Kommentar
11:05 Uhr, 18.08.2011

Artnet: Interessanter Nischenwert mit Übernahmephantasie

Kunstgegenstände sind zweifellos Sachwerte, aber ein direktes Investment in diese Anlageklasse dürfte für die meisten Anlageinteressierten aus diversen Gründen nicht in Frage kommen. Eine indirekte Möglichkeit, generell an der Entwicklung dieses speziellen Segments zu partizipieren, bietet die Aktie der Artnet AG.

Wer denkt der Kunstmarkt sei nur etwas für Freaks, wird bei Artnet eines Besseren belehrt. Immerhin 1,8 Milionen unique visitors zieht die zentrale Website www.artnet.com des Berliner Unternehmens monatlich an. Es bietet einen wohl global einmaligen Überblick über den Kunstmarkt mit all seinen wesentlichen Entwicklungen. Das Angebot umfasst verschiedene Gebiete, die aber synergetisch verknüpft sind.

Artnet Galleries bündelt 2100 Galerien

Artnet Galleries ist ein Netzwerk von derzeit rund 2100 der wichtigsten Kunstgalerien und Auktionshäusern weltweit. Die Gliederung erfolgt nach Fachgebieten (beispielsweise „Fine Art Galleries oder Design Galleries) und Standorten. Aktueller Bestand: ca. 176.000 Werke von 37.000 Künstlern. Die angeschlossenen Galerien führen an Artnet eine Gebühr ab.

Artnet Price Database enthält 4,2 Millionen Preissteigerungen

Artnet Price Database ist das eigentliche Kernprodukt von Artnet. Es handelt sich um eine ständig aktualisierte Datenbank mit Auktionsergebnissen seit 1985. Die Zahl der veröffentlichten Preise beläuft sich bereits auf 4,2 Millionen, einbezogen sind Daten von über 500 der wichtigsten internationalen Auktionshäuser. Der an sich eher intransparente Kunstmarkt erhält dadurch eine einzigartige Öffentlichkeit, die sich Datenbank-Abonnenten auch etwas kosten lassen. Wer Kunst kaufen oder verkaufen will, kann durch einen Blick in die Datenbanken gute Schätzwerte erhalten. Damit ist die Price Database für Marktteilnehmer wie Gutachter, Händler, und Auktionshäuser schon fast unverzichtbar. Nicht überraschend, dass sich ebenfalls Behörden dafür interessieren: Auch die USSteuerbehörde URS und sogar das FBI greifen auf die Daten zurück. Über die Wertermittlungsfunktion bei der konkreten Kauf/Verkaufsabsicht hinaus ist die Price Database aber auch so etwas wie ein schön anzusehender Onlinekatalog für Sammler. Seit 2009 gibt es die Price Database auch für Antiquitäten, Porzellan, Silber- und Glaswaren, Uhren und andere Kunstgegenstände („Price Database Deocrative Art“).

Artnet Auctions bringt Kunstwerke in den Verkauf

Der hoffnungsvollste und jüngste Geschäftsbereich nennt sich Artnet Auctions. Hier zeigt sich auch, wie die anderen beiden Bereiche ineinander übergreifen. Denn basierend auf Daten aus den Preis-Datenbanken werden von Experten Schätzungen und Mindestgebote für
Kunstwerke erarbeitet, die vorwiegend von den Mitgliedern des Galerienetzwerkes stammen. Die Werke werden dann auf der Plattform versteigert.

Artnet Magazine macht Kunst publik

Darüber hinaus veröffentlicht Artnet im Segment Artnet Magazine werbefinanzierte Kunstpublikationen in mehreren Sprachen und versucht sich auch weiterhin an neuen, innovativen Produkten. Zum Beispiel der artnet Market Analyst: Er soll die Möglichkeit bieten, analog zu Börsenindizes auf einfache Art und Weise statistische Methoden auf Kunstmarktsegmente und Künstler anzuwenden und somit neue Indizes zu erstellen. Ob daraus jemals auch börsenhandelbare Derivate kreiert werden können, ist aber eher zweifelhaft.

Wächst die Auktionsplattform, steigt das Ergebnis überproportional

Der Bereich der Online-Auktionen ist ganz klar die Wachstumsfantasie des Unternehmens. Sowohl die Datenbank als auch das Galerie-netzwerk können zwar von einem Erfolg von Artnet Auctions mit profitieren, das stärkste Potenzial haben aber die Auktionen selber. Das Unternehmen verdient brutto 20 Prozent am Auktionserlös. Noch ist der Geschäftsbereich relativ klein: Im ersten Quartal 2011 wurden in dem Segment 0,614 Millionen Euro umgesetzt, im gleichen Quartal des Vorjahres waren es nur 0,413 Millionen Euro. Steigerung auf Jahresbasis also rund 50 Prozent. Das Brot-und Buttergeschäft lieferten in Q1/2011 das Galerienetzwerk mit 1,24 Millionen Euro und die Price Database mit 1,18 Millionen Euro. Ein überragender Gewinn verblieb nicht. Das EBIT landete bei 0,126 Millionen Euro, das Nachsteuerergebnis bei 77.000 Euro. Ein klassischer Fall von noch fehlenden Skaleneffekten, das heißt das Umsatzvolumen ist ganz einfach noch zu gering. 112 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen derzeit.

Wenn die Auktionsplattform in Fahrt kommt, wird das Ergebnis stark steigen, weil die Kosten sich nicht annähernd im gleichen Ausmaß erhöhen werden – man benötigt für höhere Umsätze nicht wesentlich mehr Angestellte.

Klassische Auktionshäuser drängen auf den Onlinemarkt

Nach 13,7 Millionen Euro Umsatz in 2010 und einen kleinen Verlust sollen 2011 rund 15 Millionen Euro erlöst werden. Ausgehenden von den Ergebnissen in Q1 sollte ein EBIT von mindesten 0,5 Millionen Euro erreichbar sein. Da Artnet Auctions klar im Aufwärtstrend ist, sollte 2012 das EBIT sehr deutlich über die Eine-Million-Euro-Grenze springen können.

Wie sieht‘s bilanziell aus? Sehr unspektakulär. Die Bilanzsumme beträgt nur 7 Millionen Euro. Bei 3,98 Millionen Euro Eigenkapital ergibt sich eine Eigenkapitalquote von 56 Prozent. Die liquiden Mittel belaufen sich auf 2,8 Millionen Euro, was angesichts der erreichten Profitabilität und weitgehend abgeschlossener Investitionstätigkeit ausreichend ist. Es gibt bilanziell nichts was gegen Artnet spricht, aber sicher auch nichts, was dafür spricht. Letzteres ist vor allem im Hinblick auf die doch sehr geringe bilanzielle Substanz zu bedenken, denn der Börsenwert liegt rund 7mal so hoch wie der Buchwert. Auch das KGV sieht nicht überzeugend aus – selbst wenn 2012 eine Million Euro Gewinn erwirtschaftet wird, liegt das KGV bei über 25. Das ist allerdings im Internet-Bereich absolut nicht ungewöhnlich, sondern die Regel. Im Vergleich zu anderen E-Commerce-Unternehmen ist natürlich die Spezialisierung extrem hoch und möglicherweise das Wachstumspotenzial stark beschränkt.

Ist Artnet als Übernahmekandidat interessant? Auf jeden Fall! Neben dem direkten Konkurrenten Artprice, dessen Börsenwert rund 10mal so hoch liegt, kommen natürlich auch die klassischen Auktionshäuser wie Sothebys und Christies in Frage. Auf jeden Fall ist anzunehmen, dass diese verstärkt in den Onlineauktionsmarkt drängen werden. Für Artnet bedeutet das zunehmende Konkurrenz, aber auch verstärkte Aufmerksamkeit zugleich.

Artnet AG
ISIN: DE0006909500
Kurs: 4,60 EURO
Aktienzahl: netto 5,67 Millionen Aktien
Börsenwert: 26 Millionen EURO
Internet: www.artnet.de

Fazit:
Artnet ist in einer hochinteressanten Nische des weltweiten Kapitalanlageuniversums tätig und hat hier eine gefestigte Position, die sich aber in relativ geringen Umsätzen widerspiegelt. Mit der Forcierung der Online-Auktionen hat CEO Hans Neuendorf, ein langjähriger Kunstkenner, den entscheidenden Schritt hin zu Wachstum getan. Vom Erfolg dieser Plattform hängt ab, ob Artnet ein relativ kleiner Player bleibt oder zu einer echten Größe aufsteigt. Je schneller es hier vorangeht, umso wahrscheinlicher ist es, dass ein direkter Konkurrent oder aber „Offline-Vetreter“ der Branche zuschlagen und Artnet übernehmen.

Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Sachwerte erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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