Analyse
20:00 Uhr, 18.01.2008

„2008 ist nicht 2001“

Externe Quelle: UniCredit

Der amerikanische Notenbankpräsident hat in seiner Anhörung vor dem Kongress erneut „weitere wesentliche Maßnahmen“ zur Stabilisierung der Konjunktur in Aussicht gestellt und sich u.a. auch zu fiskalpolitischen Maßnahmen geäußert. Wie lassen sich seine Äußerungen in die gegenwärtig die Aktienmärkte prägenden Entwicklungen einordnen?

Die Phase in der Wachstumsverschlechterung und Probleme der Kreditkrise die Impulse durch die Zinssenkungen dominieren hält an. Die Tabelle auf dieser Seite zeigt die Performance des S&P 500 in den Phasen der Zinssenkungszyklen und setzt die gegenwärtige Entwicklung in den Kontext der Erfahrungen der Zyklen der letzten 20 Jahre. In der Vergangenheit hat der Aktienmarkt wesentlich schneller positiv auf eine Lockerung der Geldpolitik reagiert (Ausnahme: 2001). Grundsätzlich ist die Wirkung der Zinssenkungen positiv, sie entfaltet ihre realwirtschaftliche Wirkung jedoch nur mit Zeitverzögerung. Im aktuellen Zyklus besteht zudem die Besonderheit, dass sie die strukturellen Probleme der Kreditkrise zwar mildern aber nicht beheben können. Die Äußerungen von Bernanke zum Mix aus Geld- und Fiskalpolitik bieten Interpretationsspielräume die in einer negativen Sichtweise Zweifel hinsichtlich einer schnellen stabilisierenden Wirksamkeit der Zinssenkungen schüren. In diesem Kontext sind zwei Entwicklungen derzeit wesentlich die das Umfeld für die Aktienmärkte negativ prägen: die Entwicklung der Finanzwerte und die Dynamik der Verschlechterung der Konjunkturerwartungen.

Der anhaltende Druck auf die Finanzwerte spricht für weitere Risiken seitens der Kreditkrise für den Gesamtmarkt. Aus dem Blickwinkel eines Aktieninvestors bleibt das Ausmaß der negativen Rückwirkungen der Kreditkrise auf die Kreditvergabe das zentrale Thema. Trotz der im Gange befindlichen Phase der Rekapitalisierung des Finanzsektors (zuletzt u.a. Citigroup und Merrill Lynch) zeichnet sich noch keine Stabilisierung ab. Mit Blick auf die kommenden Monate bestehen weitere Risiken auch darin, dass die Banken nach den direkten Verlusten aus der Subprime-Krise nun zunehmend gezwungen sind für die Kreditrisiken aus einer allgemeinen konjunkturell bedingten Verschlechterung des Kreditportfolios vorzusorgen. Risiken gehen auch von den Eigenkapital- Schwierigkeiten der Kreditversicherer („Monoline Insurer“) in den USA aus. Für den Gesamtmarkt gilt unverändert unsere Einschätzung, dass solange sich im Finanzsektor (insbesondere dem Bankensektor) keine Stabilisierung vollzieht, eine nachhaltige Erholung nicht zu erwarten ist.

Das konjunkturelle Umfeld für die Aktienmärkte verschlechtert sich weiter und übt Druck auf die Gewinnschätzungen aus. Seitens des konjunkturellen Umfelds zeigen sich derzeit noch keine Anzeichen für eine Stabilisierung ab. Vielmehr ist die Dynamik in Richtung einer sukzessiven Verschlechterung des Umfelds intakt. USA: Das „Zentrum der Wachstumsschwäche“ – der amerikanische Immobilienmarkt – bleibt weiterhin unter Druck. Der hohe Bestand an unverkauften Häusern spricht für weiteren Druck auf die Immobilienpreise in 2008. In der Summe erhöht sich damit weiterhin der Druck auf den amerikanischen Konsumenten. Europa: Die Verschlechterung des internationalen Konjunkturumfelds spiegelt sich im Rückgang der Frühindikatoren wieder. Gleichzeitig mehren sich die Annzeichen, dass in Spanien und UK die Abschwächung im Immobilienmarkt mit seinen Folgewirkungen negativer auf das BIP-Wachstum ausstrahlen könnte. Für die Aktienmärkte bedeutet dies, dass mit deutlich negativen Gewinnrevisionen in den kommenden Monaten zu rechnen ist.

Der negative zyklische Impuls schwächt die Unterstützung von der Bewertungsseite. Mehrere europäische Aktienindizes bewegen sich am unteren Ende der Bewertungsbandbreite der vergangenen Jahre. Der negative zyklische Impuls (und seine intakte Dynamik) schwächen die unterstützende Wirkung von der Bewertungsseite (Erwartung negativer Gewinnrevisionen, vereinzelte Kürzungen von Dividenden). Allerdings: „2008 ist nicht 2001“ – damals stand ein überbewerteter Aktienmarkt einer Rezession gegenüber. Heute ist der Aktienmarkt moderat/günstig bewertet und muss „nur“ eine verschlechterte Wachstumsperspektive verdauen aber keine Überbewertung korrigieren. Wir erwarten für den Euro STOXX 50 und den DAX die Fortsetzung der breiten Seitwärtsbewegung der vergangenen Monate. Unsere Indexziele von 4400 Punkten für den Euro STOXX 50 und 7900 Punkten für den DAX sind als Anlaufmarken innerhalb dieser Seitwärtsbewegung zu verstehen. In unserem Jahresausblick haben wir den unteren Bereich der Seitwärtsbewegung mit rund 10% unter dem Niveau der Anlaufmarken veranschlagt. Eine Rezession in den USA würde zwar darüber hinausgehenden zusätzlichen Kursdruck erzeugen, aber die Indizes würden sich auf dem niedrigeren Niveau sukzessive widerstandsfähiger gegenüber schlechten Nachrichten zeigen.

Fazit: Aus strategischer Sicht empfiehlt sich weiter ein defensives Agieren.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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