Kommentar
14:15 Uhr, 18.05.2004

Angst vor Zinserhöhung in den USA nimmt zu

In der letzten Woche gaben die US-Aktienmärkte erneut nach, denn Anleger stellten sich zunehmend auf eine Zinserhöhung ein. Im April schwächten sich die vorläufigen Einzelhandelsumsätze ab, während die Verbraucherpreise um 0,2% zulegten. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres ist die auf das Jahr bezogene Teuerung der Verbraucherpreise damit so hoch wie seit acht Jahren nicht mehr. Die steigenden Inflations- und damit Zinserwartungen dürften im Zusammenspiel mit dem hohen Ölpreis Druck auf die Margen der Unternehmen ausüben. Vor diesem Hintergrund hatten defensive Branchen wie Gesundheit und Rohstoffe erneut die Nase vorn vor Zyklikern aus den Bereichen Informationstechnologie (IT), Telekommunikation und Finanzen. Im April stieg die Industrieproduktion stärker als erwartet, während die Mai-Umfrage der Universität von Michigan zum Verbrauchervertrauen unverändert ausfiel, gebremst durch den Anstieg der Benzinpreise. Das Handelsdefizit hat sich im März stärker als erwartet ausgeweitet.

Auch in Japan stellten sich die Anleger zunehmend auf eine mögliche Zinserhöhung in den USA ein und zogen damit die dortigen Aktienmärkte ins Minus. Der Löwenanteil der Verluste konzentrierte sich auf den Montag als Reaktion auf die US-Beschäftigungszahlen sowie deren Auswirkungen auf die Zinspolitik der US-Notenbank. Überraschend kam der Rückgang bei den Aufträgen für Anlagen und Maschinen im März und auch der Ausblick für den Binnenmarkt gab wenig Anlass zum Jubeln. So verzeichneten die Umsätze der Tokioter Warenhäuser im April einen Rückgang um 3%. Eine weitere Belastung für die japanische Industrieproduktion, die im März um 0,6% zulegte, stellt der hohe Ölpreis dar.

Auch die europäischen Aktienmärkte gingen mit Verlusten ins Wochenende. So gelang es den positiven BIP-Zahlen und auch der starken Indexgewichtung von Energiewerten nicht, die Märkte in Plus zu hieven, die sich wie die anderen globalen Märkte auf höhere Zinsen und rückläufige Risiken einstellten. Im ersten Quartal ist die Wirtschaft der Eurozone um 0,6% gewachsen, das ist die höchste Wachstumsrate seit drei Jahren, die damit die Prognosen der Analysten leicht übertraf. Wegen der stagnierenden Verbraucherausgaben hinkt Europa in puncto Wachstum hinter den USA und Japan her. Die Volkswirtschaften in Deutschland, Italien und den Niederlanden wuchsen um jeweils 0,4%, während Frankreich, das als einziges eine höhere Verbrauchernachfrage ausweisen konnte, eine Wachstumsrate von 0,8% erzielte. Im März schwächte sich die Industrieproduktion in der Eurozone um 0,2% ab. Während sie in Deutschland über den Erwartungen des Konsens lag, fiel sie für Frankreich und Italien enttäuschend aus. In Großbritannien trat die Industrieproduktion im März auf der Stelle, Analysten hatten hingegen mit einem Zuwachs von 0,6% gerechnet.

In der Region Asien-Pazifik musste der MSCI Asia Pacific-Index den herbsten Wochenverlust seit drei Jahren wegstecken. Mit einem Rückgang von 6% stellte sich der Markt offensichtlich auf die Möglichkeit steigender Zinsen in den USA und China ein. Die von Technologiewerten dominierten Märkte in Korea und Taiwan büßten 8% bzw. 4% ihres Werts ein, während der China Enterprises Index der in Hongkong gelisteten chinesischen Unternehmen sogar mit 11% ins Minus rutschte. In China, wo die Regierung Maßnahmen zur Abkühlung der überhitzten Wirtschaft ergreift, ist die Industrieproduktion im April um 19% gestiegen, während sich die Verbraucherpreise seit letztem Jahr um 3,8% und damit stärker als von den zuständigen Stellen anvisiert (3%) verteuert haben. In Indien gab der Sensex um 10% nach. Auslöser waren die Befürchtungen der Anleger, die neu gewählte Kongresspartei könne den Verkauf staatlicher Unternehmen hinauszögern.

In der Region Lateinamerika purzelten die Kurse in Argentinien um rund 10%, nachdem sich zu den US-Zinsängsten noch die von der Regierung erlassenen Steuererhöhungen für Stromgesellschaften hinzugesellten. Die Folge waren Spekulationen über einen möglichen Energieversorgungsengpass, der die Wirtschaft des Landes ausbremsen könnte.

An den meisten Staatsanleihemärkten fielen die Kurse, da sich die Anleger zunehmend auf ein Anziehen der Zinszügel in den USA im Juni einstellen. Am Freitag kam es zu einer Korrektur des am Mittwoch gesehenen Rückgangs am Treasury-Markt, nachdem der Anstieg des US-Verbraucherpreisindexes doch nicht so hoch ausfiel wie anfangs befürchtet.

Der US-Dollar profitierte an den Devisenmärkten von den Erwartungen der Marktteilnehmer auf steigende Zinsen. Angesichts positiver BIP-Zahlen festigte sich der Euro etwas, während der Yen wegen der Verkäufe japanischer Aktien durch ausländische Anleger nachgab.

An den Rohstoffmärkten kletterte der Ölpreis um weitere 4% nach oben. Zu verdanken war das dem anhaltend starken Nachfrageausblick und der stärkeren Fokussierung der Terroristen auf Anschlagsziele in Saudi-Arabien und Irak, den beiden wichtigsten nachgewiesenen Ölreserven der Welt. Inzwischen ist der Rohölpreis auf den höchsten Stand seit 1990 geklettert und hat in seinem Gefolge den Benzinpreis in den letzten drei Wochen um 23% verteuert.

Anzeichen für Abschwächung in Asien beschleunigen Rotation in Qualitätstitel

In der letzten Woche beschleunigte sich der Verkauf risikoreicherer, zyklischerer Titel aus dem Nebenwertesegment. Hauptgrund waren die sich mehrenden Anzeichen einer Abkühlung in Asien sowie der überschüssigen Nachfrage bei operativ verschuldeten Unternehmen. Entsprechend setzten Anleger ihre Umschichtung in größere, qualitativere und defensivere Namen fort. Zu den größten Nutznießern gehörten konjunkturunabhängige Konsumgüter, Gesundheit, einige Versorger sowie Ölwerte (letzteren kam zudem der stark gestiegene Ölpreis zur Hilfe).

Verkaufswelle schafft Gelegenheiten - mit dem Zugreifen sollte man aber noch warten

An den Aktienmärkten machen sich zudem Anzeichen für eine Auflösung von Risiko-Positionen bemerkbar. So nimmt beispielsweise die implizite Volatilität der Aktien-Optionen zu. Indikatoren zur relativen Stärke weisen außerdem darauf hin, dass der Verkauf von Risikoanlagen noch nicht abgeschlossen ist. Wir sind der Meinung, dass sich die aktuellen Trends noch mindestens das kommende Quartal fortsetzen werden. Durch den massiv beschleunigten Verkauf ergeben sich inzwischen durchaus günstige Gelegenheiten, ein gutes Beispiel ist der rasante Kursverfall chinesischer Aktienwerte. Wir raten jedoch dazu, mit dem Einstieg noch etwas zu warten. Bewegungen an den Märkten

Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)

Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt 471 Mrd. US-Dollar (per 30. Juni 2003). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen