Nachricht
14:35 Uhr, 11.11.2003

Aus der Sicht des Charttechnikers ...

Wiederholung des Kommentars vom 20. Oktober dieses Jahres.

Aus der Sicht des Charttechnikers ...
20.10. 14:27

Anbei ein Kommentar aus der Sicht eines Charttechnikers über fundamental argumentierende bearishe Marktbeobachter im Jahr 2003.

Am 12.03.2003 markierte der DAX sein Bärenmarkt-Tief, - das bisherige zumindest -, bei 2.188 Punkten. Anschließend konnte der Index nahezu durchgehend ansteigen, um am 05.09.2003 bei 3.676 Punkten sein bisheriges Jahreshoch auszubilden. Der Trend ist Fakt. Und für einige insbesondere fundamental argumentierende perma-bearish eingestellte Marktbeobachter hätte es diesen Anstieg nicht geben dürfen. Als der DAX ausgehend von der 2.200 die ersten Wochen ansteigen konnte, gab es seitens der Shortseller-Letter in den USA lautstarke Anweisungen, die aufflackernde Stärke des Marktes zur Erhöhung der Shortpositionierung zu nutzen. "Short it", "Beste Gelegenheit für Re-Shorts", "Verkaufe deine Hoffnung", "Die armen Kleinanleger werden in den Markt gelockt", "Das Smart Money ist massiv short", usw. Grundtenor: "Shorte den Markt, nur Idioten kaufen, Bärenmarkt in bester Verfassung".

Zugegebermaßen haben wir hiermit die unseriösen Stimmen aus dem Bärenlager aufgelistet. Es gibt jedoch auch zahlreiche bearish ausgerichtete US Börsenbriefe, die absolut erstklassig sind. Dazu gehört beispielsweise der Contrary Investor (URL : http://www.contraryinvestor.com/mo.htm) Monatlich veröffentlichen CI eine kostenfreie Einschätzung, die bei uns Pflichtlektüre ist. Der Punkt ist der, daß diese Börsenbriefe, Analysten und Marktbeobachter fundamental oft absolut nachvollziehbare und überzeugende Argumente nennen können. Sachlich werden von Woche zu Woche, von Monat zu Monat sogar neue bearishe Argumente geliefert bzw. darauf hingewiesen, daß sich bestehende Argumente noch aussagekräftiger entwickeln würden. Der Punkt ist außerdem der, daß das Argumentationskonstrukt dermaßen in sich stimmig ist, daß unserer Ansicht nach einige dieser Marktkommentatoren, die basierend auf ihren fundamentalen Einschätzungen auch Anlageempfehlungen geben, in eine psychologische Falle geraten. Sie meinen, den Markt im Griff zu haben. Sie sind von Richtigkeit und Gewichtung ihrer Argumente so überzeugt, daß sie fest davon ausgehen, daß sich auch der Markt entsprechend ihrer fundamentalen Einschätzung bewegen müsse. Als Portal mit dem Schwerpunkt "Technische Analyse und professionelles Trading" möchten wir nicht dazu übergehen und bewerten, ob und inwieweit eine fundamentale bearishe Argumentationsführung objektiv korrekt ist. Dennoch erlauben wir unsere Ansicht dahingehend zu äußern, daß aus unserer Sicht allesentscheidend ist, wie das Gros der Marktteilnehmer die Situation einschätzt und wie das Gros der Marktteilnehmer letztenendes anlagetechnisch vorgeht. Man darf niemals aus den Augen verlieren, wer in der Endkonsequenz den Markt bewegt, also die Kurse "macht". Der Trend wird durch die Marktteilnehmer bestimmt, die in eine Trendrichtung relativ gesehen mit einem höheren Kapitaleinsatz pro Zeiteinheit handeln als die Marktteilnehmer, die in die Gegenrichtung handeln. Unserer Ansicht nach funktioniert also auch folgendes theoretisches Beispiel: Die Mehrheit der Marktteilnehmer kommt zu einer positiven Einschätzung der konjunkturellen Lage, die aber objektiv falsch ist. Was passiert dann? Theoretisch dürften die Indizes steigen und einen Aufwärtstrend ausbilden, weil die Masse der Marktteilnehmer basierend auf ihrer Markteinschätzung, kauft. Da sich viele der Bullen über die Presse äußern, bestärken sie sich untereinander und sie ziehen immer mehr andere Marktakteure, die vielleicht zunächst unschlüssig waren, in ihr Lager. Der Markt würde also gegen den "fundamentalen Trend" steigen. Solche Phasen hat es übrigens in der bisherigen Historie der Indizes schon mehrfach gegeben. Es würde den Umfang dieses Kommentars sprengen, wenn wir hierzu Beispiele aufzählen und beschreiben würden. Ein Häufchen von bearish ausgerichteten Fundamentalanalysten könnte also durchaus objektiv mit seinen Einschätzungen "richtig" liegen, nur bewegen sie den Markt nicht; zumindest solange nicht, wie sie in der Minorität bleiben. Der Markt bewegt sich aber nicht unendlich von seinen Fundamentals weg. Wenn die Erwartungen der Masse der Marktteilnehmer nicht erfüllt werden sollten und diese Marktteilnehmer stellen dies auch tatsächlich fest, dann macht es Peng und die Indizes würden relativ wieder schnell in sich zusammen fallen. Zurück zum DAX und dem Verhalten der perma-bearishen Advisors. Je weiter die Märkte 2003 anstiegen, desto ruhiger wurde es um die Bären. Die anfangs noch aggressiv geführten Verkaufs- und Shortsellingempfehlungen verstummten langsam. Dennoch wurde die Skepsis gegenüber dem Marktgeschehen nicht aufgegeben. Hier sind wir bei einem weiteren wichtigen Punkt. "Fundamentale Stopps" scheint es nicht zu geben. Wenn der Markt gegen das eigene fundamentale Bias (im Falle des Jahres 2003) steigt, dann passiert nicht selten folgendes. Verschwörungstheorien wuchern ins Kraut. Der Anstieg sei ein "Fake". Fundamental sei er nicht untermauert. Die "dummen" Pensionsfonds seien nunmal auf der falschen Seite in Position gegangen. "Der Markt liegt falsch, ich liege richtig". So bitter es ist, aber es ist in der Regel andersherum. Der Markt liegt "richtig". Was übrigens die Kursanstiege dieses Jahres anbelangt, so waren insbesondere in den ersten Monaten des Anstiegs vornehmlich Institutionelle und Fonds auf der Käuferseite. Die Kleinanleger sind erst im späteren Verlauf der Aufwärtsbewegung hinzugestoßen. Das läßt sich unter anderem an dem Verlauf der Transaktionsfrequenz bei den Onlinebrokern ablesen. Es ist kein Wunder, daß nicht wenige Musterdepots, die von fundamentalen Bären Anfang dieses Jahres mit Shortpositionen bestückt wurden, einfach eingestellt wurden, da es nun einmal keine "fundamentalen Stops" gibt. Es kann also durchaus sein, daß derjenige, der in unserem theoretischen Beispiel die wirtschaftliche Lage fundamental objektiv korrekt bearish eingeschätzt hat, aufgrund eines falschen Anlageverhaltens, sein Depot gegen die Wand gefahren hat, um es einmal gewohnt "GodmodeTrader-hart" auszudrücken.

