Kommentar
11:40 Uhr, 08.04.2013

Alternative Anlageinstrumente: Inflation

Erwähnte Instrumente

Seit Jahren zittern Anleger vor der großen Inflation. Bisher lässt sie noch auf sich warten, aber sie lauert in den Startlöchern. Die Anleihekaufprogramme der Notenbanken, rekordtiefe Zinsen und unbegrenzte Liquidität führen zu Inflation – so die konventionelle Theorie. Gewarnt werden wir seit langem, manifestiert hat sich von dem Schreckgespenst noch nicht viel. In Deutschland fiel die Teuerungsrate zu Jahresbeginn sogar auf 1,5%. Es bleibt aber dabei: die Inflation wird kommen – zumindest irgendwann. Akuter Handlungsbedarf besteht nicht. Die deflationären Tendenzen sind zu stark, um einen raschen Anstieg möglich zu machen. Von Deutschland und der Schweiz einmal abgesehen befindet sich Europa in der Rezession. Bestenfalls kann ein Nullwachstum vorgewiesen werden. Ein schnelles Ende der Misere ist nicht abzusehen, auch wenn sich die Anzeichen mehren, dass 2013 der Tiefpunkt erreicht sein wird. Solange das Wachstum nicht Richtung 2% und mehr marschiert, braucht sich eigentlich keiner allzu große Sorgen um Inflation machen.

In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation oder Kontraktion können Notenbanken die Märkte mit so viel Geld fluten wie sie wollen, die Inflation wird es nur moderat anheizen. Für gewöhnlich sinkt in Krisenzeiten die Geldumlaufgeschwindigkeit erheblich, sodass die zusätzliche Liquidität durch die geringere Umlaufgeschwindigkeit „aufgefangen“ wird. In den USA ist die Umlaufgeschwindigkeit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr (erster Chart, M2V rechte y-Achse). Die Geldmenge (M2) wächst dabei kräftig weiter. Vergangenes Jahr betrug der Zuwachs 10%. In absoluten Zahlen ist die Geldmenge von 9,4 Billionen USD auf 10,4 Billionen angestiegen. Seit Beginn der Finanzkrise 2008 betrug der Zuwachs knapp 3 Billionen USD oder 40%.

Jetzt kann man sicherlich streiten, ob die Geldumlaufgeschwindigkeit sinkt, weil mehr Geld vorhanden ist oder nicht. Solange jedenfalls bei sinkender Umlaufgeschwindigkeit mehr Geld ins System kommt, haben wir kein Problem. Sorgen bereitet der Moment, indem die höhere Geldmenge schneller zirkuliert. Das kann tatsächlich zu einem erheblichen Inflationsschub führen. Jene, die vor Inflation warnen, haben genau dieses Szenario vor Augen und befürchten, dass die Notenbanken nicht schnell genug restriktive Geldpolitik umsetzen können, um den Schaden zu begrenzen.

Ich persönlich denke, dass es den Notenbanken möglich sein wird, zeitnah zu reagieren. Hohe Inflation im Bereich von 5% oder mehr halte ich daher für unwahrscheinlich. Ein ganz gewöhnlicher Wirtschaftsaufschwung reicht allerdings, um die Teuerungsrate Richtung 3% zu drücken. Das wäre ein Zuwachs von 100% zum derzeitigen Wert in Deutschland. 100% in ein bis zwei Jahren, das muss ein Wert erst einmal schaffen. Teuerung als Basiswert ist da schon eine Überlegung wert. Der nächste Chart zeigt die Inflation in der Eurozone und England. Eine Longposition in Euroinflation Anfang 2009 (1% Inflation) hätte sich bis Mitte 2011 verfünffacht (5% Inflation). Das sind Bewegungen, die durchaus attraktiv sind.

Wie lässt sich Inflation handeln?

Inflation als solche lässt sich nicht handeln. Es gibt aber Inflationsderivate. Die Eurex bietet Inflations-Futures an. Der Preis der Futures wird täglich in zwei Auktionen festgelegt. Durch diesen Handel spiegeln die Futures die Inflationserwartungen wieder. Diese Erwartung liegt nah an der gemessenen Inflation (nächster Chart). Hier ist die von Eurostat ermittelte Inflation und jeweils der nächstgelegene Future abgebildet. Die Futures bewegen sich also nicht willkürlich und wild, sondern schwanken um den zuletzt gemessenen Wert. Das Settlement eines Futures erfolgt aufgrund der von Eurostat monatlich veröffentlichten Daten.

Die Inflation der Eurozone ist im Prinzip ein Index, der aus den einzelnen Teuerungsraten der Euroländer besteht. Die Länder sind dabei ihrer Größe nach gewichtet. Deutschland erhält das mit Abstand größte Gewicht mit knapp 30%. Danach kommen Frankreich und Italien mit ca. 20%, gefolgt von Spanien mit 12%, den Niederlanden (5%), Belgien, Österreich, Griechenland (jeweils 3%) usw. Drei Länder machen 70% des Index aus. Wer sich seine eigene Inflationserwartung bilden möchte, sollte sich auf diese drei Länder konzentrieren.

Die Futures als Inflationsderivat sind ziemlich transparent gestaltet. Der Basiswert wird von Eurostat ermittelt und ist damit sehr konkret. Die wenigsten Anleger werden aber trotz der Transparenz und Einfachheit des Produkts direkt zum Future greifen. Dieser hat einen Kontraktwert von 1.000.000 EUR. Inzwischen bieten aber immer mehr Broker CFDs auf die Futures an, z.B. mit 10 EUR pro Punkt. Eine Inflationsrate von einem Prozent entspräche dann einem Wert von 100 Euro. CFD Broker verwenden die Inflationsrate so, wie sie auch in den Medien verwendet wird. Der Futurepreis selbst entspricht 100 weniger der Inflation. So betrug der aktuelle Futurepreis nach der Veröffentlichung der Inflationsdaten Mitte März 98,45 bei einer Inflation von 1,5% in Deutschland.

Wer Inflation über CFDs handelt, handelt letztlich einen bestimmten Kontrakt, z.B. den Juni Kontrakt 2013. Das ist wichtig zu wissen, denn mit Ablauf des Kontrakts muss die Position gerollt werden. Die Vorstellung, eine Position so lange zu halten, bis die erwartete Bewegung einsetzt, ist somit nicht umsetzbar. Die gute Nachricht ist aber, dass die Term-Struktur von Inflation vergleichsweise konstant ist. Der nächste Chart zeigt die Futurepreise bis Februar 2014. Die Kurve ist ziemlich unspektakulär. Ich habe hier zweifellos ein Extrem abgebildet. Meist hat die Kurve an der einen oder anderen Stelle durchaus eine Steigung, allerdings ist sie grundsätzlich stabil. Für Positionen, die gerollt werden müssen, ist das sehr vorteilhaft, da kaum Rollkosten anfallen, wenn der ablaufende Kontrakt durch einen anderen ersetzt wird.

Von Monat zu Monat sind die Bewegungen der Inflation überschaubar. Betrachtet man allerdings mittel- bis langfristige Zeiträume ist Inflation ziemlich dynamisch. Auf Jahressicht ist mit Bewegungen von ein bis zwei Prozentpunkten zu rechnen. Bei einem Ausgangswert von z.B. 1,5% ist das sehr viel. Auf Sicht mehrerer Monate müssen Kursgewinne bzw. Verluste im Bereich von 50% bzw. -50% oder mehr einkalkuliert werden. Inflation als Basiswert ist entsprechend als hochspekulativ einzustufen und nicht unbedingt als „gemütlicher“ Hedge zu betrachten. Es gibt jedoch Alternativen zur direkten Teuerungsrate.

Indirekte Inflationslösungen

Die Deutsche Bank bietet seit Ende 2011 einen Inflations- und Deflations-ETF an, der an der New York Stock Exchange gehandelt wird. Die beiden Produkte sind auf US Daten fokussiert. Während der Grundgedanke den Futures ähnelt – sich gegen Inflation zu schützen – ist die Umsetzung eine ganz andere. Der Inflations-ETF besteht aus Longpositionen auf inflationsgebundene Staatsanleihen und einer Shortposition auf nicht indexierte Anleihen. Erstere sind sog. TIPS (Inflation Protected Securities). Wird ein Anstieg der Inflation erwartet, bieten TIPS eine Outperformance gegenüber den herkömmlichen Anleihen. In den USA steigt der Nominalwert der TIPS mit steigender Inflationsrate. Der Kupon bleibt konstant. Da der Prozentsatz aber bei steigender Inflation auf eine höhere Nominale anfällt, steigt der Kupon in absoluten Zahlen ebenfalls.

Der Chart zeigt, dass der ETF sehr viel stabiler ist, als der eigentliche Basiswert (rechte y-Achse). Für viele Anleger ist das ein Vorteil. Nachteilig ist die Konstruktion von Long- und Shortpositionen auf verschiedene Anleihen. In der Theorie sollte der Spread zwischen indexierten und herkömmlichen Anleihen der Inflation entsprechen. Das ist nicht immer der Fall. Die Sorge um steigende Inflation hat dazu geführt, dass TIPS besonders stark nachgefragt wurden. Obwohl die Inflation eigentlich gesunken ist, hat sich der Spread ausgeweitet. So stieg der ETF um den Jahreswechsel, während die Inflation sank. Das kann von Vorteil sein, wenn man auf Kursgewinne setzt. Die Erwartung kann sich aber genauso gut umkehren, sodass TIPS nicht mit einem Aufschlag, sondern einem Abschlag notieren und der Spread erheblich unter der Inflation liegt.

Aufgrund der relativ stabilen Entwicklung des ETF kommt das Instrument durchaus als Langfristanlage in Betracht, allerdings ist dieses Produkt, wie alle anderen, ähnlichen Spread-Lösungen, nur größeren Anlagevolumina vorbehalten. Für Anleger bieten sich da zwei Auswege an. Zum einen kann über Zertifikate in indexierte Anleihen investiert werden. Zum anderen können ETFs auf indexzierte Anleihen gekauft werden. Zertifikate bilden häufig eine bestimmte Anleihe ab und werden zu 100% zurückgezahlt. Aus den eigentlichen Kursbewegungen der Zertifikate halten sich die Möglichkeiten für Gewinne in Grenzen. Interessant sind die Kupons, die sich aus den Kursbewegungen der Basiswerte und der Zinszahlung zusammensetzen. Dadurch können Renditen im Bereich 4-5% erzielt werden. Auch wenn die meisten Zertifikate Kapitalschutzprodukte sind, können kurzfristig größere Kursschwankungen auftreten (z.B. DE000MS0J7U5). Bei begrenztem Ertragspotential stellt sich für Anleger dann zwangsläufig die Frage, ob das Chance-Risiko-Verhältnis Sinn macht.

ETFs stellen eine lukrative Alternative zu Zertifikaten dar. Einerseits wird das Risiko gestreut, indem in eine große Anzahl von Anleihen investiert wird. Anderseits kann global investiert werden. Während in Europa und den USA die Inflation in einer ±2% Range verharrt, ist die Dynamik global erheblich höher.

Die meisten globalen ETFs sind dennoch hauptsächlich in Europa und den USA investiert, da es in vielen Entwicklungsländern an entsprechenden Instrumenten fehlt. Viele Staaten bieten schlichtweg keine inflationsindexierten Anleihen an. Interessant sind diese ETFs dennoch. Der im nächsten Chart dargestellte iBoxx Global Inflation-Linked ETF (LU0290357929) zeigt eine ansehnliche Entwicklung. Der Kursverlauf zeigt, dass die Anleihen zu den Aktienmärkten korreliert sind. Der Bärenmarkt 2008/09 wurde genauso durchlaufen wie an den Aktienmärkten. Der Kursrutsch war mit 12,5% allerdings überschaubar. Seit Emission brachte der ETF eine jährliche Performance von gut 7%. Obwohl das für Staatsanleihen eine gute Rendite ist, hat die Performance nur indirekt mit Inflation zu tun. Die Inflation kommt letztlich nur indirekt über höhere Zinserträge bei steigender Teuerung zum Tragen.

In Inflation zu investieren ist nicht ganz leicht. Die meisten Inflationsprodukte bilden die Teuerung nur indirekt ab und sind mit der eigentlichen Inflation nur wenig korreliert. Diese Produkte bieten zwar auch ansehnliche Renditen, haben mit Inflationsschutz oder dem Handeln von Inflation wenig zu tun. Anlegern bleibt daher vor allem der direkte Weg über CFDs mangels Alternativen. Dieser Weg eröffnet hohe Gewinnchancen. Anlegern muss aber auch klar sein, dass ein direktes Investment in Inflation hochspekulativ ist.

Viel Erfolg

Clemens Schmale

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte:Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Analyse investiert (HICP Euro Inflation Juni 2013).

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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