Kommentar
09:00 Uhr, 24.10.2011

Wo kein Einigungs-Wille, da auch kein Lösungs-Weg

In Euroland wird der Handlungsdruck immer größer. So wurde die Bonitätsbewertung Spaniens von der Rating-Agentur Moody’s direkt um zwei Stufen heruntergenommen und auch fünf spanische Banken bekamen die Rating-Peitsche zu spüren. Zudem verpasste S&P den italienischen Banken die volle Breitseite und stufte gleich 24 von ihnen ab. Die Rating-Agenturen werden nicht müde, die Sturmreif-Schießung Eurolands konsequent fortzusetzen.

Wo bleibt die Gegenreaktion Eurolands? Es ist so langweilig, es immer und immer wieder sagen zu müssen: Um die Probleme zu lösen, muss schlicht und ergreifend der große Wurf her, die klare und umfassende Lösung präsentiert werden.

Auf konkrete Vorschläge für den kommenden EU-Gipfel am Sonntag konnte man sich jedoch bislang nicht einigen. Aus Deutschland kamen sogar Warnungen vor überzogenen Erwartungen.

Man diskutiert zwar darüber, dass der geplante griechische Schuldenschnitt deutlich höher als die ursprünglich ausgehandelten 21 Prozent ausfallen müsste, um Griechenland überhaupt wieder Bewegungsfreiheit einzuräumen. Wie man Banken und Versicherungen jedoch an einem größeren Schuldenschnitt beteiligen will, ist noch völlig unklar.

Frankreich als Anwalt der angeschlagenen Banken

Grundsätzlich bringt ein größerer Schuldenschnitt die euroländischen Banken in unterschiedlich arge Bedrängnis. Während für die deutschen Geschäftsbanken ein bereits starker Abbau griechischer Anleihebestände unterstellt wird, scheinen andere Banken in den euroländischen Partnerländern stark auf die Komplettrettung Griechenlands - insbesondere auch durch Deutschland - gesetzt zu haben und sind noch umfänglich investiert. Vor allem Frankreich scheint sich zum Anwalt der Interessen dieser Banken zu machen, die bei einem größeren Schuldenschnitt besonders hohe Abschreibungen, Verluste und Eigenkapitalschrumpfungen zu tragen hätten und besonders stark rekapitalisiert werden müssten.

Nach ersten Schätzungen der europäischen Bankenaufsicht (EBA), die aktuell einen Blitz-Stresstest unter verschärften Bedingungen mit Schuldenschnitten euroländischer Staaten in unterschiedlichen Größenordnungen durchspielt, beträgt der Gesamtbedarf an frischem Kapital für euroländische Banken zwischen 70 und 90 Mrd. Euro. Euroländische Banken sollen bis Mitte 2012 Zeit erhalten, ihre Kernkapitalquote auf bis zu 9 Prozent anzuheben.

Die wichtige Frage ist: Wie kommen die Banken an dieses Kapital? Die augenblicklich zu beobachtende Praxis, wonach europäische Banken umfänglich Vermögensgegenstände im Ausland abbauen und ihre Präsenz außerhalb ihrer Kernmärkte reduzieren, um somit Kapital aus dem Ausland repatriieren, hat zunächst den unschönen Beigeschmack, dass damit auch der Wegfall von wirtschaftlichen Impulsen in diesen Ländern verbunden ist. Die betriebene Kapitalschonung wirkt sich zudem sehr negativ auf die Kreditvergabeneigung der Banken im euroländischen Inland und damit die Realwirtschaft aus und verschärft damit die Abwärtskräfte der Konjunktur, die bereits durch die Entschuldung der Länder zu spüren sind. An Kapitalerhöhungen wird eine Bank in diesen unsicheren Zeiten kaum denken können. Der erzielbare Emissionskurs wäre nicht einträglich genug. Man kann den Banken insgesamt also kaum bis Mitte 2012 Zeit geben, ihr Kapital selbst aufzustocken. Die Friktionen für die Konjunktur wären zu groß.

