Kommentar
19:00 Uhr, 16.04.2008

Abenteuer aus Absurdistan

Heute fragte ich meinen Bäcker nur so zum Spaß, ob denn die Brötchen noch 40 Cents das Stück kosten. Er lachte und bejahte, doch nicht mehr lange, drohte er. Vor dem Euro kostete das Brötchen noch die Hälfte. Die Weizenpreise schlagen eben durch die Decke, auch die Energiepreise halten mit. Die Leute kaufen außerdem nicht mehr so viel Kuchen und Stückchen. Es ist offenbar eng, obwohl wir einen Aufschwung haben. Dass das weltweite Geld in die Sachwerte strömt, also in Weizen, Mais, Reis und Soja, aber auch in Öl, Metalle und Metalle, merken wir inzwischen beim täglichen Einkauf. Ebenso spüren wir, wie der „Aufschwung“ unsere Geldbörsen füllt. Na gut, nicht die von allen, aber immerhin die von einigen wenigen. Aber immerhin.

Nicht nur die Lebensmittelpreise befinden sich auf steilem Pfad, auch die Daueroptimisten wittern Morgenluft und sind wieder unterwegs. Sie frohlocken, dass auch die Aktienkurse bald steigen werden und müssen. Weil auch der Job sonst auf der Kippe steht? Auf jeden Fall werden wir uns reicher fühlen, wenn die Kurse steigen, und deshalb sollten wir kaufen. Dabei klammern sie sich an jeden Strohhalm, selbst wenn der lichterloh brennt. Was man braucht, ist etwas Geld, etwas Zeit und besonders viel Optimismus. Schließlich war es in den letzten Jahren auch immer so. Bloß wer hat schon Zeit, Geld und Optimismus? 60 %der Deutschen haben gar nichts auf der hohen Kante. Zeit haben an der Börse die Wenigsten. Und wenn man sich das großartige Amerika anschaut, vergeht einem der Optimismus binnen Augenblicken und auch der Appetit auf US-Anlagen. Die ersten Quartalsbilanzen kündigen von einer Abschwungphase. Selbst Laien wie ich hatten das befürchtet (Das dicke Ende) und (Die nächste Blase) Die Hauspreise fallen weiter und werden ihren Trend wohl noch ein Stückchen beibehalten. Großbritannien und Spanien geht es inzwischen nicht viel besser. Im Gegenteil. Das Vertrauen der US-Bürger bewegt sich inzwischen auf Niveaus, wo viele Leser noch gar nicht auf dieser Welt waren. Aber die Notenbanken kämpfen mit vereinter Kraft an den Pumpwerken der Geldschläuche. Ein normaler Finanzmarkt sieht anders aus. Von freien Märkten zu sprechen ist wie ein guter Witz in einer Büttenrede. Sollten die Notenbanken erfolgreich sein, schwimmen wir alle im Geld. Es spielt dann keine Rolle mehr. Vielleicht steht der DAX in Zukunft bei 20.000 Punkten und die Tüte Eis kostet 20 Euro? Doch die 20.000 DAX-Punkte werden bejubelt werden. Doch das Leben ist leider nicht nominal, im Gegensatz zu den Börsenkursen.

Es ist zum aus der Haut fahren. Wem soll man eigentlich noch glauben? Dem Internationalen Währungsfonds, der selbst klamm ist und 945 Milliarden USD Schaden wegen der Kreditkrise prognostiziert? Wie kommen die eigentlich auf diese 945 Milliarden? Warum nicht 941,2 Milliarden? Oder 871,6? Auf die eine Milliarde mehr oder weniger kommt es doch nun wirklich nicht mehr an. Eine Billion klingt vielleicht ein bisschen hart, man kann es ja später und zeitnah nachreichen, wenn man sich an die alte Prognose gewöhnt hat. Übrigens, die OECD errechnet anpassbare 450 Mrd. USD an Kreditschaden. Ich weiß zwar nicht, wie die Experten das errechnen, befürchte aber, dass beide Prognosen Mumpitz sind. Zumindest ist aber das garantiert.

