Kommentar
08:19 Uhr, 24.04.2012

Achse Berlin-Paris gefährdet?

Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Wie von den Meinungsforschungsinstituten prognostiziert, landete der sozialistische Herausforderer Hollande im ersten Wahlgang mit 28,6% deutlich vor Amtsinhaber Sarkozy, der 27,2% der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die heimliche Wahlsiegerin ist aber Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtspopulistischen „Front National“. Sie schnitt mit 18% deutlich besser ab als erwartet. Innerhalb eines Jahres gelang es der Tochter des Rechtsextremen Jean Marie Le Pen, der Schmuddelpartei ein moderateres Image zu verpassen. Keine antisemitischen Töne mehr, massive Distanzierung von Faschismus und Nationalsozialismus, etwas abgemilderte Ausländerfeindlichkeit. Ob Le Pen damit versucht, den Wolf im Schafspelz zu mimen, lassen wir mal dahingestellt.

Für uns viel interessanter ist die europapolitische Haltung des Front National. Und da ist Protestpartei noch sehr sanft ausgedrückt. Le Pen und ihre Gefolgschaft kann weder mit dem Euro noch mit der EU etwas anfangen, würde am liebsten morgen den Franc wieder einführen, und überhaupt ist die Globalisierung etwas ganz furchtbares.

18% für Le Pen sind also definitiv auch 18% radikal gegen Europa. (Dazu kommen noch 11% für den Kommunisten Mélenchon, dessen Programm ein Wünsch Dir was Kasten aus albernen sozialstaatlichen Traumbausteinchen darstellt.) Angesichts der Entwicklungen in der Europäischen Union ist das vielleicht auch nicht so wirklich überraschend. Zu behaupten, die EU würde die Bürger nicht richtig auf die Reise in die gemeinsame Zukunft mitnehmen, ist eine extreme Untertreibung.

Muss man sich jetzt Sorgen machen? Ja, ganz gewiss. Erstens aus grundsätzlichen Erwägungen: Frankreich ist kein Einzelfall, ganz Europa wird immer euro(pa)kritischer. Das kann am Ende in einer Renationalisierung Europas münden.

Zweitens ganz akut, weil Sarkozy nun im Hinblick auf den zweiten Wahlgang zwingend versuchen muss, Le Pens Wählerschaft auf seine Seite zu ziehen. Das bedeutet, dass er sowohl hinsichtlich der Ausländer- als auch der Europapolitik nach rechts abdriften wird. Dem deutschen Partner kann und wird das nicht gefallen. Nach schwierigen ersten Jahren, in denen Sarkozy sich mit seinem Machofreund Berlusconi gerne gegen Merkel positionierte, sind die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident gemeinsam der Motor der europäischen Reformpolitik geworden. Wenn Sarkozy jetzt meint, die nationale Karte spielen zu müssen, wird das nicht gerade stabilisierend auf die Achse Berlin-Paris wirken. Und das mitten in der schwersten Krise der Europäischen Union seit ihrer Gründung.

Daniel Kühn

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Über den Experten

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Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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