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11:47 Uhr, 12.02.2008

Bali: Dem Desaster knapp entronnen

Vom 3. bis 14. Dezember 2007 haben sich die Delegationen von 187 Staatsregierungen und unzähliger anderer Organisationen in Nusa Dua auf Bali getroffen, um einen Zeitplan für ein Nachfolge-Abkommen von Kyoto zu beschließen. Dies gelang zwar, allerdings erst einen Tag nach dem ursprünglich anvisierten Ende des Treffens. Als Hauptbremser erwies sich wieder einmal das „Land der unbegrenzten CO2-Emissionen“, die USA. Der Kompromiss in allerletzter Minute stellt lediglich einen Minimalkonsens dar und wurde bei vielen Klima-Experten als Enttäuschung wahrgenommen.

Reichlich verbranntes Kerosin hinterlassen

Ein Flug von Berlin-Tegel nach Denpasar (Bali) verursacht laut der internationalen Stiftungs-Initiative „my climate“ für Hin- und Rückflug in der Economy-Klasse 5.617 kg, in der Business-Klasse 8.426 kg und in der 1. Klasse sogar 13.481 kg CO2. Wir wissen zwar nicht, wieviele Regierungsmitglieder auf Kosten der Steuerzahler im Dezember auf die Ferieninsel geflogen sind, dürfen aber zumindest davon ausgehen, dass die Dienstreisen klimaneutral waren. Seit 2007 reisen nämlich die Mitglieder und die Beschäftigten der Bundesregierung klimaneutral. Die Kompensation dieser Dienstreisen erfolgt dadurch, dass die Menge an CO2-Emissionen durch Investitionen in zusätzliche Klimaschutzprojekte ausgeglichen wird. Bei den meisten Teilnehmern bzw. Beobachtern der Konferenz war dies aber nicht der Fall. Unter diesem Aspekt darf man das Ergebnis sicherlich als enttäuschend werten.

An Dramatik kaum zu überbieten

Das Wichtigste vorweg: Der GAU, also der größte anzunehmende Unfall in Form eines ergebnislosen Auseinandergehens blieb zwar aus, zum Bejubeln eignete sich das erzielte Ergebnis allerdings nicht. Den Teilnehmern der Konferenz war dennoch zum Jubeln zumute. Als die Chefunterhändlerin der USA, Paula Dobriansky, die späte Zustimmung ihrer Regierung bekanntgab, waren die Delegierten wahrscheinlich nicht nur froh, dass der größte CO2-Verschmutzer der Welt und größte Quertreiber der Bali-Konferenz den Aktionsplan für die Zeit nach Kyoto mittragen wird, sondern auch, dass der mehr als dreißigstündige Verhandlungsmarathon am Samstag ein halbwegs gütliches Ende fand. Lange Zeit sah es nämlich danach aus, als ob die Vorstellungen der USA und die der Europäer unvereinbar seien und die Konferenzteilnehmer ohne Resultat nach Hause fahren bzw. fliegen könnten.

Viel dramatischer hätten die Diskussionen nicht verlaufen können. Als die chinesische Delegation dem Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, vorwarf, er hätte das Geschehen nicht mehr im Griff, bricht der Niederländer daraufhin in Tränen aus und verlässt das Podium. Später entschuldigten sich die Chinesen. Gegen Ende der Verhandlungen schaltete sich zudem UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon persönlich in das Geschehen ein und redete – wie auch Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono – den Teilnehmern ins Gewissen, mit Erfolg.

So sieht das Resultat von Bali aus
Während vor allem Deutschland verbindliche Zusagen über die Reduktion der Treibhausgase forderte, wollten die USA im Abschlussdokument auf keinen Fall konkrete Zahlen nennen und auch keinen Bezug zum vierten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) herstellen. Außerdem forderten die Amerikaner, dass auch wichtige Entwicklungsländer wie China und Indien sich zur Reduktion von Treibhausgasen verpflichten sollten. Angesichts des immensen Rohstoff- und Energiehungers dieser Länder verständlich, beim Vergleich des Pro-Kopf-Ausstoßes von Chinesen und US-Amerikanern liegen jedoch zwischen beiden Nationen immer noch Welten. So gehen viele Experten zwar davon aus, dass China die USA in diesem Jahr als weltweit größten Emittenten von CO2 ablösen könnte, dabei darf aber nicht vergessen werden, dass China mehr als viermal so viele Einwohner hat als die USA.

Im fünfseitigen Abschlussdokument werden zwar keine konkreten Zahlen hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasen genannt, es bezieht sich aber bereits im dritten und vierten Absatz auf den im November in Valencia veröffentlichten vierten Sachstandsberichts des IPCC. Dort standen konkrete Zielvorgaben. So forderten die Klimaexperten der zwischenstaatlichen Organisation, dass die Industrieländer ihre Treibhausgase bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 um 25 bis 40 Prozent senken sollten. Außerdem wurde im Bali-Aktionsplan akzeptiert, dass es erforderlich sei, auf den Klimawandel so zu reagieren, wie es der Weltklimarat empfehle.
Erstmals wurden auch die Entwicklungsländer in die Strategie eines weltweiten Klimaschutzes einbezogen. So sollen auch Entwicklungsländer national angemessene Minderungsmaßnahmen durchführen und dabei Unterstützung durch Technologie, Finanzmittel und andere Kapazitäten erfahren. Außerdem sollen für diese Länder positive Anreize geschaffen werden, die negativen Folgen der Abholzung und Schädigung großer Waldflächen zu mindern. Beim Kyoto-Abkommen blieben die Entwicklungsländer bislang verschont.

Der Fahrplan nach Kopenhagen

Im Dezember 2009 findet in Kopenhagen die Klimakonferenz statt, von der sich viele den Durchbruch erhoffen. Dort soll dann das Klimaschutz-Abkommen für die Zeit nach Kyoto unterschriftsreif sein. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer und arbeitsintensiver Weg. Die Erfahrung auf Bali hat gezeigt, dass nicht nur die Interessen zwischen Amerikanern und Europäern, sondern auch zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern weit auseinander liegen. Der transatlantische Konflikt könnte sich allerdings demnächst entschärfen, schließlich steht bereits heute fest, dass der künftige Klimaschutz ohne den jetzigen US-Präsidenten George W. Bush mit großer Wahrscheinlichkeit schneller voranschreiten dürfte. Damit bei der nächsten Klimakonferenz im Dezember im polnischen Posen handfeste Fortschritte erzielt werden, will man in regelmäßigen Abständen zusammenkommen und verhandeln. Eines dürfte aber allen klar sein: Will man tatsächlich bereits in Kopenhagen ein Nachfolge-Abkommen für das Kyoto-Protokoll verabschieden, muss erheblich mehr Substanz herauskommen als bei der Konferenz auf Bali.

Quelle: Godmode Klimawandel-Spezial
Kostenloser Download des Godmode Klimawandel-Spezials auf [Link "www.godmode-trader.de/downloads" auf www.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar]

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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