Kommentar
15:57 Uhr, 25.05.2009

Aktien: Annahme einer raschen Erholung voreilig

Der Kursanstieg von über 30 % in nur zwei Monaten hat dazu geführt, dass die Aktien­märkte bereits einen raschen Aufschwung ein­preisen. Das ist unserer Ansicht nach aller­dings verfrüht. Wir befinden uns inmitten einer schweren Rezession und eine konjunkturelle Belebung könnte durchaus erlahmen, sobald die staatlichen Konjunkturförderprogramme an Schwung verlieren oder der notwendige Schul­denabbau Investitionen und Konsum bremst.

Die Kurserholung in den letzten beiden Mona­ten war zudem weitgehend auf diejenigen Aktienwerte beschränkt, die 2008 und Anfang 2009 am tiefsten abgestürzt waren: Finanz­werte und Zykliker. In den defensiven Sektoren kam es dagegen kaum zu Kurszuwächsen. Dieser Exodus von defensiven Aktien hin zu risikoreicheren Werten war im Hinblick auf Ausmaß und Geschwindigkeit eine der extremsten Trendwenden seit dem Zweiten Weltkrieg. Ursache war u. a. die Umschichtung von Portfolios Anfang März.

Nach Monaten dramatischer Kursstürze hielten Investoren relativ große Cash-Positionen so­wie vergleichsweise große Positionen in defen­siven Sektoren. Das entsprach 2008 und An­fang 2009 der üblichen Herangehensweise zur Schadensbegrenzung. Als sich die Stimmung im März allmählich hob, investierten Anleger nicht nur ihre Barmittel, sondern bauten auch ihre oftmals zu kleinen Positionen in Finanz­werten und Zyklikern aus. Dadurch kam es zu enormen Kursanstiegen, wobei eine Verdopp­lung eher die Regel als die Ausnahme war. Ei­nige Finanzaktien schnellten sogar vom Tiefst­kurs um mehrere hundert Prozent in die Höhe.

Noch zu früh für einen neuen Bullenmarkt

Wir sind daher der Ansicht, dass die jüngste Rally an den Aktienmärkten zu überstürzt war und der gegenwärtige Run auf zyklische Werte weniger auf der realen Aussicht auf eine nachhaltige Erholung beruht, sondern vielmehr auf einer markttechnischen Neupositionierung.

Gleichwohl könnte sich das Tief von Anfang März als Talsohle dieses Bärenmarktes er­weisen. Zugleich besteht aber auch das Risiko einer Korrektur in den kommenden Monaten. Denn schließlich können Unternehmensergeb­nisse, Wertberichtigungen im Finanzsektor und Konjunkturzahlen angesichts der höheren Erwartungen eigentlich nur noch enttäuschen.

Die kommenden Monate dürften für Investoren von Hoffnung und Furcht bestimmt sein: Hoff­nung, dass die jüngste konjunkturelle Entspan­nung sich zu einem V-förmigen Aufschwung mausern wird, und Furcht, dass wir noch lange auf eine Nachfrageerholung warten müssen. Noch ist es daher zu früh für einen neuen Bul­lenmarkt. Auch die Unternehmensgewinne ha­ben bei weitem noch nicht die Talsohle erreicht. Schließlich stehen wir außerhalb des Finanz­sektors erst am Anfang der Gewinnrückgänge. Die Erwartung, dass die Gewinnspannen in der schwersten Rezession seit Kriegsende steigen könnten, ist reines Wunschdenken. Während der letzten Rezession in 2002 erreichten die Nettogewinnspannen mit 2 % ihren tiefsten Stand. Bisher liegen sie noch bei ca. 4 %.

Positivere Einschätzung des Baustoff- und Energiesektors

Der Bärenmarkt befindet sich jetzt in der Reife­phase. In dieser Phase ist es schwierig, klare Positionen zu Sektorpräferenzen einzugehen, da eine ausschließliche Ausrichtung auf defensive Werte keinen Sinn mehr macht, während eine zyklische Orientierung noch nicht geboten ist. Wir bleiben allerdings bei unserem Schlüsselengagement im Gesundheitssektor, während wir Industriewerte meiden.

Neuerdings schätzen wir auch den Grundstoff­sektor positiver ein. Das liegt vor allem an den unerwartet positiven Wachstumszahlen aus China, wo immense Infrastrukturinvestitionen die Nachfrage nach Rohstoffen ankurbeln. Auch den Energiesektor sehen wir jetzt in ei­nem günstigeren Licht. Hier ist die Preisent­wicklung in jüngster Zeit ins Stocken geraten, während der Ölpreis deutlich gestiegen ist. Den Gebrauchsgütersektor betrachten wir indes als ausgereizt. Die dramatischen Kurs­anstiege in diesem Sektor sind nach unserer Einschätzung unhaltbar. Dies gilt umso mehr, als die Verbrauchernachfrage im weiteren Jahresverlauf sinken dürfte (höhere Arbeits­losigkeit und fallende Häuserpreise!)

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

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