Abwärtstrend - Wie reagiere ich als Value Investor ?
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Sehr geehrte Privatanleger, meine letzte Kolumne hat einige Fragen ausgelöst. Ich fragte dort „Aktien – wenn nicht jetzt, wann dann?“ und riet weiter zum selektiven Kauf. Ein Investor, den ich schon sehr lange kenne, meinte, dass wir uns in einem Abwärtstrend befänden und man das Aktienengagement besser verringern solle. Ein anderer Investor fragte nach Debenhams (WKN: A0JLYU). Außerdem erreichte mich die folgende Mail:
Hallo Herr Dr. Otte,
wir haben eine „inverse Zinsstruktur“, das heißt, die Zinsen sind für Kurzläufer höher als für lang laufende Anleihen. Laut Studien ist diese Struktur einer der präzisesten Einzelindikatoren für eine drohende Rezession. In der Vergangenheit war sie nahezu immer Vorbote für eine von Zinserhöhungen ausgelöste Konjunkturverlangsamung. Auch scheint der Rentenmarkt an Attraktivität gewonnen zu haben.
Unter dem Aspekt "kaufmännische Vorsicht" würde ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie die Entwicklung der Aktien sehen, die Königsqualität und eine entsprechend gute Wertbasis haben, für die nächsten drei bis fünf beziehungsweise fünf bis zehn Jahre - auch in Bezug auf diverse Branchen (Konsum/ Energie/ Technologie). Wäre es vielleicht auch möglich, das Augenmerk in der Kolumne kurz auf Gold zu richten? Ich nehme mal an, dass der Preis wieder nach oben anziehen wird, aber das ist nur mein Bauchgefühl - ich bin ja keine Volkswirtschaftlerin.
Dennoch bleibt die Frage: Wenn man sich nun schon etwas mit Gold absichert für die eventuell noch aufkommenden Stürme, was sollte man im Auge behalten, um eventuelle Verluste im Goldbestand zu vermeiden (wenn man es nun doch nicht als Zahlungsmittel eingesetzt hat, sondern noch einige Barren im Schrank hat)?
Grüße aus Kanada,
Ihre
DS
Lassen Sie mich also ausführlicher zu den Themen „Abwärtstrend“, „inverse Zinsstruktur“, „Atraktivität des Rentenmarktes“, „Branchen“, und „Debenhams“ schreiben.
Abwärtstrend
Es mag sein, dass wir einen Abwärtstrend haben.
Die Märkte sind mal wieder extrem nervös. Zu dumm, dass die Menschen immer wieder auf eine optische Täuschung hereinfallen: HINTERHER wissen Sie IMMER, wann der Trend gebrochen ist, VORHER NIE. Es gibt keine Möglichkeit, Trendwenden anhand „der Märkte“ oder „der Charts“ zu ergründen. Nur die folgende Logik gilt: Wenn die Preise zu hoch sind, muss sich das irgendwann umkehren, und die Preise müssen fallen. Wenn die Preise niedrig sind und weiter fallen, muss sich auch diese Bewegung irgendwann umkehren.
Wenn Sie sich den Langfristtrend von American Express (WKN: 850226) anschauen, finden Sie keinen „Trend“. Die Aktie kostet in Euro heute so viel wie im Jahr 1999. Dennoch ist das Unternehmen natürlich massiv gewachsen. Oder sehen Sie sich die Entwicklung von Celesio (WKN: CLS100) über zehn Jahre an. Da gibt es keinen Trend. Beide Aktien sind aber derzeit gut und billig.
Wenn ich eine BMW (WKN: 519000) mit einem KGV von unter acht und eine Allianz (WKN: 840400) mit unter sieben bekomme, dann finde ich das extrem billig. Zumal bei BMW die Gewinnmargen nicht besonders hoch sind, also Verbesserungspotential besteht. Beide Unternehmen sind auch in China aktiv, BMW ist dort die beliebteste Oberklassemarke. Sie kaufen also auch China-Phantasie sehr billig ein, viel billiger, als bei chinesischen Aktien.
Derzeit ist es durchaus ratsam, Liquiditätsreserven in Form von kurz laufenden Anleihen oder Termingeldern zu halten. Am „kurzen Ende“ gibt es gute Zinsen. Aber für den Anteil Ihres Vermögens, den Sie langfristig anlegen wollen, sind Aktien extrem billig und daher eine extrem gute Wahl. Sie müssen nur nach Benjamin Graham die Gewinnrendite der Aktien (Gewinn je Aktie geteilt durch Kurs) mit der Rendite der Anleihe vergleichen. Ist die Gewinnrendite der Aktien mehr als doppelt so hoch wie die Rendite der Anleihen, sind Aktien eine gute Wahl. Die Gewinnrendite der Allianz beträgt 15,1 Prozent, die von BMW 12,6 Prozent. Die Umlaufrendite der Anleihen liegt bei 4,5 bis 5,5 Prozent. Aktien sind konkurrenzlos günstig, vorausgesetzt, die Qualität stimmt.
