging die US-Notenbank zunächst noch von kurzfristigen Irritationen aus, so spricht der US-Verkehrsminister inzwischen von Lieferkettenproblemen, welche in einigen Bereichen sogar Jahre andauern könnten. Die Deglobalisierung sowie der bereits damit verbundene Lageraufbau dürfte durch die Pandemie noch zusätzliche Impulse erhalten haben, was für den konjunkturellen Aufschwung positiv ist (nachhaltiger), was gleichzeitig aber auch die Kosten steigen lässt.
Natürlich werden einige Kosten wieder deutlich zurückkommen, das Vorkrisenniveau werden aber nur wenige erreichen. Die Transportkosten (Schiff) von China nach Amerika sind zum Beispiel von 2.000 $ pro Container in der Spitze auf 20.000 $ gestiegen. Einen derartigen Preisanstieg können die Unternehmen unmöglich in kurzer Zeit an die Konsumenten weitergeben, entsprechend steigen die Produzentenpreise wesentlich schneller als die Konsumentenpreise.
Auch wenn dieser Anstieg vorübergehender Natur ist und die Preise wieder auf vielleicht 10.000 $ zurückfallen werden, es ist anzunehmen, dass sie deutlich über den 2.000 $ bleiben werden zumal es noch wenigstens zwei Jahre dauert, bevor eine entsprechende neue Zahl von Containerschiffen zu See gelassen werden können. Die Unternehmen werden bestrebt sein, die höheren Kosten weiterzugeben, dies passiert aber in der Regel eher in kleinen Schritten. Umso nachhaltiger dürfte der Druck auf steigende Preise bleiben. Bis die Unternehmen die bereits bestehende Nachfrage befriedigen können und erst recht bis sie die neuen Lagerbestände aufgebaut haben, kann Monate wenn nicht gar Jahre dauern. Erst danach ist wieder mit verstärktem Preisdruck nach unten zu rechnen.
Betrachten wir einige Preisentwicklungen
Der September-Lebensmittelpreisindex der Ernährung und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen meldet einen Anstieg seines Index um 32,8 %, die Großhandelspreise in Deutschland stiegen so stark wie zuletzt 1974 mit +13,2 %, laut dem Statistische Bundesamt stiegen die Preise bei Erzen, Metallen und Vorprodukten aus Metall um 62,8 %, roh und Schnittholz um 54,6 % bzw.
Mineralölerzeugnisse um 42,3 %, die Produzentenpreise in Deutschland stiegen um 14,2 % (47 Jahreshoch), die Konsumentenpreise in Deutschland stiegen nur um 4,1 % (28 Jahreshoch), Bäcker berichten von einem Anstieg der Weizenpreise um 25 % und einzelner Mehlsorten bis zu 80 %, die Importpreise in den USA stiegen um 9,2 %, Kraft Heinz warnt Käufer: „Gewöhnen Sie sich daran mehr für Lebensmittel zu bezahlen“. Der Chef des Unternehmens sagte: „Wir erhöhen die Preise auf der ganzen Welt“, Unilever kündigt an, dass Waschmittel und Lebensmittel 4 % teurer werden (FAZ 22. Oktober 2021) und nun muss auch noch aufgrund von Exportbeschränkungen für Düngemittel aus China mit weiter steigenden Preisen in der Landwirtschaft gerechnet werden.
Arbeitsmarkt
Insbesondere am Arbeitsmarkt in den USA sind strukturelle Veränderungen zu beobachten. Der letzte JOLTS-Bericht meldet einen Anstieg der Kündigungen um 242.000 auf ein neues Allzeithoch von 4,27 Millionen. Gemäß dem letzten Arbeitsbericht haben in den letzten zwölf Monaten 15 Millionen Menschen ihren Job verloren bzw. gekündigt. Immer mehr Arbeitnehmer kündigen um einen höher bezahlten Beruf und bessere Arbeitsbedingungen zu erhalten. Gemäß den Recherchen der Notenbank von Atlanta erhalten die Jobwechsler 5,4 % mehr Lohn beim Antritt einer neuen Stelle. Auch in anderen Ländern kommt es zu verstärkten Lohnanstiegen, zum Beispiel in China und Vietnam.
Nun kommt noch die demographische Entwicklung dazu, welche in vielen Ländern dazu führen wird, dass das Arbeitnehmerpotential rückläufig sein wird. In den USA, wo Menschen auch gerne noch mit über 70 Jahren arbeiten, hat die Pandemie allerdings dazu geführt, dass sich viele von ihnen nun in den Ruhestand zurückgezogen haben. Nur wenige von ihnen dürften nach der Pandemie zurückkehren. In Deutschland scheinen die Arbeitnehmer sowieso unwillig zu sein zu arbeiten, gemäß der letzten Umfrage möchte keiner länger als mit 63 Jahren arbeiten. Über die Finanzierung der Rente macht sich keiner Gedanken, ist den Menschen das Umlagesystem der deutschen Regierung in der Regel doch gar nicht bekannt. Insgesamt kann man also davon ausgehen, dass es in vielen Bereichen künftig einen Arbeitskräftemangel geben wird, selbst wenn in der Autoindustrie z.B. eine große Zahl von Arbeitsplätzen vernichtet wird (grüne Politik). Die Unternehmen werden darauf reagieren und die Automatisierung vorantreiben, doch dies benötigt Zeit.
Zunächst muss also damit gerechnet werden, dass die Löhne weiter steigen werden und dass die steigende Inflation, je länger sie andauert, auch die Forderungen der Arbeitnehmer erhöhen wird.
Zins und Geldpolitik
Die steigende Inflation scheint die europäische Notenbank noch nicht zu interessieren, in anderen Ländern nimmt man sie ernster und reagiert bereits.
In immer mehr Ländern wurden die Zinsen in den letzten Monaten angehoben und in den USA hat die Notenbank nun beschlossen mit dem Tapering zu beginnen, dies heißt der Liquiditätszufluss an die Märkte wird abebben. Dies wiederum führt bereits zu steigenden Zinsen, der Anstieg ist bisher allerdings marginal und hilft den Anlegern noch nicht.
Ganz im Gegenteil, Besitzer von langlaufenden Anleihen mussten bereits erste Kursverluste hinnehmen. Ein positiver Realzins aber ist auf absehbare Zeit kaum zu erwarten. Fällt die US-Notenbank nun aber als Käufer von Staatsschulden aus, stellt sich die Frage, wer die Ambition haben wird die ambitiösen Konjunkturprogramme der US-Regierung zu finanzieren. Müssen diese aufgrund der Unfinanzierbarkeit deutlich reduziert werden? Noch ist der konjunkturelle Aufschwung sehr stark und auch nächstes Jahr dürfte er aufgrund der anstehenden Lageraufstockung und der derzeitigen Lieferengpässe seinen positiven Trend fortsetzen. Auch wenn die Notenbank den Zins im nächsten Jahr nicht anheben sollte, stellt sich die Frage ob steigende Marktzinsen nicht die Investitionstätigkeit eindämmt und der Aufschwung damit unter Umständen deutlich an Fahrt verliert. Dies gilt umso mehr wenn man bedenkt, dass Pandemie und Inflationsanstieg inzwischen zu einem deutlichen Rückgang des Konsumentenvertrauens geführt hat und der Konsum in den USA 70 % des BIPs ausmacht.
Die Notenbank von Atlanta läutet bereits die Alarmglocken und erwartet im dritten Quartal des laufenden Jahres nur noch ein Wachstum von 0,5 %, im Mai prognostizierte sie noch einen Anstieg um 14 %. Goldman Sachs hat seine Prognosen für nächstes Jahr ebenfalls reduziert, im ersten Quartal erwartet man noch ein Wachstum von 4,5 %, im zweiten Quartal von 4 %, im dritten Quartal von 3 % und im vierten Quartal nur noch von 1,75 %. Auch Morgan Stanley wird skeptischer in seinen Erwartungen und verweist darauf, dass nur ein Drittel der 2 Billionen staatliche Zuschüsse bei den unteren 80 % der Bevölkerung angekommen sei und sie diese Liquidität bereits verkonsumiert haben, während nur noch die oberen 20 % über Restgelder von den Billionen Covid Stimulus verfügen.
Gelingt es der US-Regierung nicht, ihr soziales Konjunkturprogramm durchzubringen und damit dem Konsum neue Impulse zu geben, würde dies den Aufschwung bereits per se gefährden. Nun kommt aber noch hinzu, dass auch in China das Wachstum deutlich an Schwung verloren hat und eine Überreglementierung in einigen Bereichen, die Klimaziele der Regierung aber auch die Immobilienkrise den Aufschwung im nächsten Jahr bremsen werden. Dies wird sich verstärkt auf das Wachstum der Weltwirtschaft auswirken. NDR hat bereits seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr von 6,1 % auf 5,6 % reduziert.
Für das nächste Jahr sieht das Team weitere Abwärtsrisiken, hierzu gehören insbesondere Covid, Inflation bzw. Lieferkettenunterbrechungen. Der IWF erwartet im nächsten Jahr noch einen Anstieg des Welt BIPs von 4,9 %. Die OECD geht sogar davon aus, dass sich das Welt Wirtschaftswachstum bis zum Jahr 2030 auf 2 % reduzieren wird.
Fazit
Ein Blick auf die Aktienmärkte und man könnte meinen, wir leben in der besten aller Zeiten. Dies ist aber mit Sicherheit nicht der Fall. Noch werden die Aktienmärkte von einer Unmenge frisch gedruckter Liquidität nach oben getrieben und von Algorithmen gesteuerten Anlagemodellen unterstützt. Dies hat insbesondere in den USA bereits zu einer massiven Überbewertung geführt und die Anleger dazu verführt, überdurchschnittliche Risiken einzugehen.
Die meisten Anleger besitzen inzwischen zu große Aktienpositionen und haben diese auch noch überdurchschnittlich stark auf Kredit (Niedrigzins) gekauft. Die beste Zeit am Aktienmarkt zu investieren ist allerdings die Zeit, in welcher der Zins sinkt, die Notenbanken Liquidität in die Märkte pumpen und die Wirtschaft dieses Geld aufgrund geringen Wachstums nicht benötigt.
Nun will aber die größte Notenbank der Welt die Liquiditätszufuhr in den nächsten Monaten auf Null zurückführen, die Zinsen steigen und der Konjunkturaufschwung hält an. Ned Davis verweist darauf, dass Investitionen, welche auf einem derartigen Niveau getätigt werden, auf Sicht von zehn Jahren keinen Ertrag erwarten lassen. Doch nun soll in Deutschland auch noch staatliches Aktiensparen propagiert werden; ob dies der richtige Zeitpunkt ist, ist fraglich.
Noch halten die Aufwärtstrends (Aktienmarkt, Konjunktur). Die Risiken sind aber deutlich gestiegen und wie wir aus dem bisherigen Bericht schließen können, kann eine Stagflationsphase nicht ausgeschlossen werden. Es ist allerdings sehr schwierig zu beurteilen. ob die Nachfrage aufgrund der gestiegenen Preise schneller nachlässt als man dies derzeit erwartet. Damit würde die Inflation entsprechend weniger gefährlich, doch damit wäre auch das Risiko einer deutlichen konjunkturellen Abschwächung verbunden.
Wie schnell Lieferkettenprobleme gelöst werden können, kann wohl niemand beantworten, es wird in jeder Branche Unterschiede geben. Entsprechend kann es an der Preisfront in einigen Bereichen eine Entspannung geben, während es in anderen Bereichen sogar zu einer Verschärfung kommt. Am Arbeitsmarkt dürfte es eine Entspannung geben, doch wohl nur bei steigenden Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen.
Bei der Pandemie wird ein Gewöhnungseffekt einsetzen, sie wird danach aber einige Lebensbereiche und Strukturen verändert haben. Auch hier werden die Auswirkungen erst später quantifizierbar sein.
Die Klimapolitik wird noch über Jahre inflationäre Impulse senden, sie wird Arbeitsplätze vernichten und Arbeitsplätze schaffen, auf jeden Fall wird sie die Kostenseite enorm belasten und nur wenn man weltweit an den Klimazielen festhält, wird es auch entsprechende Fortschritte geben. Deutschland alleine mit seinem zweiprozentigen Anteil wird eine überdurchschnittliche Rechnung zahlen, sind andere Länder doch dabei, z.B. die Zahl der Atomkraftwerke deutlich zu verstärken (zum Beispiel Frankreich, China) um so ihren Beitrag zur sauberen Energie zu liefern. Insbesondere Frankreich wird den Strom produzieren um Deutschland teuer zu versorgen. Solaranlagen kauft man bereits verstärkt in fernen Ländern, auch die Windkraft verliert in der Eurozone an Bedeutung, wie die Schließung des Werkes von Vestas am 20. September 2021 belegen.
Auf Sicht der nächsten Monate allerdings ist kaum mit einer Entspannung bei der Preisentwicklung zu rechnen, dürften die Lieferkettenprobleme doch zu mindestens die nächsten Monate bestehen bleiben und darüber hinaus werden die meisten Unternehmen die deutlich gestiegenen Produzentenpreise zu mindestens zum Teil noch weitergeben um ihre Gewinnmargen nicht zu stark unter Druck zu bringen.
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass es in einigen Bereichen zu einer deutlichen Abschwächung der Inflation kommen wird, dass sie in anderen Bereichen aber hartnäckig bestehen bleibt oder sich sogar noch verstärken wird. Somit sollten Konsumenten wie Anleger damit rechnen, dass die Inflation noch über Monate hinweg bei mindestens 4 % liegen wird und voraussichtlich auch im nächsten Jahr nicht unter 3 % sinken wird (USA).
Damit ist natürlich die Gefahr verbunden, dass die Inflationserwartungen weiter ansteigen, in den USA liegen sie auf 3 Jahresbasis bereits bei 4 Prozent. Steigende Inflationserwartungen schüren aber auch steigende Lohnerwartungen, was wiederum in einem zu mindestens überschaubaren Zeitrahmen eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnte und damit die Inflation unter Umständen über Jahre auf über 3 % halten könnte.
Die Notenbanken streben lediglich 2 % Inflation an, dieses Ziel wird man auch irgendwann wieder erreichen, spätestens wenn das konjunkturelle Wachstum sich deutlich abschwächt oder gar eine neuerliche Rezession bevorsteht. Unterstellt man die Wachstumsprognosen von Goldman Sachs, so besteht nach obiger Definition eindeutig das Risiko einer bevorstehenden Stagflation. In den USA hat die Regierung in der Pandemiezeit eine künstliche Nachfrage geschaffen, welche im September ausgelaufen ist und das neue soziale Konjunkturprogramm steht noch nicht. Hohe Inflationszahlen und steigende Zinsen können die Wirtschaft schon im nächsten Jahr belasten, die US-Wirtschaft benötigt dringend das von der Regierung in Aussicht gestellte Konjunkturprogramm.
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