Kommentar
13:32 Uhr, 09.01.2012

Argentiniens Pleite als Vorbild für Griechenland?

Wenn dieser Tage die Griechenlandkrise thematisiert wird, ist viel von Argentinien die Rede. Es ist inzwischen genau elf Jahre her, dass das südamerikanische Land offiziell die Zahlungsunfähigkeit erklärte. Die Überlegung liegt nahe, ob der Werdegang Argentiniens danach als Blaupause für Griechenland dienen könnte.

Zwischen den beiden Staaten gibt es interessante Parallelen, aber auch gravierende Unterschiede.
Argentinien führt für seine Landeswährung Peso 1991 eine Bindung an den USD ein, um der galoppierenden Inflation Herr zu werden. Dies gelang auch, die Preissteigerungsraten gingen zurück, die Zinsen sanken, der Konsum stieg an. Die Wirtschaft wuchs, nicht aber die innere Wirtschaftskraft des Landes. Eine schwache Infrastruktur und verkrustete Strukturen verbündeten sich mit einem starken Dollar in den 90er Jahren zu einer gefährlichen Mixtur. Argentinien musste sich immer stärker verschulden. Irgendwann kapierten auch die Bürger, dass dies nicht ewig gut gehen würde. Es kam zu einem immensen Kapitalabfluss, schließlich wurden die Bankguthaben eingefroren.

Was in Argentinien anschließend passierte, ist hoffentlich kein Vorbild für Griechenland. In bürgerkriegsähnlichen Zuständen kam es zu Massenausschreitungen, Plünderungen und einem totalen Chaos. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebte in Armut.
Zwölf Tage sahen vier Präsidenten kommen und gehen, Senator Eduardo Duhalde gelang es schließlich am 2. Januar 2002, die Kontrolle an sich zu reißen. Er tat das einzig richtige und gab den Peso frei (zunächst nur nach innen, im Außenwert wurde nur um 28% abgewertet), der in der Folge drei Viertel seines Wertes verlor. Argentiniens Wirtschaftsminister reiste nach Washington zum IWF und erklärte dem verdutzten späteren Bundespräsidenten Horst Köhler, dass die Südamerikaner kein Geld mehr vom IWF wollten – und sich damit auch nicht dessen eisernen Sparkorsett unterwerfen.
Argentinien bediente Auslandsschulden gar nicht mehr, und so gelang es sogar Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften. Bei rund 150% Schuldenstand im Verhältnis zum BIP wurden die Gläubiger teilenteignet – sie mussten nominal ca. auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten und neue Bonds im Tausch gegen die alten Anleihen akzeptieren (de facto war der Verlust viel höher, da aufgelaufene Zinsen ignoriert wurden). Diejenigen, die sich weigerten, bekamen gar nichts. Das sorgt bis heute für Unmut, Argentinien ist eine „res publica non grata“ am Kapitalmarkt.
2003 wurde Néstor Kirchner Präsident. Politische Stabilität und Wachstum kehrten ins Land zurück.
Heute ist Argentinien eine der aufblühenden Wirtschaftsnationen in Südamerika. Wachstumsraten von 8% p.a. sind „normal“. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle auch, dass nicht nur ausländische Gläubiger bluten mussten sondern auch inländische Sparer. So wurden z.B. alle Konten oberhalb bestimmter Grenzen zwangsweise in langlaufende Sparbücher umgewandelt

Kann man Argentinien mit Griechenland vergleichen? Zunächst ist es bemerkenswert, dass in Argentinien rund zehn Jahre nach der Bindung des Peso an den USD die Krise ihrem Höhepunkt zusteuerte, während die ökonomischen Auswirkungen unmittelbar nach der Bindung noch positiv aussahen. Griechenland trat dem Euro 2001 bei und die unmittelbaren Folgen sagen ebenso positiv aus.Und nun, zehn Jahre später? Der Euro ist für Griechenland zu stark, wie für Argentinien der USD zu stark war. Immerhin hat Griechenland nicht mit dem Problem zu kämpfen, die eigene Währung mit Deviseninterventionen stützen zu müssen. Die Arbeitslosigkeit liegt mit etwa 20% zwar schon sehr hoch, ist aber von den argentinischen Verhältnissen 2001 sehr weit entfernt. Grundlegende Strukturreformen sind angemahnt, aber noch nicht angegangen worden. Die Griechen haben im Export wenig zu bieten und importieren viel. Die Staatsverschuldung liegt bei 160% des BIP. Und die Kapitalflucht ist in vollem Gange…

Ein wesentlicher Unterschied: Argentinien war schon damals ein isoliertes Land mit eigener Währung, während Griechenland in einen mächtigen politischen und wirtschaftlichen Verbund namens Europäische Union eingebettet ist. Und Argentinien verfügt über begehrte Soft Commodities im Überfluss, während Griechenland außer Olivenöl, Ouzo und Feta-Käse nicht viel im Programm hat.

Sollte Griechenland den Weg der Staatspleite wählen, wobei wählen wohl der falsche Ausdruck ist – dann muss es dem Land gelingen, hinsichtlich der Gläubigerbehandlung einen akzeptablen Weg zu finden. Eine Totalenteignung würde einigen sicher gefallen, würde aber innerhalb der EU wohl zu einer derartigen Abkapselung führen, dass die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen arg beschädigt wären. Andererseits wird Griechenland um einen hohen Schuldenschnitt gar nicht herumkommen, sollte tatsächlich der Euro aufgegeben werden. Denn dann steigt die Verschuldung, unter sonst gleichen Umständen, schon alleine durch die Abwertung der neuen Währung drastisch an.

Wie es auch kommen mag, eine Parallele zu Argentinien gilt es unbedingt zu verhindern. Im Chaos des Umbruchs kamen 39 Menschen ums Leben. Wir hoffen für Griechenland auf einen friedlichen Wandel.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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