Öl ist heute auf 114 USD pro Barrel gestiegen. Bloß was ist der Dollar eigentlich noch wert? Gleichzeitig findet man bei Brasilien 33 Mrd. Barrel in 5000 Metern unter dem Meeresspiegel. Man muss es nur noch fördern. Da die Welt täglich 80 Millionen Barrel verbraucht, würde das Ölfeld nach 400 Tagen leergepumpt sein. Und dann? Zur selben Zeit meldet Rußland, dass man den Zenit der Förderung jetzt überschritten hat. Aus die Maus! Und nun?

Dafür diskutieren im Fernsehen hochbezahlte Menschen über die Zukunft. Leute, die ihre Brötchen oft nicht selbst kaufen müssen und ihre Heizkosten eher als Peanuts empfinden. Der Staat muss jetzt mit Steuergeldern helfen! Inmitten des Aufschwungs ist der Wahlkampf, Ewigkeiten vor der nächsten Wahl losgebrochen. 20 Millionen Rentner wollen schon jetzt „optimisiert“ werden, mit einer außerplanmäßigen Rentenerhöhung von sagenhaften 1,1 Prozent und der zeitnahen Botschaft, sie lägen der Jugend auf der Tasche. Oma fragte mich kürzlich, ob sie aus Solidarität jetzt sterben soll, um uns alle nicht weiter zu belasten. Ich riet ihr davon dringend ab, denn das erledigt die nächste Gesundheitsreform von alleine, dachte ich. Und empfahl ihr, gerade jetzt mindestens 150 Jahre alt zu werden, ihre Rente zu genießen und zuzuschauen, wie die Alterspyramide langsam umkippt. Wir rücken eben etwas enger zusammen. Oma hat schon so Manches überlebt. Den Krieg, den Hunger, die vielen Reformen und auch die DDR. Aber im Vorwahlkampf sind 20 Millionen Stimmen eben 20 Millionen Stimmen. Die wollen gepflegt werden. Und was man den Rentnern nicht wieder wegnehmen kann, erledigt die Inflation auf ihre Weise.

Was man gerade an den Märkten beobachten kann, ist einzigartig und zuweilen auch überwältigend und angsteinflößend. Inflation kämpft mit Deflation und umgekehrt. Wer siegen wird, steht in den Sternen. Das können selbst die lautesten „Experten“ nicht wissen. Ihr Horizont greift einfach zu kurz, oder nur ihre Träume, Wünsche und Absichten. Mit der Realität muss das wenig zu tun haben. Es geht nicht darum, mit wieviel Geld man den Banken aus der Patsche helfen muss, und wer da etwas angekündigt hat, sondern wie schnell die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist und die Kredite fließen. Schließlich ist jeder Geldschein Kredit und nichts anderes als das. Bloß wohnt dem Geld die zerstörerische Eigenschaft inne, immer schneller gedreht zu werden und in immer größere Dimensionen wachsen zu müssen. Die Notenbanken kümmern sich darum gerade intensiv. Sie versorgen die Märkte mit üppiger Liquidität und machen diese noch billiger. Ob das ausreichen wird, um eine neue Blase zu schaffen? Wir werden eine neue Blase brauchen und vom Erfolg oder Misserfolg erfahren. Der Rentenmarkt erscheint schon jetzt die Dimension einer gigantischen Blase erreicht zu haben. Und Schuld daran sind diesmal nicht die Chinesen, sondern die Eigenschaft des Geldes. Aber wer von den Schreihälsen, die bei Wind und Wetter zum Einstieg in dieses und jenes bläst, hat von GELD meist auch nur andeutungsweise eine Ahnung. Hauptsache das Geld ist da, die Liquidität, die Anlage sucht. Ha ha ha ! Fragen Sie die Experten doch einmal, was GELD wirklich ist. Aber seien Sie auch darauf vorbereitet, dass man wird Ihnen das Gegenteil von dem raten wird, was gestern noch en vougue war. Leider kann man sie dafür nicht in Haftung nehmen. Doch ich hoffe, Sie haben ein gutes Gedächtnis und die Götter die Zeit, darüber zu befinden.

Frank Meyer, Moderator bei n-tv

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