Kommentar
10:40 Uhr, 12.06.2012

100 Mrd. EUR für ein bisschen Frieden

Die Zahl des Wochenendes: 100 Mrd. EUR für Spaniens Banken. Lange zögerte das stolze Königreich, beharrte darauf dass ein Anzapfen der EFSF oder des ESM nicht nötig sei. Spanien würde es aus eigener Kraft schaffen. Allen außer den Spaniern war klar, dass das leere Beschwörungsformeln waren. Wie schon zuvor im Falle Irlands droht nun erneut die Staatsverschuldung eines Eurolandes, verursacht durch Bankenrettungen, durch die Decke zu gehen. Diese beiden Kandidaten zeigen auch eindrucksvoll, wie rasant sich das Blatt in stabil scheinenden Fällen wenden kann. 2007, kurz vor Ausbruch der Finanzkrise, lag die Staatsverschuldung des kleinen Irland bei homöopathisch anmutenden 25% des BIP. Inzwischen ist die grüne Insel bei rund 110% angekommen. Spanien markierte 2007 ein Zwischentief bei rund 37% und lag Anfang 2012 schon bei etwa 70%, bezogen auf die Wirtschaftsleistung. Bald bei 100%...

Interessanterweise ist Spanien im Gegensatz zu Irland durch die erste Finanzkrise einigermaßen glimpflich durchgekommen, weil seine Banken in die damaligen Subprime-Papiere kaum investiert waren (Spanische und italienische Banken galten 2008 als Hort der Stabilität, aus heutiger Sicht ein leichter Hohn). Was aber Spanien und Irland gemeinsam haben, ist eine extreme Immobilienblase. Bedingt durch niedrige Zinsen wurde sehr viel gebaut, und vor allem am Bedarf vorbei. In Spanien stehen ganze Siedlungen leer, zum Teil gar nicht fertig gebaut. Als Folge dieser Entwicklung sitzen die Banken auf Forderungen, die zwar formal mit Immobilien besichert sind, diese sind aber entweder gar nicht verkäuflich oder aber weit unter dem ursprünglichen Wert. Wenn man dann noch die auch in Spanien zu beobachtende Kapitalflucht bedenkt, ist die verzweifelte Situation der Banken verständlich.

Die PIGS unter dem Rettungsschirm sind nun vollständig: Portugal, Griechenland, Irland, Spanien. Viel mehr wird auch nicht darunter passen. Im Falle Spaniens wird die konkrete Ausgestaltung interessant. Der vorläufige Rettungsschirm EFSF sieht eine direkte Bankenfinanzierung nicht vor, beim Nachfolger ESM wird schon debattiert ob das vorliegende Vertragswerk genau das aber erlaubt, wenn man beide Augen zudrückt. Der Hintergrund ist klar: Wenn man den Banken direkt Geld gibt, steigt die Verschuldung des betroffenen Staates formal betrachtet zunächst nicht an. Ob diese Finte allerdings die Investoren beeindrucken wird bzw. täuschen kann, ist eine andere Frage.

Wer dachte, EFSF und ESM wären nur mächtige Ungetüme, deren schiere Feuerkraft die Märkte derart beeindrucken könnte dass ihr Einsatz gar nicht nötig würde, sieht sich getäuscht. Man darf gespannt sein, wie schnell der ESM mit seiner Erstausstattung an die Grenzen gerät. Wenn er überhaupt im Juli startet wie geplant – immerhin formiert sich so langsam der Widerstand gegen das höchst fragwürdige Vertragswerk.

Daniel Kühn

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Über den Experten

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Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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