Analyse
15:49 Uhr, 13.04.2009

Amerikas zweiter Anlauf im Klimaschutz

Externe Quelle: Deutsche Bank Research

In den Vereinigten Staaten hat das Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf für die Klima- und Energiepolitik vorgelegt. Bis zum Jahresende soll eine Entscheidung fallen. Kernstück der neuen Klimapolitik in den USA wird die Einführung eines Emissionshandelssystems sein. Die Treibhausgasemissionen sollen bis zur Mitte des Jahrhunderts um mehr als 80% zurückgeführt werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, die erneuerbaren Energien und emissionsarme Technologien stärker als bisher zu fördern. Kongress und Präsident müssen noch einige Verteilungskonflikte lösen, um dem Unterfangen zum Erfolg zu verhelfen.

Am 31. März legten die beiden demokratischen Abgeordneten Henry Waxman und Edward Markey einen neuen Klimagesetzentwurf zur Diskussion im Energie- und Handelsausschuss des Repräsentantenhauses vor. Der „American Clean Energy and Security Act of 2009“ stellt den zweiten großen Anlauf in der US-Klimapolitik nach dem Scheitern eines ähnlichen Unterfangens im Senat im Juni 2008 dar. Nach dem politischen Amtswechsel stehen die Weichen nun auf grün: die demokratischen Mehrheitsführer im Kongress streben eine Einigung mit Obama bis zum Jahresende an. Der Entwurf soll noch bis zum Juni im Repräsentantenhaus zum Gesetz reifen, und nach parallelen Arbeiten im Senat ist für den Herbst eine möglichst rasche Vermittlung vorgesehen. Die US-Vertreter möchten auch kaum mit leeren Koffern im Dezember nach Kopenhagen reisen müssen.

Das Gesetz sieht die Einführung des Emissionshandels, die Förderung der erneuerbaren Energien, eine erhöhte Energieeffizienz und Übergangshilfen für Verbraucher und Unternehmen vor. Das Herzstück stellt freilich der Emissionshandel dar: rund 85% der US-Emissionen von sechs wichtigen Treibhausgasen sollen erfasst werden, und dies im Stromsektor, der Industrie und dem Verkehrswesen. Im Startjahr 2012 soll die Obergrenze der Verschmutzungszertifikate das tatsächliche Emissionsniveau von 2005 (7,2 Gt CO2-Äq.) um 3% unterschreiten, und danach geht es linear und weit nach unten (2020: 20%, 2030: 42%; 2050: 83%). Ausgleichsmaßnahmen bzw. Gutschriften aus inländischen und internationalen Maßnahmen wären bis maximal zwei Gigatonnen pro Jahr zulässig. Eine Reserve aus Zertifikaten soll angelegt werden, die bei einem zu raschen Preisanstieg zur Dämpfung genutzt werden kann. Zusätzlich sollen internationale Maßnahmen zum Schutz der Wälder erhebliche weitere Einsparungen erbringen. Der Entwurf enthält jedoch noch keine Bestimmungen über die Verwendung von Auktionseinnahmen.

Des Weiteren sieht der Entwurf Mindestanteile an Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen (25% im Jahr 2025), einen emissionsarmen Kraftstoffstandard, Fördermaßnahmen für die Entwicklung elektrischer Kraftfahrzeuge, für die Kohlenstoffabscheidung und -lagerung und für den Aufbau eines intelligenten Stromnetzes vor. Eine effizientere Nutzung von Energie soll durch Gebäude- und Gerätestandards, straffe Flottenverbrauchsvorgaben und durch Entlohnungen der Stromverteilungsgesellschaften für Einsparerfolge ihrer Kunden vorangetrieben werden. Erfreulicherweise hat das Repräsentantenhaus die Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien mit hohem Importanteil nicht vorrangig durch Grenzausgleichsabgaben aufgegriffen, sondern wie die EU die freie Zuteilung von Zertifikaten an ausgewählte Branchen als erste Verteidigungslinie gewählt.

Bis zur Verabschiedung eines Gesetzes sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen, vor allem im Senat, in dem 60 Stimmen erforderlich sein werden:

- Die Kohlestaaten benötigen Regelungen, die einen geförderten Übergang der Kohleverstromung auf CCS-Basis ermöglichen; dies ist nicht so leicht wie gedacht, zumal der Zertifikatepreis bei dem vorgeschlagenen Klimafahrplan, den 2008 nach unten revidierten Szenarien für die Emissionen sowie niedrigeren Annahmen über das Wachstumspotenzial der USA wohl noch lange unterhalb eines für CCS kommerziell tragfähigen Niveaus von geschätzten 30-35 Dollar verharren dürfte, mithin die unsichtbare Hand nicht für einen raschen Übergang sorgen wird.

- Die Staaten mit energieintensiven Industrien wollen großzügige Zugeständnisse für eine breite Palette von Branchen einhandeln.

- Die Auseinandersetzungen über den Umfang der Versteigerung sowie die Verwendung der Erlöse sind wieder aufgeflackert. Präsident Obama favorisiert die Rückleitung des Löwenanteils der Auktionseinnahmen an die Bürger über Steuersenkungen, ergänzt durch die Dotierung seines 150-Mrd.-Dollar Technologieprogramm (über zehn Jahre). Im Kongress dagegen spielen Forderungen nach freien Zuteilungen für viele Jahre, die Zuteilungsbasis - Produktion oder Verbrauch von Strom auf Staatenebene - und die einzelstaatliche Preisregulierung der Stromversorger bei einer freien Zuteilung noch eine große Rolle. Den Hexenkessel der Zuteilungspolitik auf dem Capitol Hill abzukühlen und hohe Erlöse von Beginn an politisch durchzusetzen wird die Obama Administration noch stark fordern.

- Die politische Diskussion über die notwendige Belastung der Bürger und Unternehmen durch höhere Energiekosten (Heizung, Treibstoffe, Strom etc.) inmitten der Wirtschaftskrise muss erst noch ausgestanden werden. So hat jüngst der Senat mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, dass Klimaschutz den Bürger nichts kosten dürfe.

Sounds familiar to Europeans? Yes, it does.

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