Kommentar
21:39 Uhr, 15.03.2007

Aqua America: Das größte an der Börse gehandelte Wasserunternehmen der USA

Verkehrte Welt. An einigen Stellen gibt es zu viel Wasser, an anderen zu wenig. Zwar sind rund zwei Drittel des Globus mit Wasser bedeckt, sauberes Trinkwasser ist aber dennoch knapp, weil das kostbare Nass oft zu viel Salz und Schmutz enthält. Das Problem verschlimmert sich, weil die Bevölkerung der Erde wächst, die Natur aber nicht von selbst mehr klares trinkbares Nass liefert.

Aqua America Inc. (A0BLW0 ISIN: US03836W10369) schafft Ordnung. Aqua zählt zu den Unternehmen, die sauberes Wasser in die Haushalte und Unternehmen schaffen und das verbrauchte Nass wieder sachgerecht entsorgen.

Aqua America Inc. ist das größte an der Börse gehandelte Wasserunternehmen der USA und zugleich die größte pure Wasseraktie. Die europäischen Wettbewerber Veolia Environnement SA und Suez sind Mischkonzerne, bei denen das Wasser nur einen Teil zum Konzernumsatz beisteuert. Aqua America bedient derzeit 2,8 Millionen Kunden, also Haushalte und Unternehmen, in 13 US-Bundesstaaten, darunter New York, Texas, Florida, Pennsylvania oder New Jersey. Der Löwenanteil der Einnahmen stammt aus Pennsylvania. Dort liegt auch der Firmensitz.

Der Bedarf an Trinkwasser wächst im langfristigen Trend. Für europäische Verhältnisse ist die USA ein "südliches" Land. New York, obwohl im Nordosten des Landes, liegt etwa auf dem Breitengrad von Neapel oder Madrid. Im heißen amerikanischen Sommer wird daher viel Wasser verbraucht. Sollten die Klimaforscher Recht behalten, dürften die durchschnittlichen Temperaturen in den kommenden Jahren weiter zunehmen - und damit auch der Wasserverbrauch. Aqua ist also auch eine Wette auf die Erderwärmung.

Außerdem wächst die Bevölkerung in den USA stetig, vor allem durch die anhaltende Zuwanderung aus Lateinamerika. Der gleichzeitig wachsende Wohlstand der Durchschnittsamerikaner steigert ebenfalls den Wasserbedarf, etwa für Whirlpools, Spaßbäder oder zum Waschen des Zweitwagens.

Aqua verfolgt außerdem gezielt die Strategie: Langfristiges Gewinnwachstum durch Unternehmenszukäufe. Daran liegt die Fantasie der Aktie. Derzeit deckt der Wasserkonzern, gemessen an der Zahl seiner Kunden, ungefähr nur zwei Prozent des riesigen Landes ab. Die Investoren hoffen also darauf, dass Aqua sein Leitungsnetz immer breiter über die USA ausdehnt.

Seit den frühen 1990er Jahren hat das Management bereits mehr als 120 Zukäufe getätigt. Davon wurden allein 90 in den vergangenen 5 Jahren abgeschlossen. Im vergangenen Jahr hat Aqua auch in New York (Long Island) zugekauft und füllt nun auch die Whirlpools einiger New Yorker.

Die zugekauften Wasserwerke stammen vorwiegend aus öffentlichen Händen (Kommunen) oder aus den Portfolios privater Investoren. Dazu stellt das Management nach eigener Aussage laufend Untersuchungen über die attraktiven lokalen Märkte und Wasserwerke an. Damit gibt es in diesem Punkt eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Investmentfonds, der sich auf den Bereich Wasser spezialisiert, etwa mit einem Private Equity Fonds oder einem hochspezialisierte Hedgefonds, der zugleich die Beteiligungen betriebswirtschaftlich kontrolliert.

Solange Aqua für die zugekauften Wasserwerke mehr Erträge erzielt, als der Konzern dafür ausgeben muss (einschließlich der Zinsen, der dafür aufgenommenen Kredite) funktioniert das Geschäftsmodell. Derzeit steigen die Gewinne im langfristigen Trend um gut 10% pro Jahr. Von 2003 bis 2005 wuchs der Gewinn im Durchschnitt - dank der stetigen Zukäufe - um rund 13%. Für das laufende Jahr geht der Konsens der Analysten davon aus, dass der Gewinn je Aktie um 14% auf 80 Cent steigt. Für 2008 stellen die Analysten im Durchschnitt einen Gewinnanstieg auf 88 Cent in Aussicht. In den kommenden 5 Jahren sollte der Gewinn je Aktie nach Ansicht der Analysten um durchschnittlich 11% pro Jahr wachsen.

Bislang hat das Management gezeigt, dass es das Gefühl dafür besitzt, attraktive Gelegenheiten aufzuspüren und die übernommen Unternehmen zu integrieren. Solange das Management dieses Gespür nicht verliert, sollte die Erfolgsstory von Aqua America anhalten. Vorübergehend, so auch in den ersten drei Quartalen 2006, können die Gewinne allerdings auch fallen. Zeitweise entstehen durch die Restaurierung von Wasserleitungen hohe Kosten. Beim Ersatz alter Wasserleitung wird etwa Kupfer benötigt, das derzeit teuer ist. Außerdem fallen hohen Zinsen an. Natürlich spielt beim Wasserverkauf auch das Wetter eine große Rolle. Im vergangenen Jahr etwa gab es eine gewöhnlich große Zahl von Regentagen, beklagt das Management. Dadurch sei der Wasserbedarf zum Rasen sprengen, Auto-waschen und zum Auffüllen von Swimming Pools verringert werden. Betroffen waren die Betriebe im Norden und Nordosten der USA.

