Kommentar
08:35 Uhr, 19.10.2007

Aktieninvestoren kehren wieder verstärkt zurück

Die von den US-Hypothekarbanken ausgelösten Tiefdruckwirbel sorgten für einen stürmischen Sommer auf den etablierten Kredit- und Kapitalmärkten. US-Institute, die auf die Finanzierung von Kreditnehmern mit geringer Bonität spezialisierten sind, stehen vor zum Teil erheblichen Refinanzierungsproblemen, zahlreiche mussten bereits schließen. Doch während atmosphärische Tiefdruckwirbel in unseren Breiten – bedingt durch die vorherrschende Westströmung – ostwärts ziehen, konnte das bei den Finanzmarktturbulenzen nicht festgestellt werden.

Die Region Mittel- und Osteuropa erwies sich in dieser größten Krise des letzten Jahrzehnts überwiegend resistent. So wurden erst kürzlich die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr für Russland (7,5 Prozent) und die Ukraine (6,5 Prozent) nach oben revidiert, ebenso wie jene für Österreich (3,4 Prozent). Gleichzeitig sollte damit die Spitze des aktuellen Konjunkturzyklus in Österreich und CEE erreicht sein. Entsprechend niedriger, jedoch immer noch über dem Potenzialwachstum, sind die Prognosen für 2008 angesetzt. Einzig in Rumänien (2007e: 5,0 Prozent, 2008f: 6,0 Prozent) und Ungarn (2007e: 2,0 Prozent, 2008f: 3,3 Prozent) sollte das Wachstum im kommenden Jahr zulegen.

Inflationsdruck nimmt in der gesamten Region zu

Das prosperierende Umfeld und steigende Rohstoffpreise heizen die Inflation in den meisten Ländern spürbar an. Die Teuerungsziele von Russland bis Rumänien und Bulgarien sind übertroffen. In Polen und Tschechien ist mit einer steigenden Inflation zu rechnen. Und auch in Österreich ist in den nächsten sechs Monaten von einem kräftigen Anstieg der Konsumentenpreise über die Zwei-Prozent-Marke auszugehen. Mit Ausnahme Ungarns sind Zinserhöhungen daher auch in CEE bis Frühjahr 2008 wahrscheinlich.

Mit der Zinssenkung der US-Notenbank Fed um 50 Basispunkte im September stieg auch die Risikobereitschaft der Investoren in CEE. Die Risikobereitschaft wird anhand des auf Zinsdifferenzen von fünfjährigen Anleihen basierenden RZB Konvergenzindex gemessen. Der RZB Konvergenzindex drückt damit die Erwartung des Finanzmarktes hinsichtlich der Angleichung von Zinsen und Währungen der CEE-Länder an die Eurozone aus. Er kann daher als Indikator für die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts in die Europäische Währungsunion in den kommenden fünf Jahren verstanden werden.

Mit der zunehmender Risikobereitschaft der Investoren wurden Aktien, Eurobonds und Lokalwährungsanleihen (etwa in polnischen Zloty oder ungarischen Forint) attraktiver. Im Zuge der Euro-Aufwertung sollten sich die meisten CEE-Währungen auch gegenüber dem Euro festigen. Allerdings kann die globale Liquiditätskrise bei Leistungsbilanzdefizitländern kurzzeitig für Korrekturen sorgen.

Österreich: 2008 weiterhin überdurchschnittliches Wachstum

Stark wie schon lange nicht mehr präsentierte sich die österreichische Wirtschaft im zweiten Quartal. Das führte zu einer Revision der BIP-Prognose von ursprünglich 3,2 auf nunmehr 3,4 Prozent, womit jedoch der konjunkturelle Höhepunkt erreicht werden soll. Für 2008 ist mit einem deutlichen Rückgang des Wachstums zu rechnen. Die von uns prognostizierten 2,7 Prozent liegen allerdings noch immer über dem langjährigen Durchschnitt. Somit wäre die Wirtschaft dann vier Jahre in Folge über dem Potenzial gewachsen. Als Basis für weiterhin überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum dienen die gute Auftragslage sowie eine Rekord-Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe.

Mit dem konstanten Anziehen der Konjunktur verbesserte sich auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt in den vergangenen Quartalen laufend. Angesichts der hohen Zahl an offenen Stellen sind wir auch für die kommenden Monate optimistisch. Das Tempo, mit dem sich die Arbeitslosenrate der Vollbeschäftigung nähert, wird jedoch abnehmen. So ist mit einem weiteren Absinken der Arbeitslosigkeit von derzeit 4,3 auf 4,2 Prozent im kommenden Jahr zu rechnen.

ATX bis Jahresende bei 4.900 Zählern

Die Krise auf dem US-Hypothekarmarkt übertrug sich im Juli auf die Aktienmärkte. Österreichische ATX Werte konnten sich, trotz des guten Gewinnwachstums im zweiten Quartal, dem nicht entziehen und verloren sogar mehr an Boden, als vergleichbare europäische Werte. Demgegenüber steht eine äußerst stabile Konjunkturentwicklung, dessen Stärke auch Zuversicht für die nächsten Monate gibt. Die guten wirtschaftlichen Basisdaten dürften sich auch in den zukünftigen Quartalsberichten positiv.

Für die anstehende Berichtsaison werden starke Zahlen prognostiziert und die RCB-Schätzungen für das Gewinnwachstum für 2007 wurden von 11,2 Prozent auf 14 Prozent erhöht. Für 2008 wird derzeit ein Gewinnwachstum von 12 Prozent prognostiziert. Auch erhöhte Zinssätze sollten den meisten ATX Unternehmen nicht schaden, da sich einerseits die am höchsten verschuldeten Unternehmen in den letzten Jahren umgeschuldet haben und jene die hohe Cashpositionen aufgebaut haben, davon profitieren können. Der hohe Ölpreis und der schwache Dollar müssen allerdings als negative Einflussfaktoren im Auge behalten werden.

Auch wenn internationale Turbulenzen durchaus noch negative Auswirkungen haben können wird aufgrund der derzeit attraktiven Bewertung der ATX Unternehmen, sowie der stabilen Rahmenbedingungen, bis Ende 2007, mit einem Anstieg des ATX auf 4.900 Punkten gerechnet.

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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