Nachricht
09:00 Uhr, 20.06.2008

Auch an der indischen Börse ist die Hausse aus dem Gleis geraten

Wie schon im Editorial erwähnt, sind an der in den Vorjahren noch so Erfolgsverwöhnten indischen Börse zuletzt dunkle Wolken aufgezogen. Der Sensex-Index kommt bei einem aktuellen Stand von 15.190 Punkten im bisherigen Jahresverlauf auf ein Minus von 25,1 Prozent. Durch die herben Einbußen wurde der langjährige Aufwärtstrend verletzt. Charttechnisch gesehen hat sich damit die Ausgangslage deutlich eingetrübt.

Das gilt auch für die wirtschaftliche Verfassung des Landes. Das Bruttoinlandsprodukt bewegte sich im Finanzjahr 2007/08 (1.4. bis 31.3.) ersten Schätzungen zufolge zwar noch immer bei ansehnlichen 9,0 Prozent. Verglichen mit dem Vorjahresergebnis ist das aber ein Rückgang von 0,6 Prozentpunkten. Und im Fiskaljahr dürfte sich die Wachstumsrate angesichts des derzeit herausfordernden Umfeldes weiter auf rund acht Prozent zurückbilden.

Die steigende Inflation bereitet zusehends Sorgen

Damit könnten alle Beteiligten aber sicherlich noch leben, wenn es nicht noch andere Probleme gäbe. Die größten Schwierigkeiten bereitet dabei die steigende Inflationsrate, die derzeit langsam Kurs auf die Marke von neun Prozent nimmt. Schon im Vorjahr erreichte die Teuerungsrate mit durchschnittlich 6,2 Prozent den höchsten Stand seit 1998.

Preistreiber sind vor allem die steigenden Nahrungsmittel- und Energiekosten. Regierung und Notenbank haben bereits fiskalische Maßnahmen angekündigt, um die Inflation für das Gesamtjahr auf unter sechs Prozent zu drücken. Außerdem hat die Zentralbank jüngst ihren kurzfristigen Ausleihsatz um 25 Basispunkte auf 8,00 Prozent erhöht. Maßnahmen wie diese dürften konjunkturelle Bremsspuren hinterlassen und das wiederum drückt auf die Stimmung bei den Börsianern.

Zumal noch keine Ende bei der nach oben gerichteten Inflationsspirale in Sicht ist (bei Lehman Brothers rechnet man mit einem weiteren Anstieg bis auf 9,5 Prozent) und damit auch kein Ende im laufenden Zinserhöhungszyklus. Erst wenn sich Erfolge im Kampf gegen die Inflation abzeichnen und sichtbar wird, dass die Konjunktur trotzdem relativ robust bleibt, ist wieder an steigende Aktienkurse zu denken.

Bewertungsübertreibungen bereits erheblich korrigiert

Wenigstens haben die bereits erlittenen Kursverluste inzwischen eine deutliche Korrektur der zuvor übertrieben hohen Bewertung markiert. Auf Basis der historischen Ergebnisse errechnet sich für die Standardwerte im Schnitt ein KGV von 17. Damit lässt sich langsam wieder leben, wenn man die vermutlich auf Jahre hinaus anhaltend guten Wachstumsaussichten berücksichtigt. Solange die Verunsicherung unter den Anlegern noch anhält, ist eine weitere Bewertungskontraktion zwar nicht auszuschließen, sondern sogar eher wahrscheinlich. Aber die schlimmsten Übertreibungen in dieser Hinsicht sind bereits ausgebügelt.

Negativ zu registrieren ist allerdings die zuletzt deutlich gestiegene Korrelation mit der amerikanischen Börse. Aber im Grunde genommen ist das wenig verwunderlich. Schließlich machen die Ausfuhren in die USA rund 15 Prozent der Gesamtexporte aus und beliefen sich 2006/07 auf knapp 20 Mrd. Dollar. Und Indiens IT-Firmen generieren sogar nach wie vor den Großteil ihrer Umsätze mit Kunden aus den USA beziehungsweise mit Dienstleistungen für amerikanische Firmen.

Geduldig auf den passenden Einstiegszeitpunkt warten

Trotz der aufgezeigten Schwierigkeiten im Umfeld wäre es aus Anlegersicht ein Fehler, einen Markt wie die indische Börse komplett zu ignorieren. Denn der Subkontinent dürfte auch künftig zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt zählen. Die im Vorjahr um 72 Prozent auf 19,2 Mrd. Dollar gestiegenen ausländischen Direktinvestitionen deuten bereits auf die wachsende Bedeutung und Beliebtheit des Landes als Investitionsstandort hin. Und die Aussicht auf langfristige jährliche Wachstumsraten in einer Größenordnung zwischen sieben und neun Prozent dürfte auch weiterhin viele Investoren anlocken. Was zieht, sind unter anderem die Investitionen von 500 Mrd. Dollar, die demnächst in die Infrastruktur gesteckt werden sollen. Allerdings ist das auch bitter nötig, denn laut einer Studie der Deutschen Bank könnte das indische Bruttoinlandsprodukt ohne die Bürde einer maroden Infrastruktur um zwei Prozentpunkte per annum schneller wachsen.

Was ebenfalls große Reize auf Investoren ausübt, sind die wachsenden Konsumausgaben. Analysten erwarten langfristig einen kontinuierlichen Anstieg des privaten Verbrauchs um durchschnittlich sieben Prozent pro Jahr. Laut McKinsey sollen sich die Konsumausgaben bis 2025 auf 1,7 Billionen Dollar vervierfachen. Damit würde Indien weltweit auf den fünften Platz vorrücken und auch Deutschland hinter sich lassen. Träger des Konsums ist die wachsende indische Mittelschicht, deren Zahl soll sich in den nächsten 20 Jahren auf 500 Mio. Menschen verzehnfachen soll.

Zahlenbeispiele wie diese machen deutlich, dass sich in den Sektoren Infrastruktur und Konsum etliche wachstumsstarke Aktien finden lassen sollten. Was das Timing des Einstiegs angeht, dürfte es derzeit wie erwähnt aber noch etwas zu früh sein. Denn noch ist der indische Aktienmarkt dabei, die aufgezeigten Probleme sowie den zwischen April 2003 und Januar 2007 eingefahrenen Kursgewinne von rund 610 Prozent zu verdauen.

Quelle: Ostbörsen-Report

Wo sind die besten Anlagechancen in Osteuropa?
Melden Sie sich kostenlos für den Ostbörsen-Report an und erfahren Sie alle Details!
Anmeldung: www.ostboersen-report.de

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten