Kommentar
12:00 Uhr, 22.04.2013

Alternative für Deutschland?

Am Wochenende hatte ich auf der Anlegermesse Invest in Stuttgart die Gelegenheit, zahlreiche interessante und anregende Gespräche zu führen. Als ich gerade mit Ralf Flierl vom Smart Investor über die unendliche Eurokrise debattierte, kam mein alter Freund und Kollege Roland Klaus (u.a. ehemaliger NTV-Reporter) um die Ecke. Später wurde das Gespräch nicht unerwartet auf die neue Partei Alternative für Deutschland gelenkt, denn Roland sitzt dort im Vorstand.

GodmodeTrader.de ist zuallererst ein Börsenportal – bitte denken Sie nicht, dass wir versuchen, Sie politisch aktiv zu beeinflussen. Aber wir haben hier schon immer die Einstellung vertreten, dass es Sinn macht, ein breites Spektrum von Ansichten zu tolerieren. Nur bei extremem Radikalismus greifen wir ein bzw. lassen Beiträge nicht zu. Und natürlich hat jeder Redakteur und auch Trader auch eine eigene politische Meinung. Es gibt bei uns keine Vorgaben dazu – wir haben kein Zentralkomitee, das eine Einstellung vorgibt. Jeder darf im oben abgesteckten Rahmen frei seine Meinung äußern, so lang es nicht überhand nimmt – sprich der Fokus auf die Börse nicht verloren geht. Dies vorab für Sie zur Information.

Zurück zur AfD. In den Medien wird sie als Anti-Euro-Partei bezeichnet, und das nicht zu Unrecht. Roland Klaus hat mir die Strategie en detail erläutert. Für die AfD ist das primäre Ziel das Stoppen der Euro-Rettungs-Politik. Mutmaßlich würde ein deutsches Veto hinsichtlich weiterer Hilfen für die klammen Südstaaten auch den Euro zu Fall bringen. Dann könnten in jedem Land der Eurozone nationale Währungen wieder eingeführt werden. Denkbar wäre dies auch parallel zum Euro - was meiner Meinung nach sogar die interessanteste Variante ist. Der Vorsitzende der AfD, der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, hat erst kürzlich als zeitlichen Rahmen für den möglichen Transitionsprozess 5 Jahre angegeben.

Ich will und kann hier nicht zu sehr ins Detail gehen. Zur Eurokrise und zur Rolle des Euro bei den Problemen einiger der „Krisenstaaten“ wurde schon sehr viel geschrieben, ebenso wie zu den Gefahren eines Bruchs der Währungsunion. Ich bin prinzipiell pro Euro, aber gegen die Rettungspolitik. Roland Klaus argumentiert, dies sei ein Widerspruch in sich, weil das eine das andere bedingt. Oder mit anderen Worten: Der Euro muss entweder permanent gerettet werden oder geht unter. Ich tendiere dazu, dass dies eine einseitige Sichtweise ist, muss aber noch tiefer darüber nachdenken.

Eine Partei wie die AfD kann Hoffnung und Angst zugleich machen. Sie kann tendenziell als Auffangbecken für allerlei Wähler dienen, mit denen ich nicht zusammen an einem Tisch sitzen möchte. Die Abgrenzung nach rechts und das klare Bekenntnis zu Europa dürften denn auch die allerwichtigsten Aufgaben für den Vorstand sein, um die Partei für mehr als ein paar Prozent der Wählerschaft attraktiv zu machen.

Ich habe zu Europa eine klare Meinung: für mich kommt eine Rückabwicklung der EU nicht in Frage. Die Union an sich ist ein Erfolgsprojekt allererster Güte. Freier Handel, Reise-und Niederlassungsfreiheit, Arbeiten wo man will. Das darf man nicht aufgeben. Das sind auch die europäischen Qualitäten, die die AfD beibehalten will (durch die aktuellen Entwicklungen aber sogar bedroht sieht).
Es gibt aber sehr viele Ansatzpunkte zur Optimierung, die irgendwie dann doch ein Zurück bedeuten. Ich denke da an Zentralismus, Bürokratie, EU-Parlament, Subventionen und und und…der Drahtseilakt besteht darin, die nötigen Schritte auf der Entfernen-Taste zu machen, ohne aus Versehen die ganze Seite zu löschen. Wie das genau funktionieren soll und kann, ist die große Frage. Vielleicht kann die AfD dazu etwas beitragen, wenn man sie nicht verteufelt.

Das bringt mich zu einer alten Idee für die Reform des Wahlsystems. Ich als FDP-Wähler hatte schon immer ein Problem damit, das Kreuzchen an nur einer Stelle zu machen. Wenn ich mir Philip Rösler als Kanzler vorstelle, wird’s mir doch mulmig. Aber es ist doch so: Wenn alle so handeln wie ich? Dann kommt es so (ich vergaß: Brüderle ist ja „Kanzlerkandidat“.)

Ich habe mich auch schon immer darüber geärgert, wenn nach Wahlen schwadroniert wurde, die Wähler hätten diese oder jene Verteilung im Parlament eben so gewollt und darum muss es eben nun diese Koalition geben. In Wahrheit kann jeder seine entscheidende Zweitstimme nur einer Partei geben – er wählt ja ausdrücklich NICHT eine Zusammensetzung des Parlaments.

Aber wäre das nicht überlegenswert? Statt einer Stimme 100 zu vergeben (entsprechend 100%), und diese dann auf die Parteien verteilen, wobei man keiner mehr als 50 und keiner weniger als 5 Stimmen geben darf (sofern man ihr überhaupt Stimmen gibt). Jeder würde sich also ein Wunschparlament zusammenbauen. Dann könnte man auch mit Fug und Recht behaupten, dass die Wähler sich für die Zusammensetzung des Parlaments genau so entschieden haben.

Und nochmal zurück zur AfD: Ich kann mich aus diversen Gründen wahrscheinlich nicht durchringen, die Partei zu wählen. Aber ich würde sie mir im Parlament wünschen. So wie ich auch die Grünen im Bundestag, aber nicht in der Regierung für korrekt untergebracht halte. Wenn Sie das ähnlich sehen und der Partei sogar helfen wollen, können Sie sich unter https://www.alternativefuer.de/ informieren

Ihr Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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