Sollten die Banken die Frist zur Erhöhung ihres Kapitals verpassen, droht schließlich die Zwangsrekapitalisierung durch den Staat. Sogar eine Vollverstaatlichung von in Schieflage geratenen Banken ist nicht ausgeschlossen.

Die Angst der Franzosen vor der Bonitätsherabstufung

Was aber, wenn durch die sich daraus ergebende noch höhere Verschuldung der kapitalspendenden Staaten diese selbst in das Visier der Finanzmärkte und der Rating-Agenturen geraten lässt. Moody’s und S&P warnten diesbezüglich bereits vor einem Verlust der Top-Bonität Frankreichs. Die Aussage von Fitch, keine Herabstufung der Franzosen zu planen, ist kein großer Trost.

Frankreich will insofern sein nationales Engagement zur Erhaltung der Best-Bonität so gering wie möglich halten. Paris sieht den euroländischen Rettungsfonds EFSF daher als Allesretter. Dieser soll neben der Stützung von z.B. spanischen und italienischen Staatsanleihen eben auch zur Bankenrettung eingesetzt werden.

Vor allem in der Frage, wer die Banken rekapitalisieren soll, ist das Zerwürfnis zwischen Frankreich und Deutschland besonders groß. Im Interesse Frankreichs liegt die Hebelung der Finanzmittel des Rettungsfonds, indem man diesem den Status einer Bank zuspricht. Der Fonds könnte dann Anleihen krisengeplagter Staaten kaufen, diese als Sicherheiten für neue Kredite bei der EZB hinterlegen und diese dann wiederum zur Liquiditätssicherung angeschlagener Banken verwenden. Die Verschuldung des jeweiligen Staates würde sich in Grenzen halten. Aus dem Rettungsfonds würde eine Gelddruckmaschine, die Euroland über eine totale Liquidität aus der Krise manövrieren soll.

In Deutschland hingegen bevorzugt man den Ansatz, die Finanzmittel des Fonds bei der Neuemission von nationalen Staatsanleihen zur Teilabsicherung im Falle einer Staatspleite - schätzungsweise zwischen 20 und 30 Prozent - zu nutzen. Damit kauft der Euro- Rettungsfonds die Anleihen nicht direkt an, sondern bietet den Investoren einen Anreiz, die nationalen Staatsanleihen direkt zu kaufen. Dies würde die Finanzmittel des Rettungsfonds im Interesse der Steuerzahler der Geberlände schonen, die keine weiteren Einschüsse leisten müssten.

Die Lösung über einen Bankenstatus für den Rettungsfonds würde auch die letzten stabilitätspolitischen Grundsätze in Euroland beseitigen. Man hätte es mit einer liquiditätsorientierten Planwirtschaft zu tun, da Staatsausgaben im großen Stil mit der Notenpresse finanziert würden. Die Bankenlösung könnte im Extermfall auch als rettungsfondsgestütze Hängematte für reformunwillige Staaten missbraucht werden.

Auch die Versicherungslösung hat ihre Schwächen

Aus Stabilitätssicht ist die Kreditausfallversicherung - sozusagen eine Teilkaskoversicherung - der Bankenlösung vorzuziehen. Man wäre theoretisch auch so in der Lage, den Finanzbedarf Italiens und Spaniens bis Ende 2013 zu decken.

Dennoch ist das Konzept einer Versicherung grundsätzlich schwierig. Denn für Investoren, die Staatsanleihen typischerweise als sichere Anlage aufsuchen, muss eine Ausfallversicherung doch als ein klares Indiz für eine riskante Anlage gewertet werden. In diesem Zusammenhang könnte sich eine Kreditausfallversicherung von 20 bis 30 Prozent als zu geringer Anreiz für Investoren erweisen.

