Kommentar
12:17 Uhr, 21.10.2015

Beginn des nächsten Abschwungs näher als Licht am Ende des Tunnels

Von einem für die Anleger schweren Quartal zu sprechen, wäre eine glatte Untertreibung, denn sowohl die Märkte als auch das Vertrauen der Investoren haben zuletzt einen der heftigsten Dämpfer der letzten Jahre erlitten. Wir alle haben von den Herausforderungen, vor denen China steht, ebenso gehört oder darüber gelesen wie von deren möglichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Allerdings geht es dabei um mehr als lediglich die Frage, wie China und die Industriestaaten mit dem unvermeidlichen Konjunkturabschwung in China umgehen. Bisher hat der MSCI World-Index (in USD auf Gesamtertragsbasis gerechnet) im III. Quartal 8,3 Prozent verloren, obwohl es sich angesichts der heftigen Kursverluste in einigen Sektoren manchmal sogar noch schlimmer anfühlt.

Je nachdem, von welchem Ausgangspunkt aus man die Dinge betrachtet, sind seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise mittlerweile sieben oder acht Jahre vergangen. Wenn Sie mich fragen, so hat die Krise mit der Gewinnwarnung der HSBC im Februar 2007 begonnen. Damals senkte die Bank ihre Gewinnprognosen, weil die Zahl der „Problemkredite“ bei ihrer kurz zuvor übernommenen US-Tochter für Subprime-Hypotheken Überhand nahm. Obwohl es noch bis 2008 dauerte, bis die Krise schließlich mit voller Wucht ausbrach, spricht die Vergangenheit dafür, dass wir uns zurzeit eher am Beginn des nächsten Abschwungs als am Ende der zurückliegenden Abwärtstendenz befinden. Das Problem besteht darin, dass die etablierten Volkswirtschaften trotz einer extrem lockeren Geldmarktpolitik (mit einem Zinsniveau von 0 Prozent und einer infolge der weltweit ergriffenen quantitativen Lockerungsmaßnahmen im Überfluss vorhandenen Liquidität) momentan bestenfalls ein mäßiges Wirtschaftswachstum vorlegen. Wir gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft im Jahr 2016 um lediglich 3,5 Prozent und damit wesentlich moderater wachsen wird als die Industriestaaten. In den USA, dem besten aller etablierten Märkte, bleiben die Wachstumsprognosen unter Druck, wodurch der Spielraum der Behörden, das Zinsniveau allmählich wieder zu normalisieren, eingeschränkt wird. In Europa wiederum könnte das Wachstum im nächsten Jahr zwar wieder anziehen, aber auf lediglich 1,5 Prozent – und das trotz umfassender monetärer Ankurbelungsmaßnahmen, eines wesentlich schwächeren Euros sowie eines deutlichen Rückgangs der Energiepreise. Sogar in Japan, wo die quantitativen Lockerungsmaßnahmen mittlerweile 14 Prozent des jährlichen BIP entsprechen, sind Wachstum und Inflation nur sehr schwer zu erreichen. So dürfte die Wirtschaft Japans im kommenden Jahr um höchstens 1,5 Prozent wachsen.

Aus diesen Gründen sind die Entwicklungen in China auch von so großer Bedeutung, denn sie sind für das derzeit lediglich schleppende Wachstum maßgeblich verantwortlich. Da die kreditfinanzierten Investitionsausgaben zwangsläufig sinken müssen und letztlich sogar völlig zum Stillstand kommen könnten, wird dies gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem haben. Was die Rohstoffpreise betrifft, so sind die Preise für Öl und Industriemetalle zuletzt bereits massiv eingebrochen, weil der entsprechende Verbrauch zurückgegangen ist. Da immer neue Ölquellen erschlossen werden und die OPEC nicht bereit ist, die Förderung zu drosseln, ist der Ölpreis inzwischen auf ein Niveau gesunken, das man sich in der Vergangenheit nur schwer vorstellen konnte. Obwohl dies für die Verbraucher in den westlichen Industriestaaten im Endeffekt einer dringend benötigten Steuererleichterung gleichkam, scheinen sie das dadurch eingesparte Geld bisher aber eher auf die hohe Kante zu legen als auszugeben. Für ölfördernde Länder könnte diese Entwicklung allerdings katastrophale Folgen haben, weil ihre Staatshaushalte dadurch unter enormen Druck geraten, so dass zunehmend teure (und mittlerweile teilweise sogar unerschwingliche) Sozialhilfeprogramme in den Fokus rücken. Dies wiederum hat die Währungen vieler Schwellenländer belastet, so dass eine große Zahl dieser Volkswirtschaften nun gezwungen ist, eine pro-zyklische Zinsstrategie umzusetzen, um ihre Währungen vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren. Alle diese Faktoren beeinträchtigten aber das Weltwirtschaftswachstum und ziehen damit auch das Finanzsystem in Mitleidenschaft. Gleichzeitig lässt sich zwar nur schwer vorhersagen, wie sich die Lage in Zukunft entwickeln wird, es ist aber klar, dass die Prognosen für das Weltwirtschaftswachstum weiter nach unten korrigiert werden.

Warum die etablierten Industriestaaten trotz der vielfältigen geldmarktpolitischen Ankurbelungsmaßnahmen ein derart mäßiges Wachstum vorlegen, lässt sich nur schwer erklären. Vielleicht verbirgt sich dahinter ja die unsichtbare Kraft des Schuldenabbaus, da wir aktuell mit der übermäßig hohen Verschuldung zu kämpfen haben, die während der sogenannten „Nullerjahre“ aufgehäuft worden ist. Vielleicht sind es aber auch die ungünstige demografische Entwicklung oder das Fehlen von Produktivitätssteigerungen. Wie dem auch sei: Ein Abschwung der chinesischen Wirtschaft ist immer eine schlechte Nachricht, weil das Wachstum in diesem Land letztlich so wichtig ist. Außerdem ist zu befürchten, dass die Behörden nicht mehr viel tun können, um die Wirtschaft anzukurbeln, falls das Weltwirtschaftswachstum tatsächlich unter Druck geraten sollte. Schließlich liegen die Zinsen ja bereits bei 0 Prozent, während sich die QE-Maßnahmen als nur begrenzt erfolgreich erwiesen haben. Und nicht zuletzt werden die Staaten auch durch ihre Haushaltsdefizite eingeschränkt, Geld in die Hand zu nehmen, um sich aus dieser misslichen Lage zu befreien. Ganz grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sich das BIP-Wachstum Chinas auf (immerhin noch) 5 Prozent p.a. abschwächen könnte. In diesem Fall müssten wir nicht abwarten, welche geldmarktpolitischen Schritte Peking als nächstes tun wird, da womöglich gar keine weiteren umfassenden Ankurbelungsmaßnahmen erforderlich sind. Unabhängig davon, wie das Ganze letztlich ausgehen wird, scheint jedoch klar zu sein, dass die Zinsen wohl noch längere Zeit niedrig bleiben werden. Außerdem dürften die Zinsen insgesamt nicht so stark ansteigen wie in früheren Zyklen.

Bevor man jetzt aber in allzu großen Trübsinn verfällt: Es gibt in diesem Zusammenhang auch ein paar gute Nachrichten. Nachdem aktive Manager zuletzt über Jahre hinweg Marktanteile an Anbieter passiver Anlagelösungen verloren haben, kämpfen sie sich jetzt wieder zurück. So hat der durchschnittliche aktive Manager in Europa und Großbritannien in diesem Jahr den entsprechenden Index um rund 3 bis 5 Prozent übertroffen, und unsere eigenen Fonds haben sich größtenteils sogar noch besser entwickelt. Unter Berücksichtigung unserer zurückhaltenden Positionierung und unseres vorsichtigen Anlagestils sind wir in marktbreiten Energie- und Rohstofftiteln sehr stark untergewichtet. So konnten wir als unbeteiligte Zuschauer beobachten, wie die Aktienkurse vieler einstmals mächtiger Unternehmen unter der Last immer neuer Gewinnherabstufungen eingebrochen sind. Und für jene Firmen, die gleichzeitig auch noch schlecht finanziert sind, könnte sich die Lage sogar noch verschlimmern, so dass in Zukunft mit einigen Insolvenzen zu rechnen ist. Dies spiegelt sich in den Zinsdifferenzen bereits wider, denn die Spreads von Hochzinsanleihen gegenüber britischen Staatsanleihen (Gilts) haben von einem Tief von 300 BP aus dem Jahr 2014 zuletzt auf fast 600 BP ausgeweitet. Unserer Meinung nach werden robuste Prozesse bei der Einzeltitelselektion, beim Risikomanagement sowie bei der Portfoliostrukturierung deshalb auch in Zukunft entscheidend sein, da sich das Umfeld zusehends eintrübt.

Dankenswerterweise handelt es sich dabei um Bereiche, in denen wir brillieren können. Obwohl wir es derzeit mit dem wohl schwierigsten volkswirtschaftlichen und marktspezifischen Umfeld seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise zu tun haben, sind wir fest davon überzeugt, dass wir gut aufgestellt sind, um für unsere Kunden auch weiterhin gute Ergebnisse zu erzielen. Gleichzeitig sind wir mit unserer Performance im Vergleich zu unseren Mitbewerbern sehr zufrieden, zumal sich bei uns nur einige wenige Segmente schwach entwickelt haben. Allerdings ist aktuell ein besonders hohes Maß an Konzentration und Umsicht gefragt. Dem werden wir beim Portfoliomanagement auch in Zukunft stets Rechnung tragen.

Autor: Mark Burgess, CIO für die Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) und globaler Aktienchef bei Columbia Threadneedle Investments

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