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15:53 Uhr, 02.08.2024

Wirtschaftsministerium legt Optionen für Strommarktdesign vor

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Konsultationspapier für das künftige Strommarktdesign vorgelegt und um Stellungnahmen bis zum 28. August gebeten. "Ein hoher und weiter steigender Anteil erneuerbarer Energien bedeutet für das Stromsystem einen Paradigmenwechsel", erklärte das Ministerium zu dem 118 Seiten starken Papier. Notwendig sei es, von einem System inflexibler Nachfrage und statischer Erzeugung überzugehen in ein System mit kostengünstiger variabler Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik (PV), ergänzt um Speicher, eine flexible Nachfragesteuerung und flexible Kraftwerke als Backup. "Das Zusammenspiel dieser Elemente und deren intelligente Integration verändern die Anforderungen an das Strommarktdesign grundlegend."

Wie das zukünftige Strommarktdesign und damit eine sichere, bezahlbare Strom- und Energieversorgung, die ausschließlich auf erneuerbaren Energien basiere, ausgestaltet werden könne, habe die durch die Koalitionsfraktionen eingesetzte Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) seit 2023 diskutiert. Nun lege das Ministerium Optionen für das zukünftige Strommarktdesign vor. Das Papier sei "ein erster Aufschlag" für die Diskussion innerhalb der Regierung und mit den politischen Akteuren, Stakeholdern, Bundesländern, anderen europäischen Staaten und der EU-Kommission. Die Handlungsoptionen basierten im Wesentlichen auf den Diskussionen in der PKNS. Deren Stakeholder seien eingeladen, sich an einer schriftlichen Konsultation dazu zu beteiligen, die am 28. August ende.

"Beim Umstieg auf erneuerbare Energien brauchen wir flexible Lösungen, Speicher und eine gute Nutzung der Stromnetze", erklärte die klima- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer. Diese dürften den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behindern. Der zukünftige Strommarkt müsse sich an den erneuerbaren Energien orientieren. Dezentralisierung schaffe dabei Sicherheit und die Möglichkeit, vorhandene Flexibilität einzubinden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien sollte dabei nicht als Teil der Strommarktintegration verstanden werden, da dies den Erneuerbaren-Ausbau bremsen und den Klimaschutz behindern würde, forderte Scheer. "Nur mit den Erneuerbaren sichern wir eine nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung."

   Verband will längere Konsultationsfrist 

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßte, dass der Bericht nun offen liege, kritisierte aber die Konsultationsfrist und forderte eine geordnete Debatte. Die PKNS habe zwischen Februar und Dezember 2023 unterschiedliche Aspekte des Strommarktes beleuchtet und dabei teils konträre Lösungsansätze vorgestellt. Die vertiefte Diskussion zu dem komplexen Themenfeld sei nach Meinung des BEE in den zeitlich stark begrenzten Beratungen zu kurz gekommen. Inhaltlich sei das klare Bekenntnis des Ministeriums zur einheitlichen deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone "eine wichtige Basis der weiteren Arbeit, um die Herausforderungen, die sich aus der Transformation der Energiewirtschaft ergeben, nachhaltig und verantwortlich anzugehen", so BEE-Präsidentin Simone Peter.

Auch die Ankündigung einer koordinierten Flexibilitätsagenda sei ausdrücklich zu begrüßen, da die bislang nur unzureichend vorhandenen respektive teilweise blockierten Flexibilitätsoptionen wie die Bioenergie oder die Wasserkraft eine der Lösungsoptionen darstellten. Erzeuger-, Speicher- und Verbraucherflexibilitäten müssten jetzt dringend angereizt werden, um auf die Bedürfnisse der systemsetzenden Erneuerbaren systemisch zu reagieren. Der Verband warne deshalb auch davor, das bewährte Absicherungssystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) durch unzureichend diskutierte Modelle ersetzen zu wollen.

Nötig sei "ein Dreiklang aus deutlicher Flexibilitätssteigerung, besserer Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur durch Überbauung der Netzverknüpfungspunkte und einem mengen- statt zeitbasierten Absicherungssystem". Nicht hinnehmbar sei eine Konsultationsfrist bis 28. August in der Hauptferienzeit. Für eine verfassungsrechtlich gebotene, geordnete Verbändebeteiligung sollte die Frist mindestens um zwei Wochen auf den 13. September verschoben werden, forderte der Verband.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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