Das Jahr 2006 verlief daher in den Bilanzen von Aqua durchwachsen. Insgesamt wuchs der Umsatz um 7.4 % auf 533.5 Millionen Dollar. Der Konzerngewinn verbesserte sich damals aber nur leicht auf 92.0 Millionen Dollar (2005: 91.2 Millionen Dollar). Da die Zahl der umlaufenden Aktien gleichzeitig gestiegen ist - teilweise weil Aktienoptionen an Führungskräfte ausgegeben wurden - ging der Gewinn pro Aktie auf 70 Cent zurück (Vorjahr: 71 Cent). Der Gewinnrückgang konzentrierte sich auf die ersten drei Quartale des Jahres 2006. Das vierte Quartal brachte aber deutliche Verbesserungen. Im vierten Quartal 2006 wuchs der operative Umsatz, also aus der Wasserversorgung und Entsorgung aber ohne Zinsen, gegenüber dem vierten Quartal 2005 wieder um 11% auf 136.8 Millionen Dollar. Der Nettogewinn kletterte um 16% auf 25.7 Millionen. Je Aktie sind das 19 Cent (Vorjahr: 17 Cent). Dabei wurde berücksichtigt, dass die Zahl der ausstehenden Aktien seit dem Vorjahr um 3% gestiegen ist.

Die Aktie hatte den Crash der Jahrtausendwende gut überstanden. Die zeitweise fallenden Gewinne im vergangenen Jahr haben aber den langfristigen Aufwärtstrend der Aktie vorerst unterbrochen. In den Turbulenzen der vergangenen Woche fiel das Papier außerdem um 10%.

Aber auch auf dem heutigen Niveau ist die Wasser-Aktie mit einem KGV von knapp 30 nicht gerade billig. Allerdings gesteht die Wall Street auch vielen der kleineren anderen börsennotierten US-Wasserwerken ähnliche Relationen zu.

Damit honoriert die Börse auch, dass der Wettbewerb bei Wasserunternehmen deutlich geringer ist als bei vielen anderen Branchen. Wettbewerb würde erfordern, dass nicht nur eine Wasserleitung sondern mehrere Wasserleitungen nebeneinander gelegt werden. Das ist selbstverständlich zu teuer. Daher gibt es bei der Wasserversorgung und -entsorgung stets ein Leitungs- oder Netzmonopol.

Außerdem kann Trinkwasser - im Gegensatz zum Öl - nicht durch Kornschnaps oder andere Alternativen ersetzt werden. Die Investoren müssen also nicht befürchten, dass - wie das in den meisten anderen Branchen üblich ist - ein Wettbewerber ein attraktiveres Produkt erfindet und damit den Markt wegnimmt. Da es praktisch keinen Wettbewerb auf dem Markt von Aqua gibt, wird der Wasserpreis auch in den USA vom Staat reguliert, um die Verbraucher von der Willkür der Versorger zu schützen. Wenn Aqua den Wasserpreis erhöhen will, muss der Konzern sich das von der zuständigen Behörde genehmigen lassen. Das geschieht laufend. Aqua reicht dann entsprechende Begründungen ein, beispielsweise Ausgaben für Investitionen in das Leitungsnetz. In dem hohen KGV steckt auch das zunehmende Bewusstsein, dass Trinkwasser ein knappes Wirtschaftsgut ist und bei steigender Nachfrage langfristig an Wert gewinnt. Außerdem zahlt Aqua Dividende. Derzeit sind das 0,46 Cent je Aktie, also eine Rendite von ungefähr 2%.

Zusammenfassung: Aqua America Inc. ist der größte lupenreine Wasserversorger- und Abwasserentsorger, der an der Wall Street gehandelt wird. Derzeit hat der Infrastrukturkonzern 2,8 Millionen Kunden in 13 US-Bundesstaaten. Damit deckt Aqua heute ungefähr 2% des US-Wasserbedarfs ab. Die langfristige Erwärmung der Erde sollte den Wasserbedarf im Trend genauso steigern wie das Wachstum von Bevölkerung und Wohlstand in den USA. Aqua betreibt zudem die Strategie: Gewinnwachstum durch Unternehmenszukäufe. Der Wasserversorger kauft laufend kleinere Wasserwerke hinzu. Im langfristigen Trend steigen die Gewinne daher jährlich um gut 10%. Allerdings schwanken die Gewinne kurzfristig sehr stark: Schlechtes Wetter kann vorübergehend den Wasserbedarf verringern, außerdem spielen die Kosten für Erneuerungen der Leitungsnetze und Zinsen eine große Rolle. Aqua muss wenig Wettbewerb fürchten, dafür müssen Preiserhöhungen aber von den Behörden genehmigt werden. Mit einem KGV von knapp 30 ist ein Teil der langfristigen Fantasie schon eingepreist.

Artikel erschienen im Rohstoff-Report: http://www.rohstoff-report.de - Der reichweitenstärkste Börsenbrief in Deutschland mit Schwerpunkt Rohstoffe, Edelmetalle, erneuerbare Energien. Fundamentalresearch und zusätzlich charttechnische Analysen mit Kurszielen. Melden Sie sich KOSTENLOS an.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten