Kommentar
00:30 Uhr, 19.03.2008

Amerika opfert derzeit die eigene Währung, um die Kreditkrise in den Griff zu bekommen

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Stecken wir in der schwersten Finanzkrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs? Die DeFacto-Pleite des Traditionshauses Bear Stearns ist der vorläufige Höhepunkt einer Welle von Hiobsbotschaften, die wie der ökonomische Beweis der Chaostheorie anmuten. Mit ein paar notleidenden Krediten hat alles angefangen … und nun steht die WallStreet in Flammen.

Die weltumspannende Verknüpfung des Kapitals, die vielfältigen Überkreuzbeteiligungen, der gigantische, selbst für Insider nicht mehr überschaubare Derivatemarkt, der in seinem Volumen die Realwirtschaft weit in den Schatten stellt – die von Warren Buffett gefürchteten Massenvernichtungswaffen haben gezündet.

Und die Notenbanken müssen nun ihren Abwehrschild aktivieren. Dieses Arsenal ist immens, auch wenn es scheinbar bisher nicht viel gebracht hat. Amerika opfert derzeit die eigene Währung, um die fragile Wirtschaft per Notmaßnahmen am Leben zu halten. Sinkende Zinsen, Liquiditätsbereitstellungen für den Geldmarkt in nie gesehenem Ausmaß – von vielen Experten in der Welt massiv kritisiert, und dennoch in der aktuellen Lage wahrscheinlich das einzig realistische. Wenn die Notenbanken jetzt nicht völlig unzweifelhaft und entschlossen das Finanzsystem stützen und insbesondere die Geschäftsbanken, dann wird es nicht nur zu Panik an den Börsen kommen.

Wird das Misstrauen der Bürger zu groß, kriegen Sie Angst um ihr Erspartes, dann bilden sich die ersten Schlangen vor den Bank-Schaltern … so etwas gab es schon und kann auch wieder passieren. Man darf sich da keinen Illusionen hingeben.

Deswegen ist es in der jetzigen Situation allererste Pflicht, Vertrauen wieder herzustellen.

Und dazu gehören auch sicherlich nicht ganz freimarkt-konforme Maßnahmen wie die der Fed.

Wir befinden uns in einer sehr heiklen Situation, und es bleibt nur zu hoffen dass dies auch in der EZB-Zentrale ankommt. Wie man sich dort gegen Zinssenkungen sträubt, auch angesichts des US-Dollar-Verfalls, ist nur noch Realitätsverweigerung.

Was muss getan werden, wenn die aktuelle Krise ausgestanden ist? Das wichtigste scheint mir zu sein, dass in den Vorstandsetagen wieder mittel-und langfristiges Denken Einzug hält. Das erreicht man nur, indem die Anreizsysteme entsprechend gestaltet werden. Die Maximierung des kurzfristigen Profits auf Kosten der Substanz darf sich nicht mehr lohnen. Das umzusetzen, ist freilich eine Herkules-Aufgabe.

Ihr Daniel Kühn - Chefredaktion TradersJournal und ForexReport

Sinkende Zinsen alleine reichen nicht, um die Finanzkrise einzudämmen. Das ist allen Marktteilnehmern klar. Denn wenn es eine Zurückhaltung bei der Vergabe von Krediten gibt, aus Angst die Gegenpartei wird nicht zahlen können, dann bringen sinkende Zinsen wenig bis gar nichts. Nur der Kreditnehmer ist dann erhöht motiviert, der Kreditgeber hat Angst. So kommt es immer wieder auch im Interbankenhandel, in dem sich Banken untereinander kurzfristig Geld leihen, zu Störungen. Wer weiß schon, wer welche Leichen im Keller hat? Für solche Fälle sind Liquiditätsspritzen wie die gestrige konzertierte Aktion der Fed, EZB und anderer europäischer Banken gut. Allein von der Fed kamen 200 Mrd. US-Dollar und weitere 140 Mrd. sind avisiert. Wird das helfen?

Kurzfristig ja. Mittelfristig kann es sein, dass die Notenbanken und Regierungen zu noch drastischeren Maßnahmen greifen werden (müssen). Dabei gäbe es mehrere Wege. So könnten zum einen die Kriterien für die Wertpapiere, die im Rahmen der Refinanzierungsgeschäfte als Sicherheit genommen werden, drastisch aufgeweicht werden. Dann dürften Banken beispielsweise ihre amomentan quasi unverkäuflichen Subrime-Papiere bei den Zentralbanken unterbringen gegen frische neue Liquidität. Anderer Weg wäre, die fraglichen Papiere direkt aufkaufen zu lassen, z.B. durch staatliche bzw. halbstaatliche Banken.

Das zeigt natürlich gravierende Anreizproblematiken auf. Die Banken bzw. deren Manager dürfen nicht in dem Glauben gewogen werden, dass sie beliebige Risiken eingehen dürfen und der Staat springt dann in jedem Fall ein. Trotzdem scheint es, dass die jetzige Situation so heikel ist und die Angst vor einer globalen Finanzschmelze so hoch, dass die Wahrscheinlichkeit für ein solches Vorgehen nicht gering ist.

Die Folge wäre höchstwahrscheinlich eine weitere Inflationierung, die vor allem die USA betreffen würde und den US-Dollar weiter schwächen.

