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13:36 Uhr, 08.05.2024

Berufsbildungsbericht: Mehr Ausbildungsverträge - aber "Passungsprobleme"

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Der deutsche Ausbildungsmarkt hat sich nach Angaben der Bundesregierung im 2023 abgelaufenen Ausbildungsjahr zwar positiv entwickelt, es gab aber auch zunehmend "Passungsprobleme" zwischen potenziellen Auszubildenden und Ausbildungsplätzen. "Zum dritten Mal in Folge ist die Zahl der Ausbildungsverträge angestiegen, im Jahr 2023 um 3 Prozent auf fast 490.000 Ausbildungsverträge, und der positive Trend im Ausbildungsmarkt, er verstetigt sich", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zu dem vom Kabinett beschlossenen neuen Berufsbildungsbericht. "Das ist eine positive Entwicklung, auf der wir aufbauen können."

Auch beim Anteil der Auszubildenden die nach Abschluss der Ausbildung übernommen worden seien, sei der Anteil gestiegen. "Wir liegen auf einem hohen Niveau von nun 77 Prozent", sagte sie. Allerdings zeige sich deutlich, "dass wir einen Teil der jungen Menschen nicht mehr erreichen, um sie für den Ausbildungsmarkt zu interessieren". Dieser Anteil sei größer geworden. So seien zuletzt mehr junge Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz erfolglos geblieben, obwohl Betriebe noch Bedarf hätten. "Wir haben ein Passungsproblem zwischen Bewerberinnen und Bewerbern und den angebotenen Stellen im Markt", betonte Stark-Watzinger. Es gelte deshalb, zusammen mit den Ländern die berufliche Orientierung zu stärken.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer forderte, junge Menschen und Ausbildungsbetriebe besser zusammenzubringen. "Der Blick in den neuen Berufsbildungsbericht zeigt einige erfreuliche Entwicklungen", sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Dazu gehöre insbesondere der deutliche Anstieg der neuen Ausbildungsverträge. Gleichwohl gebe es weiterhin Herausforderungen. So habe die Anzahl unbesetzter Ausbildungsstellen zum vierten Mal in Folge zugelegt. "Daher bleibt es eine gemeinsame Aufgabe, junge Menschen und Ausbildungsbetriebe besser zusammenzubringen", sagte Dercks. Schülerinnen und Schüler brauchten eine ausgewogene Berufsorientierung mit frühzeitigen betrieblichen Praktika. Auch die Gymnasien müssten verbindlich über duale Ausbildung informieren.

Vorfahrt für betriebliche Ausbildung gefordert 

Wichtig sei, die jungen Menschen mit ihren individuellen Fähigkeiten möglichst passgenau in Betriebe zu vermitteln. Dazu sollten die Jugendberufsagenturen unter Beteiligung der Industrie- und Handelskammern bundesweit gestärkt und zur ersten Anlaufstelle für junge Menschen bei der Berufswahl werden. "Betriebliche Ausbildung muss dabei stets Vorfahrt vor außerbetrieblicher Ausbildung haben", forderte Dercks. Viele Betriebe seien bereit, auch schwächeren Bewerbern eine Chance zu geben. Förderangebote wie Einstiegsqualifizierungen, assistierte Ausbildung und Mentorenprogramme sollten noch bekannter gemacht und weiterentwickelt werden.

Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, verwies auf einen "Handlungsbedarf bei der Berufsorientierung". Es sei gut, dass der diesjährige Berufsbildungsbericht der Regierung betone, wie wichtig die berufliche Aus- und Weiterbildung sei, um Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Deutschland umzusetzen. "Um ausreichend handwerkliche Fachkräfte für die Transformationsprozesse zu sichern, müssen die bildungspolitischen Entscheidungen der großen Bedeutung und notwendigen Wertschätzung der beruflichen Bildung Rechnung tragen", betonte er. Es sei Zeit für eine "Bildungswende", die echte Gleichwertigkeit der beruflichen und universitären Bildung schaffe.

Gerade weil die berufliche Ausbildung der beste Weg in die Fachkräftesicherung sei, müsse jetzt politisches Handeln folgen, durch das mehr junge Menschen für eine Ausbildung begeistert würden. Dafür müsse insbesondere die Berufsorientierung bundesweit in sämtlichen allgemeinbildenden Schulen, vor allem auch an Gymnasien, ausgebaut werden. Auch mit der Förderung des Azubi- und Jugendwohnens und dem Angebot eines kostenreduzierten deutschlandweiten Azubitickets müsse ein unmittelbarer Beitrag geleistet werden, um eine duale Ausbildung bei jungen Menschen attraktiver zu machen.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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