Kommentar
17:44 Uhr, 12.05.2009

Aufstieg ins Erdgeschoß

Eine regelrechte Kaufpanik trieb den DAX in dieser Woche auf knapp 5.000 Punkte. Weder teilweise enttäuschende Quartalszahlen noch Pandemieängste in Hinblick auf die Schweinegrippe konnten das jüngste Freudenfest verhindern. Eigentlich kaum zu glauben, dass Aktien auf deutlich höherem Niveaus als noch vor zwei Monaten für die Masse der Anleger plötzlich (wieder) attraktiv sind. Andererseits stehen wir erst wieder auf dem Niveau vom Jahresanfang – also zurück auf Los? Die große Frage ist nun: War es nur eine technische Aufwärtskorrektur im noch immer intakten und bei rd. 5.000 Punkten verlaufenden mittelfristigen Abwärtstrend? Oder war es die von vielen erhoffte Trendwende?

Gewinnmitnahmen überfällig

Von einer Trendwende im DAX würden wir frühestens ab einem Niveau von 5.100 Punkten sprechen wollen. Allerdings erwarten wir zunächst noch ein häufigeres Scheitern an der psychologisch wichtigen 5.000er Marke. Denn wer als Anleger auch nur die Hälfte dieser Zweimonatsrallye (DAX +35%, DowJones +30%, MSCI World in Euro +30%) mitmachte, könnte auf die Idee kommen, schöne Gewinne mitzunehmen. Andererseits müssen mehr und mehr „Shorties“ (Spekulanten, die geliehene Aktien „leer“ verkaufen) Kursrückschläge nutzen, um sich halbwegs günstig einzudecken.

Fundamental nichts geändert

Vielleicht sind die angestiegenen Kurse aber auch der Vorbote für eine sich erholende Konjunktur im vierten Quartal 2009, respektive ersten Quartal 2010. Schließlich sind die Aktienmärkte der Realwirtschaft mindestens sechs Monate voraus. Und ein paar „grüne Triebe“ sind laut US-Notenbankchef Bernanke durchaus zu erkennen. Einige Banken haben zum Beispiel das erste Quartal überraschend mit Gewinn abgeschlossen (Citigroup 1,6 Mrd. USD nach 101,8 Mrd. USD Abschreibungen seit Ausbruch der Finanzkrise), GM hat etwas weniger Verlust gemacht als erwartet (ist aber nach sechs Verlustquartalen in Folge praktisch pleite). Durch Fiat schöpfen Opel und Saab Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Dennoch bleibt das Hauptproblem bestehen: Die Industriestaaten sind gesättigt, und die Unternehmen sitzen auf gigantischen Überkapazitäten. Jüngstes Beispiel ist Adidas: Der massive Umsatz- und Gewinneinbruch des Sportartikelherstellers resultierte vor allem aus der Konsumschwäche der Märkte Europa und USA, also dort, wo bereits genügend „Turnschuhe“ zu Hause im Regal stehen und wo jetzt gleichzeitig viele Arbeitsplätze wackeln. Das Erschreckende daran ist, dass hier bereits bei relativ billigen Produkten – und nicht nur bei langlebigen Gütern wie Möbeln, Autos, Hausbau etc. – gespart wird. Nachdem Adidas einen Verschuldungsgrad von rund 85 Prozent hat, sollte die Verlustzone möglichst gar nicht erreicht werden. Genau aus diesem Grund hat sich auch die Lage an der Kreditfront bisher nur leicht entspannt. Die klammen Banken sind nach wie vor sehr vorsichtig bei der Kreditvergabe – wie die jüngsten Probleme von Porsche bei der gescheiterten VW-Übernahmefinanzierung oder die Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung der insolvenzbedrohten Schaeffler-Gruppe zeigen.

Von globaler Staatsüberschuldung zur Systemkrise?

Positiv ist, dass die Baubranche durch die staatlichen Infrastruktur- und die CO2-Gebäudesanierungsprogramme ganz gut über den Sommer kommen wird – wie auch die Kleinwagenhersteller dank Abwrackprämie. Aber was wird danach kommen? Wie viele Konjunkturprogramme müssen oder können wir uns noch leisten? Der Europawahlkampf scheint in Deutschland bereits ungeahnte Möglichkeiten aufzutun, nachdem ein Verzicht auf jegliche Rentenkürzungen in der Zukunft erwogen wird – ohne zu fragen, wer dies angesichts eines Generationenvertrags (Jung zahlt für Alt) finanzieren sollte, wenn die Arbeitslosigkeit massiv weiter steigen und ein deflationäres Umfeld eines Tages vielleicht neben Preis- auch zu Lohndumping führen würde. Bisher hatte der deutsche Staat nie Probleme, sich Geld zu beschaffen. Doch für immer mehr Länder wird dies zunehmend schwierig. Denn der Appetit, gerade auf langfristige Staatsanleihen, über deren uninteressante Renditen wir bereits etliche Male berichteten, hat mittlerweile zu einem Anstieg der 30-jährigen US-Renditen von 2,6 Prozent auf rund 4,1 Prozent und gleichzeitig zu einem Verlust der Anleihenkurse von rund 25 Prozent geführt. So viel zum Thema Sicherheit bei Staatsanleihen. Schweden hatte zuletzt sogar Probleme, seine 10-jährige Staatsanleihe überhaupt zu platzieren. Länder wie Portugal, Irland, Griechenland oder Spanien hängen am Tropf der EU und die osteuropäischen Länder an dem des IWF.

Langfristige Aktienpositionen vorsichtig aufstocken

Hoffen wir daher, dass die positive Entwicklung zahlreicher Stimmungsindikatoren, wie etwa jüngst des ZEW-Indikators, des IFO-Geschäftsklimaindexes oder auch der diversen Einkaufsmanagerindizes, Anlass zur Hoffnung geben und dass der von der US-Notenbank durchgeführte Bankenstresstest hält, was US-Finanzminister Geithner verspricht: nämlich keine Pleitegefahr für die 19 untersuchten Großbanken. Dass der Goldpreis im Vorfeld der „offiziellen“ Veröffentlichung nur von 880 auf gut 900 USD/Unze kletterte, werten wir als Entspannungs-signal – genauso die Stabilisierung etlicher Rohstoffpreise, wie beispielsweise des Öls (von 48 auf 55 USD) und des Frachtgutindexes Baltic-Dry (von 1.770 auf rund 1.900 Punkte) sowie die Stabilisierung der wichtigsten Wechselkurse (Dollar relativ stabil bei 1,32; Yen bei rund 133). Außerdem vergrößert sich nach der jüngsten Zinssenkung durch die EZB (der Leitzins wurde von 1,25 Prozent auf 1 Prozent gesenkt) der Anlagenotstand für risikoaverse Anleger immer weiter – zumal Tagesgeld nur noch gut 0,5 Prozent Rendite bringt. Insofern sind solide finanzierte Aktiengesellschaften sehr wahrscheinlich die (sach-)werthaltigeren Langfristinvestitionen – im Gegensatz zu Staatsanleihen. Größere Gewinnmitnahmen am Aktienmarkt sind möglicherweise eine gute Gelegenheit, langfristige Positionen vorsichtig aufzustocken oder etwas defensiver auch über solide Wandelanleihen(-fonds) zu investieren.

Quelle: GECAM

Als unabhängiger Finanzdienstleister hat sich die GECAM AG auf das Investmentgeschäft spezialisiert. Das Unternehmen bündelt die fünf für das Investmentgeschäft essenziellen Bausteine Investmentdach, Vermögensverwaltung, Produkte, Partner-Portal und Dienstleistungskonzept in einem Haus. GECAM verwaltet in ihren vier Dachfonds aktuell ein Gesamtnettovermögen von 150 Millionen Euro.

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