Was eine schwache eigene Währung für den Export bedeutet, kann man in den USA gerade beobachten. Der Januar lag auf Rekordniveau mit einem Volumen von 148,2 Mrd. US-Dollar mit plus 1,6% gegenüber Vormonat. Die Stärke des Außenhandels kommt natürlich gerade zur rechten Zeit, auch wenn sie nicht ausreichen wird, die drohende Schwäche im Binnenkonsum auszugleichen.

Zum Schluss noch zwei erfreuliche Nachrichten aus Deutschland. Unsere Wirtschaft ist erstaunlich stark, wie der ZEW-Index zeigt. Besonders die Ausfuhren laufen bestens. Hier möchte ich noch mal auf die USA verweisen, mit folgendem Unterschied: In den USA boomt der Export WEGEN schwacher eigener Währung, in Deutschland TROTZ starker eigener Währung. Da kann man durchaus mit Stolz feststellen, dass die hervorragende Qualität der Produkte der Grund ist…

Zweite Nachricht: Die Bundesbank wird von ihrem Recht zu Goldverkäufen bis 2009 offenbar keinen Gebrauch machen. 3400 Tonnen schlummern in den Tresoren (wo die genau liegen, ist wieder eine andere Frage…). Das ist der zweithöchste Bestand weltweit nach den USA. Entspricht einem Wert von 100 Mrd. US-Dollar. Sehr begrüßenswert, das harte Metall nicht in Scheine zu tauschen, die man ohnehin weltweit nach Belieben druckt. Wer weiß, wozu wir das Gold eines Tages noch mal brauchen werden…

Daniel Kühn

Und dieses Wort hat Gewicht, denn da spricht nicht irgendjemand aus Reihe 11 zu den Menschen. Irgendwie sind sie die Dinosaurier der Wirtschaft, wir wollen aber hoffen dass sie nicht aussterben. Sie gehören zu den wohl beeindruckendsten Persönlichkeiten der Finanzbranche. Die Rede ist von Alan Greenspan, Warren Buffett und George Soros.

Greenspan halten viele zwar für den Mitverursacher der gegenwärtigen schwierigen Lage, da er die Politik des billigen Geldes während seiner Amtszeit als Fed-Chef initiiert hat. Aber seine Analyse der Subrime-Krise ist so einfach wie einleuchtend. Dazu muss man gar nicht in die Verbriefungsthematik mit den CDOs einsteigen. Greenspan stellt fest: Banken sollten ihre Kreditvergabe eigentlich einzig von der Kreditwürdigkeit des Schuldners abhängig machen. Tatsächlich tendieren Sie aber dazu, allgemeine Marktentwicklungen mit einzubeziehen. Dies führt zur bereitwilligsten Kreditvergabe dann, wenn ein Boom gerade in eine Blase übergeht. Von 2000 bis 2006 stieg der Anteil von Subprimekrediten an neuen Hypotheken von 9 auf 20%! Die Banken haben ganz einfach fahrlässig darauf gewettet, dass die Immobilienpreise nominal zumindest nicht fallen werden, so dass die Bonität des Schuldners zweitrangig wäre – im Notfall ist ja ein Verkauf möglich! Die Fed hat über die niedrigen Zinsen zwar Mitverantwortung. Die Schuldigen sitzen aber in den Kreditabteilungen bzw. im Management der Banken.

Warren Buffett, liebevoll Orakel von Ohama genannt, sieht in der Krise sogar so etwas wie Gerechtigkeit aufkommen. „Diejenigen, die die giftige Limonade gebraut haben, haben am Ende selber sehr viel davon getrunken“ doziert Buffett, wohl mit etwas Schadenfreude garniert. Er kann zumindest von sich behaupten, immer gewarnt zu haben. Seine Bezeichnung von Derivaten als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ ist legendär. Die momentane Krise will er übrigens nicht als Kreditkrise verstanden wissen. Denn Geld sei mehr als genug da, und es sei sogar günstig zu leihen, nur eben unter neuer Bewertung der Risiken. Also das Ende des „silly money“. Wir kennen den Begriff ja noch aus Zeiten, als Filmfonds hier en vogue waren und teure Hollywood-Produktionen finanzierten…

George Soros ist unter Devisen-Händlern eine Legende. Er hat damals das britische Pfund niedergerungen und auch gegen die DM gewettert. Später wurde der eiskalte Spekulant zum Philantrop. Die aktuelle Krise hält er für die schlimmste seit 60 Jahren. Sie markiere das Ende einer Ära, nämlich der Ära der Kreditexpansion, die maßgeblich zum Superboom seit Ende des Zweiten Weltkriegs beigetragen hat. Soros behauptet: Jedesmal wenn die Expansion in Gefahr geriet, schritten die Notenbanken ein. Es entstand ein Anreizsystem, das zu noch größerer Krediterweiterung ermunterte, weil die Risiken auf die Allgemeinheit abwälzbar erschienen. Die Komplexität neuer Finanzprodukte ist laut Soros so hoch, dass keiner mehr so recht durchblickt, auch die Notenbanken nicht mehr. Jetzt komme erst mal eine längere Phase der Kontraktion.

Drei Legenden – drei Meinungen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir gerade eine Wendezeit erleben. Und die beste Zeit womöglich erst mal hinter uns haben…

Daniel Kühn

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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