In diesem Kommentar haben wir uns auf die Kommentierung des fundamental bearish gegen den bisherigen Jahrestrend argumentierenden Advisors konzentriert. Ende 2000 bis Anfang 2002 hätte man den fundamental bullish gegen den übergeordneten fallenden Gesamtmarkttrend argumentierenden Marktbeobachter von unserer Seite kommentieren können. Gerade in der Anfangsphase des Bärenmarktes gab es zahlreiche Analysten und Marktbeobachter, die eindrucksvoll insbesondere die bahnbrechende Bedeutung des Internets darstellten. Wir haben viele dieser exzellenten Analysen archiviert. Der Markt tat jedoch ersteinmal etwas ganz anderes. Die Blase am Aktienmarkt platzte mit einem lauten Knall. Und erbarmungslos wurden nicht wenige dieser fundamental sehr gut argumentierenden Bullen hinweggespült.

Wir wollen diesen Kommentar auf keinen Fall so verstanden wissen, daß wir mit dem Finger auf andere zeigend, uns im Gegenzug aufwerten wollen. Deshalb haben wir mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß wir sowohl 2000-2002 die Argumentationsführung vieler Bullen gegen den brachialen Abwärtstrend als auch die Argumentation vieler Bären gegen den Aufwärtstrend 2003, oftmals als nachvollziehbar, überzeugend und in sich stimmig erachten. Wir respektieren und achten jede Argumentationsführung, wenn sie sachlich begründet ist. Sie merken, daß dieser Kommentar ganz klar aus Sicht eines Charttechnikers geschrieben wurde. Der entscheidende Punkt, den wir herausstreichen ist der, daß wir die technische Analyse sehr hoch gewichten. Mittels dieser technischen Analyse lassen sich Kapitalströme auswerten. Mittels der technischen Analyse läßt sich in Erfahrung bringen, was im jeweiligen Zeitfenster der übergeordnete Trend ist. Darauf basierend läßt sich das Anlageverhalten ausrichten nach dem Motto "Gehe mit den großen Jungs". Wenn für Leserinnen und Leser unsere Argumentationsführung in diesem Kommentar nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar sein sollte, bitten wir um Feedback. Wir werden gute Gegendarstellungen gerne hier auf dem GodmodeTrader veröffentlichen. Insbesondere kritisches Feedback interessiert uns. Feedback, das beispielsweise Schwächen der technischen Analyse aufzeigt oder aber insbesondere Schwächen der Argumentationsführung vom GodmodeTrader.

Headtrader - Harald Weygand

Godmode-Trader.de

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen