Kommentar
09:48 Uhr, 26.07.2011

Aktien haben eine nicht zu unterschätzende Lenkkraft

Wer nachhaltig investieren will, trägt eine große Verantwortung. Vorausgesetzt, er investiert in Aktien und macht sich die Mühe, seine Karten richtig auszuspielen. Königsdisziplin: Er muss seine Stimmrechte ausüben und den Hauptversammlungen teilnehmen. Wie Dominique F. Biedermann, Direktor der Schweizer Ethos-Stifung sagt, sollte ein nachhaltig orientierter Anleger den Dialog mit dem Management suchen. Ziel sei dabei, die Unternehmen für Good Corporate Governance sowie Umwelt- und Sozialverantwortung zu sensibilisieren. Dadurch soll auf lange Frist etwas verbessert werden, damit der Unternehmenswert langfristig steigt. Revoluzzern ist nicht das erste Mittel der Wahl. Das Motto lautet eher: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Um sich einzubringen, müsse man kein Großinvestor sein, betont er und nennt ein Beispiel. Am Anfang habe die Ethos-Stiftung lediglich 0,1 Prozent in Form von Aktien an einem Unternehmen gehalten. Jedes Jahr sei die Zahl der Mitglieder und der Aktienanteil jedoch gestiegen. Zu Beginn hätten die Unternehmen die Stiftung belächelt – eben wegen des geringen Anteils. Doch sie hätten schnell erkannt, dass nachhaltige Anleger auch langfristige Investoren seien. Ein Umstand, der auch auf der Unternehmensseite Sicherheit gibt. Denn die renditeorientierten Aktionäre lassen ihre Anteile nicht unbedingt liegen, sondern verkaufen, wenn ein netter Gewinn winkt. Dieses Hin und Her nimmt einem Unternehmen Planungssicherheit. Schließlich gibt es Aktien aus, verkauft also Unternehmensanteile, um an mehr Kapital zu kommen. Und das sollte ja eigentlich in Innovationen und Neuinvestitionen fließen. Wenn das Kapital durch Spekulationen an den Märkten schwankt, kann ein Unternehmen auch nicht sonderlich weit über den Tellerrand schauen. Nachhaltige Aktienstrategien sind auf lange Sicht eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Rechte und Pflichten ernst nehmen

Jeder Aktionär hat Rechte, mit denen er etwas bewegen kann. Zum einen kann er die Aufsichtsratsanträge unterstützen oder abschmettern – je nach Stimmanteil. Biedermann rät, den Vorschlägen des Aufsichtsrate zuzustimmen. Es sei denn, sie seien nicht mit den langfristigen Interessen der Aktionäre und der Mehrheit anderer Anspruchsgruppen vereinbar. Im vergangenen Jahr hat Ethos in 13 Prozent der Fälle gegen einen Antrag des Aufsichtsrats gestimmt und in 87 Prozent dafür. Stimmenthaltungen gab es gar nicht – eine klare Position ist eben auch gefordert. Ganz einfach ist das Ausüben der eigenen Rechte nicht, denn dafür muss sich der Aktionär stark mit den Unternehmen und den Wirtschaftszahlen auseinandersetzen. Sprich: er muss richtig fit sein. Wer seine Rechte und Pflichten ernst nehmen will, dem besteht ein ordentliches Stück Arbeit bevor.

Die Anträge des Aufsichtsrates umfassen unter anderem Jahresrechnungen, Jahresberichte, Dividendenausschüttungen, Kapitalstrukturen, Fusionen, Akquisitionen und vieles mehr. Was jeder Aktionär machen kann, ist selbst Anträge einzubringen. Und wer will, dass ein Unternehmen Schritt für Schritt nachhaltiger wird, stellt eben Anträge zu Themen wie Corporate Governance oder den Bereichen Umwelt und Soziales. Wenn er beim ersten Mal nicht durchkommt, dann eben beim nächsten Mal. Eine Hauptversammlung gibt es schließlich jedes Jahr. Nicht nur die Aktieninvestments sind nachhaltig, der Aktionär auch. Sprich, er muss gegebenenfalls schon mal einen langen Atem haben. „Wir haben einmal zum ersten Mal 2005 einen Antrag bei Nestlé eingereicht und es hat drei Jahre gedauert, bis er angenommen wurde“, sagt Biedermann.

Ethos hat einen eigenen Katalog für das Ausüben von Aktionärsrechten – 25 Seiten bestehen dabei aus Richtlinien und 75 Seiten aus Grundsätzen. Mitglieder bei Ethos sind mittlerweile 66 Schweizer Pensionskassen mit einem Vermögen von 75 Milliarden Euro. Die Stiftung berät auch die Schweizer Privatbank Pictet bei der Gestaltung der Portfolios für nachhaltige Fonds.

Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Nachhaltigkeit erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.

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