Analyse
11:06 Uhr, 04.12.2007

Zwischen Hoffen und Bangen

Externe Quelle: Unicredit

Die Entwicklung der Aktienmärkte gleicht derzeit einer Achterbahnfahrt. Der zentrale Einflussfaktor scheint dabei im Wesentlichen das Sentiment zu sein. Während Mitte Oktober noch zu konstatieren war, dass sich der Optimismus auf einem neuen Hochpunkt befindet, so hat sich die Situation bis Anfang letzter Woche genau in das Gegenteil verkehrt.

Zudem hat die Bewertung der Aktienmärkte in der letzten Woche wieder die Niveaus von Mitte August erreicht, die wir damals als antizyklische Kaufgelegenheit interpretiert haben. Das KGV des STOXX 600 lag erneut bei rund 11,7 während es beim S&P 500 auf 13,7 gefallen war.

Während diese beide Entwicklungen (zusammen mit der stark überverkauften Verfassung der Finanzwerte) durchaus eine vorübergehende Relief-Rallye begünstigen sollten, wirft der Trigger für die Erholung der letzten Tage Fragen über die Nachhaltigkeit des Kursanstiegs auf. So deuten die dovisheren Kommentare von Kohn und Bernanke in der letzten Woche zwar auf ein anhaltendes Riskobewusstsein innerhalb der Fed hin. Die unmittelbar vorangegangenen hawkishen Kommentare anderer Fed-Mitglieder sowie die Tatsache, dass der bisherige neutrale Bias der Fed offenbar eine Fehleinschätzung war und es dennoch auf der letzten Sitzung bereits ein Mitglied gab, das gegen die Zinssenkung votierte, lassen jedoch erwarten, dass die Fed going forward eher zögerlicher werden dürfte. Der sich dadurch zunehmend abzeichnende Ad-Hoc Ansatz der Fed (Senkung nur im Fall weiterer Finanzmarktturbulenzen) spricht somit für eine Fortsetzung der Achterbahnfahrt an den Börsen. Für den Aktienmarkt steigt dadurch die Gefahr, dass die Notenbank durch eine „reaktive“ Geldpolitik hinter die Kurve fallen könnte. Da in den nächsten Monaten mit deutlich schwächeren Wirtschaftszahlen zu rechnen ist (unsere Volkswirte rechnen nurmehr mit einem Wachstum der US-Wirtschaft von 0,4% in Q4, 1,0% in Q1 und 1,2% in Q2) dürfte der Aktienmarkt in diesem Umfeld äußerst sensibel auf Negativausreißer (z.B. rückläufige Non-farm Payrolls, Absinken des ISM unter 50, Anzeichen für eine stärker ausfallende Abschwächung der Kreditvergabe) reagieren. Unser Indikator der die impliziten Wachstumserwartungen des Bondmarktes misst (aber das Wachstum nicht notwendigerweise exakt vorhersagt) deutet bereits klar auf Befürchtungen eines stärkeren Wachstumsabschwungs hin. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatasche, dass die Rendite 2-jähriger US-Staatsanleihen nur noch bei 3% liegt, nehmen aktuell sogar die Erwartungen zu, dass die Fed bereits im Dezember um 50 Basispunkte senken wird.

Neben der zunehmenden Gefahr, dass die Hoffnungen des Aktienmarktes über das Ausmaß und des Timings weiterer Leitzinssenkungen enttäuscht werden, zeigen sich auch bei der Gewinnentwicklung, von der in den letzten Jahren eine zentralen Unterstützung für den Aktienmarkt ausgegangen ist, erste Anzeichen für ein schwierigeres Umfeld in den nächsten Monaten. In Europa, USA und Japan tendieren die 12M FWD Gewinnschätzungen inzwischen seit rund 3 Monaten nur noch seitwärts. lediglich in der Eurozone blieben die Abwärtsrevisionen bislang begrenzt. Allerdings ist auch hier aufgrund der Reife des Gewinnzyklus (Schätzungen inzwischen rund 29% über dem langfristigen Trend) sowie der mit Blick auf 2008 und 2009 zunehmenden Risiken (Wachstumsabschwächung, fester EUR, hohe Rohstoffpreise) von einer deutlich steigenden Gefahr von Enttäuschungen zu rechnen.

In Anbetracht dieser Entwicklungen und da sich von Seiten der Kreditkrise immer noch keine nachhaltige Entspannung abzeichnet, schätzen wir es als sehr wahrscheinlich ein, dass sich die Rallye der letzten Tage nicht bis in Q1 hinein fortsetzen wird. Vielmehr dürfte die in den letzten Monaten ausgebildete, volatile Seitwärtsbewegung bis weit in 2008 anhalten. Vor diesem Hintergrund erachten wir es derzeit als sinnvoller, zentrale Anlaufmarken innerhalb einer Range zu spezifizieren, als punktuelle Kursziele zu nennen. Wie die Erfahrung der letzten Wochen gezeigt hat, kann sich das Kursniveau zurzeit innerhalb weniger Handelstage um 5 bis 10% nach oben oder unten verschieben. Da unsere Kurssteigerungserwartung für 2008 aufgrund der deutlich nachlassenden Gewinndynamik und einer zumindest temporär wahrscheinlichen Hinterfragung der Bewertungsniveaus eher im unteren einstelligen Bereich liegen dürften (3-5%, unser detaillierter Jahresausblick wird nächste Woche veröffentlicht), sind Punktprognosen für Investoren derzeit ohnehin nur bedingt umsetzbar. Dies gilt insbesondere für risikoaverse Anleger die im Fall zwischenzeitlicher Kursrückschläge gezwungen sein dürften, Exposure abzubauen.

Fazit: Wir sind für die Aktienmarktentwicklung in den nächsten Monaten weiterhin nur vorsichtig optimistisch und sehen derzeit weitere Anzeichen für ein schwierig bleibendes mittelfristiges Umfeld. Auf Sicht der nächsten Monate (möglicherweise sogar über das gesamte Jahr 2008) dürften die Aktienindizes um Anlaufmarken pendeln, die nur wenig über den aktuellen Niveaus liegen (DAX: 7900 Punkte, Euro STOXX 50: 4400 Punkte, S&P 500: 1500 Punkte). Diese Niveaus dürften um rund 5% überboten werden können, aber auch um bis zu 10% unterschritten. Innerhalb dieser 15%-Range dürfte ein volatile Entwicklung vorherrschen, so dass taktische Entscheidungen sehr wichtig für den Anlageerfolg sein werden.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader

Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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