Kommentar
13:20 Uhr, 22.09.2009

Auch Angela Merkel ist nun offiziell umgefallen

In Deutschland bildet sich ein breiter Konsens für die weltweite Einführung einer Finanzmarktsteuer. Auf dem kommenden G20-Gipfel wird das Thema wohl nur am Rande behandelt werden und hat derzeit – zum Glück für uns! – keine Aussicht auf Erfolg. Alleine der Widerstand der Briten reicht dafür aus, das Projekt zum vorläufigen Fallen zu bringen. Die weltweite Durchsetzung einer „Tobin-auf-alles-Steuer“ ist ohnehin äußerst unrealistisch. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Güter- und Finanzmärkten: In letzteren kann man unkompliziert ausweichen; ob in Dubai, London, New York oder Tokio gehandelt wird ist der Großfinanz und auch normalen Tradern letztlich egal. Steuern auf Güter (Umsatzsteuer und andere Verbrauchsteuern) einzuführen und dabei auch hohe Unterschiede zum Ausland entstehen zu lassen ist dagegen relativ einfach; die Bürger haben kaum Ausweichmöglichkeiten.

Kommt eine Transaktionssteuer auf Finanzmarktgeschäfte entgegen aller Widerstände doch, und sei es auch nur eine geringe Börsenumsatzsteuer, dann wird das nicht nur für Trader eine gewaltige Herausforderung. Die Märkte verlieren enorm an Liquidität, und die Onlinebroker werden sich gezwungen sehen, mit den Gebühren noch weiter herunter zu gehen. Sonst sind bestimmte Tradingspielarten wie Scalping wohl dem Tode geweiht. Da die Trader-Lobby in der Politik überschaubar groß ist – was angesichts der medialen Hinrichtung des Spekulantentums im Gefolge der Finanzkrise ja auch nicht überraschen kann – darf man sich nicht allzu große Hoffnungen machen. Selbst die FDP könnte in einer schwarz-gelben Koalition in dieser Frage umfallen. Zu hoffen bleibt, wenn es denn so kommt, dass die Steuer sehr niedrig angesetzt wird: Bei einer alles umfassenden Transaktionssteuer waren zuletzt 0,05% im Gespräch; das dürfte für die meisten Trader verkraftbar sein. Linke Visionen gehen bis 1,5%, was man davon zuhalten hat brauche ich wohl nicht zu erläutern. Wichtig ist – wenn es überhaupt sein muss, was ich stark bezweifle – eine zumindest europaweite Lösung. Ob man soviel Mitdenken erwarten darf?

Unter einer Voraussetzung fände ich eine Börsenumsatzsteuer sogar akzeptabel: wenn sie gleichzeitig die Gewinnbesteuerung ersetzen würde. Das ist zwar genau genommen etwas unfair, weil ein solches System überhaupt nicht zwischen Gewinnern und Verlierern an der Börse differenzieren kann. Aber es besticht durch seine Einfachheit; dagegen ist und bleibt die Abgeltungssteuer ein Verwaltungsmonstrum; nicht nur Banken würden sich über ihr Ende freuen.

Daniel Kühn - Chefredaktion http://www.tradersjournal.de und http://www.forex-report.de

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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