BDI erwartet "marginales" Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat Deutschland für dieses Jahr einen konjunkturellen "Stillstand" bescheinigt. Für das gerade begonnene Jahr 2024 rechne der BDI mit einem "marginalen" Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent in Deutschland, während die Weltwirtschaft mit 2,9 Prozent wachsen werde, gab der Verband in Berlin bekannt. "Im Vergleich zu den meisten anderen großen Industrieländern fällt unser Land weiter zurück", warnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Eine Chance auf einen raschen Befreiungsschlag 2024 sehen wir nicht."
Geopolitisch und binnenwirtschaftlich stelle sich vieles zu Beginn des Jahres noch schwieriger dar als 2023. Das minimale Wachstum in Deutschland werde getragen vom privaten Konsum, der Impulse vom Rückgang der Inflation und von der Stärkung der Kaufkraft erhalte, vor allem durch die Lohnsteigerungen in vielen Branchen und die Erhöhung von Sozialtransfers. Zum konjunkturellen "Lichtblick" im Jahresverlauf könne die Zinspolitik der Zentralbanken werden. Die Rückführung der Inflationsraten komme voran. Damit steige die Aussicht auf allmähliche Zinssenkungen. Spürbare Effekte in der Realwirtschaft werde dies aber erst ab dem Frühjahr 2025 auslösen, so Russwurm.
Mit Blick auf Deutschland sagte der BDI-Präsident, die Politik habe sich in eine "Komplexitätsfalle" manövriert und erhöhe beim Ringen um Auswege die Komplexität noch weiter, ohne überzeugende Fortschritte zu machen. Das koste Vertrauen und führe zu Verunsicherung bei Unternehmen und Bevölkerung. Wirtschaftlich fehle dadurch jede verlässliche Kalkulationsbasis für Investitionen. Russwurm rief die Parteien auf, gemeinsam zu Entscheidungen zu kommen, die das Land dringend brauche. "Die gemeinsamen Beschlüsse zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren in 2023 waren richtig und helfen definitiv. Aber einmaliges Aufraffen genügt bei weitem nicht", sagte er.
Als eines der Kernthemen mit längst überfälligem Handlungsbedarf nannte er die Strategie zum Bau von wasserstofffähigen Back-up-Kraftwerken für die Energiewende. Solange ein Neubau nicht in Gang komme, weil Geschäftsmodelle und Finanzierung ungeklärt seien, bleibe Deutschland auf den Weiterbetrieb von Kohlekraftwerken angewiesen. Die deutsche Industrie wünsche sich mehr Europa, aber richtig, sagte Russwurm. Scharf kritisierte er Pläne für das europäische Lieferkettengesetz und den Regulierungsrahmen für Künstliche Intelligenz. "Wir brauchen einen Binnenmarkt, der wegen seiner Größenvorteile auch das Skalieren zukunftsweisender industrieller Wertschöpfung erlaubt", mahnte er.
Mit Blick auf die Landtagswahlen in Deutschland appellierte Russwurm an Besonnenheit und Vernunft. "Wir wollen und wir brauchen eine offene Gesellschaft und die Bereitschaft und Fähigkeit zum politischen Diskurs und zum demokratischen Kompromiss", sagte der Industriepräsident. Das erfordere mehr Gemeinsamkeit der Demokraten, nicht nur, um fundamentalen Handlungs- und Modernisierungsbedarf endlich entschlossen anzugehen, sondern auch, um Demokratie und Freiheit zu schützen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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