Außerdem, welcher Betrag im Euro-Rettungsfonds kann tatsächlich als Garantiesumme verwendet werden, wenn Garantiegeber selbst gerettet werden müssen? Das Risiko besteht, dass sich Investoren eher weiter für die Staatsanleihen bonitätsstarker Euro-Staaten wie Deutschland entscheiden. Ohnehin müssten die rechtlichen Grundlagen des Euro-Rettungsschirms verändert werden. Müsste sogar der Rahmenvertrag geändert werden, wäre eine aufwendige Zustimmung aller 17 Euro-Staaten erneut unabdingbar. Das große Risiko, dass nicht alle Staaten dem zustimmen, wäre ein weiteres Mal gegeben.

Eigentlich basiert die Versicherungslösung darauf, die schwächste Säule zur vermeintlich stärksten Stütze Eurolands zu machen. Denn der Rettungsfonds agiert auf Basis seiner Top-Kreditwürdigkeit, die durch eine finanzielle Überbesicherung der 17 Euroländer sichergestellt wird. Nun leidet aber bereits die Bonität von Staaten wie Italien und Spanien, deren Anteil an den Garantien bei 139 bzw. 92 Mrd. Euro liegt, unter den Rating-Herabstufungen der letzten Wochen. Und selbst Frankreich, das nach Deutschland die zweithöchsten Garantien in Höhe von 158 Mrd. Euro ausgesprochen hat, könnte sein Triple A-Rating verlieren. Sollte dies geschehen, wäre die Hälfte der gesamten Garantiesumme des Euro-Rettungsfonds von 780 Mrd. Euro nicht mehr mit der ursprünglichen Kreditwürdigkeit hinterlegt. Die Garantiesumme für Deutschland - mit 211 Mrd. Euro Hauptgläubiger - müsste sich spätestens dann aus logischen Gründen erhöhen, um die Top-Bonität des gesamten Rettungsfonds auf dem aktuellen Niveau zu gewährleisten. Aus diesem erhöhten Rettungsumfang kann dann eine Rating-Agentur mühelos selbst eine Bonitätsverschlechterung Deutschlands rechtfertigen. Das Konzept des Euro-Rettungsfonds würde zu schließlich ad absurdum geführt.

Die nachhaltige Lösung oder das Warten auf Godot

Wer sich durchsetzen wird bzw. wie ein Kompromiss aussieht, sollte eigentlich am kommenden Sonntag auf einem EU-Gipfel geklärt werden. Auf Entscheidungen werden wir jetzt bis Mitte der nächsten Woche warten müssen. Dann trifft man sich noch einmal, weil die Positionen von Frankreich und Deutschland noch zu weit auseinander liegen.

Die Finanzmärkte haben die Hoffnung auf eine klare Lösung noch nicht aufgegeben. Neben der Bankenrekapitalisierung und der Ausrichtung des Rettungsschirms geht es nicht zuletzt auch um den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Nur massiv griechische Schulden zu streichen, ist keine nachhaltige Lösung. Denn ein tragfähiges griechisches Geschäftsmodell liegt nicht vor. So beginnt der griechische Schuldenberg genau in dem Moment der Entschuldung wieder zu wachsen, da eine Abwertung der Währung, die dem Land neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen und wieder zu Wachstum verhelfen könnte, ausbleibt.

Deutsche Wirtschaft besser als ihr Ruf

Unter der zerfahrenen politischen Lage in Euroland leidet auch die Stimmung in der deutschen Wirtschaft. So sind die Erwartungen über die weitere konjunkturelle Entwicklung weiter gefallen. Die ZEW-Konjunkturerwartungen zeichnen hierbei ein wesentlich dunkleres Bild als die ifo Geschäftserwartungen. Immerhin geben die von den Unternehmen direkt abgefragten Daten des ifo Instituts naturgemäß ein realistischeres Bild der Konjunkturentwicklung in Deutschland ab.

Zwar hat die Volatilität am deutschen Aktienmarkt im Rahmen der Zuspitzung der politischen und Staatsschuldenkrise merklich zugenommen. Im Gegensatz zu früheren Krisen allerdings, wie z.B. der Lehman-Pleite Ende 2008, nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 oder auch zur Asien-Krise, wird die aktuelle Geschäftslage in Deutschland von den Unternehmen aktuell jedoch noch deutlich weniger dramatisch eingeschätzt.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen