Kommentar
10:56 Uhr, 08.02.2006

Barrick Gold: Die falsch verstandene Hedging-Politik

Goldminen sind ein „heißes Eisen“. Denn normalerweise steigen ihre Aktien überproportional mit dem Goldpreis, sie fallen aber auch überproportional, wenn der Goldpreis sinkt. Denn anders als beim Rest der Unternehmenswelt werden Goldminen nicht nach ihrer Price-Earning-Ratio, sondern nach dem Barwert ihrer Reserven minus dem Barwert ihrer Explorationskosten bewertet. Diese so berechnete Differenz wird auf die Einzelaktie umgelegt und mit dem 2- bis 3fachen bewertet. Das ergibt dann den angemessenen Preis der Aktie. Für Barrick Gold kommen die Analysten zur Zeit auf ein Kursziel von ca. 45 US Dollar. Das entspräche immerhin einer möglichen Kurssteigerung für die Aktie von 50%. Allerdings unterliegt der Barwert großen Schwankungen, denn es gibt keine Mine, die ihre Produktionskosten nicht von Quartal zu Quartal korrigieren müsste, weil unvorhergesehene Unfälle, Veränderungen der Zusammensetzung des Rohmaterials, Streiks, Energieprobleme usw. auftreten können, die den Barwert der Kosten erhöhen. Auf der anderen Seite kann der Goldpreis sinken. Dann würde auch der Barwert der Reserven sofort angepasst. Hohe Kursziele für Goldminen sind also nur für Leute, die mit anziehenden Goldpreisen rechnen, und ansonsten den Schätzungen der Explorationskosten vertrauen, die von den Goldminen einmal pro Quartal veröffentlicht werden. Diese Zahlen muss man dann aber auch genau analysieren, wozu nur wenige Experten in der Lage sind.

Hinzu kommt ein zweites Risiko: Um sich vor einem Preisverfall des Goldes zu schützen, verkaufen die Goldminen oft mehrere Jahresproduktionen per Termin, so dass sie von Preissteigerungen dann auch nicht mehr profitieren. Sie werden zu dieser Politik jedoch auch gezwungen, denn der Goldpreis könnte ja plötzlich so stark fallen, dass er für längere Zeit die Produktionskosten nicht mehr abdeckt. Sollte dann aber nach einer solchen Absicherung der Goldpreis kräftig steigen, würden in der „mark to market“ Bewertung dieses Hedgebuches hohe Verluste sichtbar werden. Allerdings stünden diesen reinen Buchverlusten auch entsprechend höher bewertete Goldreserven gegenüber, so dass es letztlich allein auf den Zeitraum ankommt, für den diese Absicherung vorgenommen wurde. Geht es nur um ein bis zwei Jahre, so ist wohl nichts dagegen einzuwenden, denn das „Hegdebuch“ kann ja immer weiter gerollt werden. Geht es dagegen um eine Reihe von Jahren, wäre das bei steigenden Preisen – allerdings nur im Vergleich zu anderen Minen – nachteilhaft, weil dann der Cash Flow des Unternehmens nachhaltiger als bei der Konkurrenz geschwächt wäre und der Barwert der Erträge entsprechend reduziert werden müsste. Ganz abgesehen davon ist natürlich ein hohes Hedgebuch bei stark sinkendenden Preisen ein unschätzbarer Vorteil für die Mine. Barrick Gold liegt hier mit einem Buch, das ungefähr einer geplanten Jahresproduktion entspricht, im Vergleich zur Konkurrenz gut. Allerdings führt Barrick noch ein zweites Hedgebuch in Höhe von 6,5 Mio. Unzen, das dem Projekt in Pascua-Lama zugeordnet wurde. Es wurde für den Zeitraum von 2009 bis 2017 abgeschlossen, der dem ersten Abschnitt der Exploration dieser Mine entspricht. Allerdings liegt für diese Mine noch keine endgültige Genehmigung vor, die von Chile und Argentinien erteilt werden muss, weil sie im Grenzgebiet beider Länder liegt. Bei Pascua-Lama wollte Barrick auf der sicheren Seite sein, um nicht bei dem noch entfernt liegenden Produktionsbeginn durch zu niedrige Goldpreise überrascht zu werden. Wenn alles schief ginge, würde also das gesamte Hedgebuch knapp unter zwei Jahresproduktionen liegen. Wir verstehen deshalb die „Unkenrufe“ einiger selbsternannter Goldspezialisten nicht, die Barrick wegen dieser Buchverluste bereits nahe der „Pleite“ sehen, zumal sich bei einem Verfall des Goldpreises das Hedgebuch wieder verbessern würde. Verständlich ist das Geschrei aber schon, denn Spekulanten leiden natürlich unter der Hedgepolitik der Minen, weil durch sie Gold- und Silberpreise immer wieder unter Druck geraten. Aber das gehört nun einmal zum „Spiel“ dazu.