Welche Branchen?
Wir kommen in eine neue Welt. In den letzten fünfundzwanzig Jahren hatten wir fallende Zinsen, steigende Aktienkurse, fallende Inflation, fallende Preise aufgrund der Billigproduktion in den Entwicklungsländern und fallende Energie- und Rohstoffpreise.
Nun sind steigende Inflation, steigende Energie- und Rohstoffpreise und steigende Zinsen wahrscheinlich. Mit Aktien lässt sich noch Geld verdienen, aber nur, wenn Sie die richtigen haben. Die Zeiten des ganz leichten Geldes sind vorbei. Allerdings sind Anleihen, Lebensversicherungen und Termingelder keine Alternative, denn die Inflation wird einen immer größeren Teil davon wegfressen.
Bei den Branchen sollten Sie auf typische Buffett-Branchen setzen; also auf Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs herstellen und die ihre Preise an die Verbraucher weitergeben können, weil die einzelnen Produkte niedrigpreisig sind. Nestlé (WKN: 887208), Johnson & Johnson (WKN: 853260) und Procter&Gamble (WKN: 852062) sind drei der sichersten Unternehmen der Welt. Alle drei sind relativ billig. Zwei davon gehören in jedes Portfolio.
Pharmaaktien, wie etwa GlaxoSmithKline (WKN: 940561), Novartis (WKN: 904278) oder Sanofi-Aventis (WKN: 920657), sind auch relativ billig und stabil. Buffett selber hat ein Portfolio von Pharmaaktien gekauft.
Technologie/Telekom/Medien ist selektiv gut, wenn es sich um Unternehmen handelt, die Software oder Dienstleistungen für den Massenbedarf anbieten, wie zum Beispiel Microsoft (WKN: 870747), United Internet (WKN: 508903), South Korea Telecom (WKN: 902578) oder Mediaset (WKN: 901402). Einige dieser Unternehmen, zum Beispiel die klassischen Medienunternehmen, hängen allerdings etwas stärker an der Konjunktur.
Zudem bieten etliche Kriterien des Königstests einen Sicherheitspuffer, etwa hohe Gesamtkapitalrendite und hohe Eigenkapitalquote.
Ich erhielt eine Mail von einem Internetmitglied, das in seinem Portfolio Debenhams mit 18 Prozent gewichtet hatte. Als ich fragte, warum Privatanleger immer die riskantesten Titel unserer Portfolios so hoch gewichten würden, erhielt ich die Antwort, dass das Unternehmen auch bei uns mit 15 Prozent gewichtet sei. Das stimmt so nicht ganz. In EINEM von vier Portfolios – dem Wachstumsportfolio – ist die Aktie mit 13 Prozent gewichtet. Über alle Portfolios hinweg ist die Gewichtung viel geringer.
Debenhams ist massiv eingebrochen. Aber es gibt im Juli auch 3,8 Pence Dividende, was, bezogen auf den jetzigen Kurs über sieben Prozent sind. Das macht die Verluste nicht wett, aber es ist doch Rückenwind für die Gesamtperformance. Die englische Kaufhauskette hat mit steigenden Zinsen, steigenden Preisen und einer vielleicht einbrechenden englischen Konjunktur zu kämpfen. Gerade wurde bekannt, dass der Gewinn vor Steuern im ersten Halbjahr um zwölf Prozent gesunken ist. Das Unternehmen muss auch in den nächsten Jahren nicht immer Gewinne machen. Das sind alles keine tollen Aussichten. Aber der Cashflow des Unternehmens beträgt geschätzte 340 Millionen Pfund, der Marktwert circa 450 Millionen Pfund. Das Kurs-Cashflow-Verhältnis nähert sich der Marke eins! Das ist extrem billig.
Debenhams ist nicht Nestlé. Aber es ist ein großes Unternehmen, in dem viele institutionelle Investoren engagiert sind, zum Beispiel TPG Shareholder Group (13,2 Prozent), CVC Share-holder Group (9,3 Prozent), Bestinver Gestion SGIIC (5,6 Prozent), BlackRock Inc. (4,8 Prozent), Wellington Management Company LLP (4,0 Prozent), Lazard Asset Management LLC Group (4,0 Prozent) oder AXA (3,7 Prozent).
Fazit: Es kann sein, dass wir uns in einem Abwärtstrend befinden. Mich interessiert das nicht, denn Sie können erst nachher wissen, wann der Trend endet. Dann ist es aber zu spät. Bleiben Sie engagiert und trinken Sie viel Tee. „Machen“ können Sie sowieso nichts.
Auf gute Investments,
Ihr
Prof. Dr. Max Otte
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