Absatzzahlen bei Tesla und Rivian, Amazon steigt bei Essenslieferdienst ein – Wie geht’s weiter bei diesen Technologieaktien?
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- Rivian Automotive IncKursstand: 31,630 $ (Nasdaq) - Zum Zeitpunkt der VeröffentlichungVerkaufenKaufen
Mit einem starken Schlussspurt hat Tesla ein schwieriges Quartal beendet. Nachdem das Werk in Shanghai wochenlang aufgrund der Lockdowns geschlossen war und es weiterhin eine deutliche Knappheit an Chips gegeben hat, hat der Hersteller von Elektroautos laut den vorläufigen Zahlen im zweiten Quartal „nur“ 258.580 Fahrzeuge produziert. Das ist zwar ein kräftiger Anstieg gegenüber dem Vorjahr, allerdings ein Rückgang um 15,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal.
Ähnlich sieht es beim Absatz aus, der im zweiten Quartal lediglich 254.695 Einheiten erreicht hat. Das ist ein Einbruch um 17,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Allerdings betonte der Konzern umgehend, dass die Produktion im Juni ein Rekordhoch erreicht habe.
Allerdings ist die Aktie zuletzt im Rahmen der Erholung des Nasdaq Composite deutlich mit nach oben geklettert. Verantwortlich für letzteres waren die zunehmenden Sorgen der Investoren vor einer US-Rezession. Zwar sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen wegen der Aussicht auf eine weitere deutliche Verschärfung der Geldpolitik – das hat das Fed-Protokoll von Mittwochabend einmal mehr signalisiert – nach oben geschossen.
Allerdings sind die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen um ein paar Basispunkte unter jene für zweijährige gesunken, womit diese Zinsstrukturkurve – nach Anfang April – erneut invers geworden ist. Das war in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr zuverlässiger Frühindikator für eine heraufziehende Rezession. Investoren erwarten, dass die Fed im Falle einer US-Rezession schnell umschwenken und die geplanten Zinserhöhungen auf Eis legen wird. Anschließend sollen schnell kräftige Zinssenkungen und ein neues, massives QE-Gelddruckprogramm folgen. Für zusätzlichen Rückenwind bei den US-Technologieaktien haben die guten vorläufigen Ergebnisse von Samsung Electronics gesorgt.
Rezessionssorgen treiben Investoren in Growth-Aktien
Wegen der zunehmenden Rezessionssorgen haben Investoren bei Growth-Aktien, also Unternehmen mit starkem Wachstum, gerade beim Umsatz zugegriffen, nach dem Motto: Je schwächer die US-Konjunktur ist, umso mehr braucht man wachstumsstarke Unternehmen. Von diesem Trade hat auch die Tesla-Aktie stark profitiert.
Allerdings dürfte meiner Meinung nach in einem Rezessionsumfeld das Geschäft der US-Growth-Unternehmen, sprich der Technologiefirmen wie Apple, Amazon, oder Alphabet überdurchschnittlich stark unter die Räder kommen. Zudem bedeuten kräftig steigende Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eigentlich deutlichen Gegenwind für Growth-Aktien, weil die künftig kräftig steigenden Gewinne umso stärker abdiskontiert werden.
Dennoch könnte kurzfristig die Bärenmarktrally an der Nasdaq und damit bei Tesla weitergehen, zumal wenn die Rezessionsängste weiter zunehmen sollten. Allerdings dürfte die Erholung gerade bei Tesla nicht lange andauern, dazu ist das Unternehmen mit einem Börsenwert von horrenden 760,3 Mrd. Dollar weiterhin viel zu teuer, geradezu astronomisch teuer. Das ist eine denkbar schlechte Sache in einem Rezessionsumfeld.
Der Überzeugung bleiben offenbar auch die Analysten von JPMorgan. Sie haben zuletzt das Kursziel für die Tesla-Aktie von 395 auf 385 Dollar gesenkt und damit für großes Aufsehen gesorgt. Damit liegt es um herbe 47,5 Prozent unter dem aktuellen Niveau.
Erleichterung nach Zahlen von Rivian
Im Gegensatz zu den Daten von Tesla hat das Papier des kleinen Wettbewerbers Rivian Automotive auf dessen Ergebnisse mit einem kräftigen Kurssprung nach oben reagiert. Das Startup hat im zweiten Quartal 4.401 Fahrzeuge gebaut und gleichzeitig 4.467 ausgeliefert. Das ist eine deutliche Beschleunigung der Produktion gegenüber dem ersten Quartal von 2.553 E-Autos, während der Absatz bei 1.227 lag. Zudem bestätigte der Konzern nun die Produktionsprognose für das Gesamtjahr von rund 25.000 Fahrzeugen.
Allerdings bleibt auch bei Rivian das Problem, dass das Unternehmen meiner Meinung nach völlig überbewertet ist. Dazu eine kleine Rechnung: Der Börsenwert liegt bei 28,5 Mrd. Dollar. Zudem besaß der Konzern, der massiv Geld verbrennt, per Ende März 17 Mrd. Dollar Cash und hatte langfristige Schulden von 1,25 Mrd. Dollar. Unter Berücksichtigung dieser drei Zahlen wird das Geschäft von Rivian damit mit 12,75 Mrd. Dollar bewertet, sprich so hoch ist der sogenannte Enterprise Value (EV), eine für Investoren und Analysten üblicherweise sehr wichtige Kennzahl.
Gleichzeitig prognostizieren Analysten, dass der Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) in diesem Jahr auf knapp 6,2 Mrd. Dollar nach oben schießen soll und 2023 nur etwas zurückgehen soll auf 5,6 Mrd. Dollar. Wie passen ein EV von 12,75 Mrd. Dollar und anhaltend herbe operative Verluste in obiger Größenordnung zusammen? Meiner Meinung nach ganz und gar nicht. Daher würde es mich nicht wundern, wenn die Aktie zwar an einer weiteren Erholung des Gesamtmarktes kurzfristig kräftig partizipieren würde. Wenn Nasdaq und S&P500 aber wieder nach unten drehen sollten, wovon ich ausgehe, dürfte das Rivian-Papier umso stärker unter die Räder kommen.
Amazon steigt bei Essenslieferdienst ein
Ebenso wie die Papiere von Tesla und Rivian hat sich zuletzt auch jenes von Amazon erholt. Der weltgrößte Internethändler hat einen Anteil von zwei Prozent am schwächelnden US-Essenslieferdienst Grubhub, einer Tochter des niederländischen Konzerns Just Eat Takeaway.com, übernommen. Er ist in Deutschland unter der Marke Lieferando aktiv. Kunden von Amazon Prime bekommen für ein Jahr lang eine kostenlose Grubhub+-Mitgliedschaft und zahlen keine Gebühr für die Essenslieferung, wenn die Bestellung den Wert von zwölf Dollar überschreitet. Die Mitgliedschaft kostet üblicherweise 9,99 Dollar pro Monat.
Grubhub bekommt zu spüren, dass mit den Lockerungen nach den Pandemie-Lockdowns die Verbraucher zum Essen mehr in Restaurants gehen, was das Geschäft des Lieferdienstes beeinträchtigt. Gleichzeitig belastet die hohe Inflation viele Amerikaner erheblich, weshalb sie sich mit Essensbestellungen zurückhalten. Grubhub hat zudem deutlich Marktanteile verloren und ist hinter DoorDash und Uber Eats, einer Tochter des Fahrdienstleisters Uber, die abgeschlagene Nummer drei in den USA. Nach der Bekanntgabe des Deal waren die Aktien von DoorDash und Uber eingebrochen.
Mit der Partnerschaft macht Amazon sein Prime-Angebot attraktiver, nachdem der Konzern im Frühjahr in den USA die Preise dafür angehoben hatte. Zudem startet das Unternehmen einen weiteren Versuch in den USA im Bereich Essenslieferungen Fuß zu fassen, nachdem ein hauseigener Versuch im Jahr 2019 mangels Erfolg eingestellt worden war. Sollte es diesmal hingegen gut laufen, hat Amazon die Möglichkeit, den Anteil an Grubhub auf 15 Prozent aufzustocken.
Viel zu bullische Analystenschätzungen, viel zu hohe Bewertung
Amazon hat während der noch anhaltenden Pandemie zu viele Logistikzentren gebaut und die Mitarbeiterzahl zu stark aufgestockt. Zuviel Personal bei einem schwächelnden Geschäft verringert aber die Produktivität und drückt damit kräftig auf die Marge.
Amazon hat für das zweite Quartal einen Umsatz von lediglich 116 bis 121 Mrd. Dollar in Aussicht gestellt. In der Mitte der Spanne bedeutet das ein Plus von lediglich 4,8 Prozent. Gleichzeitig prognostiziert der Konzern eine schwache Profitabilität, zwischen einem operativen Verlust von einer Mrd. Dollar am unteren Ende und einem Gewinn von drei Mrd. Dollar am oberen. Die Analysten gehen von einem Erlösplus von 5,7 Prozent auf 119,5 Mrd. Dollar aus. Hingegen wird für den S&P500 eines von 10,1 Prozent erwartet. Das zeigt, wie schwach das Geschäft von Amazon derzeit sein dürfte.
Bei einer anhaltenden Erholung an der Nasdaq könnte es kurzfristig dennoch auch mit Amazon noch etwas weiter aufwärts gehen. Wobei ich auch Amazon mit einem Börsenwert von 1,2 Billionen Dollar für völlig überbewertet halte. Und das für ein Unternehmen, dessen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) in diesem Jahr laut den Konsensschätzungen kräftig einbrechen soll auf nur 17,2 Mrd. Dollar - das entspricht einer operativen Marge von mickrigen 3,3 Prozent. Selbstverständlich beinhalten diese Erwartungen kein Szenario einer US-Rezession und schon gar nicht das einer zunehmend wahrscheinlichen weltweiten Rezession.
Im kommenden Jahr soll sich das Ebit laut den Analysten fast verdoppeln auf 33,6 Mrd. Dollar. Diese Schätzung halte ich für reine Makulatur, reine Makulatur! Wenn diese Schätzungen erreicht würden, was ich für extrem unwahrscheinlich halte, wäre Amazon mit dem 35,1-Fachen des Ebits bewertet – ein astronomisches Multiple! Gleichzeitig liegt das 2023er-KGV bei horrenden 43,4 – auch das halte ich für viel, viel zu hoch. Ich gehe davon aus, dass Analysten nach der Vorlage der Halbjahreszahlen gegen Ende Juli beginnen werden, ihre Schätzungen für 2022 deutlich einzudampfen und noch viel mehr für 2023.
Für die nächste Woche sind keine Quartalszahlen von US-Technologiefirmen geplant. Umso nervöser warten Investoren auf den Auftakt der Saison am 19. Juli, wenn Netflix die Ergebnisse präsentiert. In der Zwischenzeit schauen Anleger, wie lange die Bärenmarktrally an der Nasdaq noch läuft.
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