Barrick Gold bleibt unter den Goldminen unser Favorit, denn sie hat auch in schwierigen Zeiten trotz heftiger Kritik der Analysten nie Kosten gescheut, um neue Goldvorkommen zu entdecken und zu erschließen. Und natürlich hat nur ein sehr großes Unternehmen auch die finanziellen Möglichkeiten, eine solche Explorationspolitik mit der notwendigen Disziplin durchzuhalten. Barrick steht deshalb einzig unter ihren Konkurrenten, auch gegenüber ihrem größten Mitbewerber Newmont Mining, da. Fast jedes Quartal geht eine neue Mine in Produktion, wobei sich die Produktionsschwerpunkte von Nordamerika auf die ganze Welt verlagern werden. Hierzu eine Tabelle:

Produktion 2004 in % Reserven 2004 in %
Nordamerika 60 27
Südamerika 13 47
Australien 20 14
Afrika 7 12

Barrick Gold hat 2005 ungefähr 5,2 Mio. Unzen produziert. Bis 2007 soll die Produktion (ohne Placer Dome) auf 7 Mio. Unzen steigen, also immerhin um ca. 35%. Diese Zahl erscheint realistisch. Denn Barrick hat diese Vorgabe im dritten Quartal 2005 (hochgerechnet aufs Jahr) schon fast erreicht, nachdem die neue Mine in Lagunas Norte (Peru) in Betrieb genommen wurde. Auffallend ist auch, dass die Produktionskosten der neuen Minen deutlich unter den bisherigen liegen, so dass Barrick heute von durchschnittlichen Explorationskosten von US Dollar 220 – 230 ausgehen kann, während Newmont Mining immer noch bei ca. US Dollar 250 pro Unze liegt. Neu hinzukommen wird 2006 die Mine in Valedero, Argentinien. Die Jahresproduktion soll 700.000 Unzen pro Jahr bei Produktionskosten von US Dollar 230 pro Unze erreichen. 2006 bis 2007 wird auch die Produktion in weiteren, kleineren Minen wie East Archimedes, USA, und Cowal, Australien, aufgenommen. Für 2009 ist der Start von Pascua Lana geplant, der bereits erwähnten Mine die im Grenzgebiet von Argentinien und Chile liegt und deshalb die Genehmigungen beider Länder braucht. Auch diese Mine soll ca. 700.000 Unzen pro Jahr erwirtschaften.

Barricks Zukunft wäre also auch ohne die Übernahme von Placer Dome gesichert gewesen. Allerdings wird Barrick nach dieser Akquisition die größte Goldmine der Welt mit 150 Mio. Unzen nachgewiesener und weiteren 63 Mio. Unzen wahrscheinlicher Reserven sein. Das allein ist ja schon „schwindelerregend“. Das Barrick Management geht davon aus, dass für US Dollar 240 Mio. Synergien in Produktion, Exploration und Finanzierung erzielt werden können, zumal auch mit einem deutlich niedrigeren Hedgebuch, zwar nicht sofort, aber in Zukunft zu rechnen ist.

Soweit sieht das ja alles sehr gut aus. Trotzdem können wir uns für Goldminen nicht erwärmen, auch nur bedingt für die beste und größte. Die Risiken sind einfach zu hoch. Was passiert, wenn der Goldpreis nun doch wieder sinkt, und Aktien der Goldminen dann überproportional fallen? Immerhin könnte der Goldpreis durch Verkäufe aus den unerschöpflichen Lagerbeständen der Zentralbanken kräftig unter die „Räder“ kommen, obwohl zur Zeit genau das Gegenteil prognostiziert wird. Oder eine sogenannte „Schurkenregierung“ bringt ihn durch Goldverkäufe durcheinander, um dem „Erzfeind“ USA „eine“ auszuwischen. Auch hier wird natürlich eher das Gegenteil erwartet, wie sich gerade im Iran zeigt, der massiv den Dollar gegen Gold eintauscht. Gold ist zudem das typische Anlageprodukt für „Jedermann“, die sogenannte „Angstwährung“, und deshalb oft panikartige Fluchtbewegungen ausgesetzt. Genauso wichtig erscheint uns, dass Aussagen über Produktionskosten nur eine Momentaufnahme sind. Was passiert, wenn sich eine zunächst reichhaltige Goldader als „Krepierer“ erweist oder eine so vielversprechende Mine wie Lagunas Norte in Peru unter Dauerstreik gerät, nur weil ihre Eigentümer Nordamerikaner sind.

Schließlich werden Goldminen wegen ihrer Bewertung nach den Barwerten der Reserven und Produktionskosten nicht zur täglichen Gewinnerzielung gezwungen. Trotz hoher Kursziele der Analysten liegen ihre Kurs-Gewinn-Verhältnisse oft weit über 30 und entsprechen somit denen von Hightech-Unternehmen. Ihre Hedgepolitk ist unvorhersehbar. Ganz plötzlich können da neue Positionen auftauchen und die verlustbringenden mit laufenden Goldlieferungen verrechnet werden. Das würde zu niedrigen Erträgen bei gleich hohem Hedgebuch führen. Eine solche, von den Analysten unerwartete Politik, könnte zu einer plötzlichen Herabstufung der Aktie führen. Wer sich im übrigen den Langfristchart von Barrick Gold anschaut, wird feststellen, dass die Hedgepolitik des Unternehmens eindeutig zu einer Nivellierung der Aktienkurse geführt hat. Der Aktienkurs ist letztlich nur seitwärts gelaufen, ganz bestimmt kein Maßstab für ein Wachstumsunternehmen!

Zusammenfassung

Wenn schon eine Goldmine ins Depot gehört, dann wäre Barrick Gold unser Favorit. Wer aber etwas ruhiger schlafen möchte, sollte eher direkt in Gold investieren oder Minenaktien von CVRD, Rio Tinto oder BHP Billiton kaufen, die mit Eisenerz, Kupfer, Zink, Nickel, Kohle, Erdöl und Uran ihr Geld verdienen und nach wie vor niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnisse zeigen. Diese Minen boomen mit dem Wachstum Chinas und Indiens. Sie sind in der Lage, langfristige Liefer- und Preisvereinbarungen mit ihren Abnehmern abzuschließen, und damit nicht den Launen eines volatilen Marktes ausgesetzt. Und Goldminenaktien reagieren zudem noch wie Hebelprodukte zum Goldpreis. Natürlich kann es deshalb auch sehr schnell zu kräftigen Kurssteigerungen kommen, und unsere Leser würden dann sagen, wie ängstlich doch die Leute vom Rohstoffreport sind. Wir stehen zur Zeit ja auch ziemlich allein da mit unseren Warnungen. Die großen Bankhäuser empfehlen nahezu einmütig Barrick Gold zu Kauf mit Kurszielen, die 50% über dem heutigen Kurs liegen. Wahrscheinlich werden sie auch recht behalten. Denn vieles spricht dafür, dass der Goldpreis weitersteigt. Darüber berichten wir ja heute in unserem Leitthema Gold und Silber.

Im aktuellen Rohstoff-Report, der am 13. Februar 2006 gegen 20 Uhr erscheint, erhalten Sie eine Einschätzung zu der geplanten Übernahme des größten europäischen Stahlkonzerns Arcelor durch den indischen Multimilliardär Lakschmi Mittal. Das Übernahmeangebot zeigt, wie anfällig hießige Unternehmen für feindliche Übernahmeangebote aus dem Ausland sind. Zudem erläutert der Rohstoff-Report die Auswirkungen des möglichen Firmenzusammenschlusses auf die Eisenerzminen CVRD, Rio Tinto und BHP Billiton. Tragen Sie sich kostenlos auf den Verteiler für den Rohstoff-Report auf http://www.boerse-go.de/rohstoffe ein und Sie erhalten am Montag ihre erste Ausgabe des Reports per E-Mail.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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