Kommentar
22:18 Uhr, 11.05.2012

Wir müssen uns jetzt entscheiden

Am 23. April fand die achte Ressourcenkonferenz von CM Equity statt. Das Münchner Unternehmen mit Sitz am Marienplatz hat sich als global agierende Investment-Boutique auf die Geschäftsfelder Asset Management und Corporate Finance spezialisiert. Anlegern bietet CM Equity Investmentlösungen insbesondere in Form von Managed Accounts und Investmentfonds an. Um im Bereich des Investierens in Bergbauaktien für mehr Transparenz zu sorgen, stand die achte Ressourcenkonferenz im Hotel Vier Jahreszeiten in München ganz unter dem Motto Wissensvermittlung: Den Besuchern wurden die grundlegenden Parameter vermittelt, um Rohstoffunternehmen selbstständig beurteilen zu können (mehr Informationen finden Sie dazu unter http://www.ressourcenkonferenz.de/). Eröffnet wurde die gelungene und spannende Veranstaltung durch einen Rohstoffausblick von Chris Berry, von Mountain House Partners; einem New Yorker Unternehmen, dessen Steckenpferd die Analyse der Auswirkungen makroökonomischer Themen auf die Rohstoffmärkte ist. Wir sprachen im Anschluss an die Veranstaltung mit Chris Berry über aktuelle Trends und Bewegungen an den Märkten.

Herr Berry, in kurzen Worten, warum finden Sie Rohstoffe interessant?

Wenn Sie sich die BRIC-Staaten ansehen, also China, Indien, Russland und Brasilien, dann sehen sie dort hohe Wachstumsraten und den unbedingten Willen nach mehr Wohlstand. Die Wachstumsraten, die dadurch erzeugt werden, sind schier atemberaubend. Das ist nicht zu vergleichen mit irgendetwas, was wir in unserer Generation gesehen haben. Und das Interessante ist nun, dass dieser Aufschwung, die Industrialisierung, die dort stattfindet, auf Rohstoffen aufbaut, sprich: Es werden große Mengen Kupfer, Öl, seltene Erden, Molybdän und andere Rohstoffe benötigt. Wir fokussieren uns auf große Trends und Ereignisse und versuchen bei Mountain House Partners Junior-Mining-Unternehmen zu finden, die von diesen Trends profitieren können.

Sie sprachen in Ihrem Rohstoff-Ausblick auf der Ressourcenkonferenz das Thema Entschuldung an. Ist das nicht eine Entwicklung, die die Rohstoffmärkte negativ beeinflusst?

Es gibt eine Studie von McKinsey, die im vergangenen Jahr entstanden ist. Sie zeigt, was nach dem Platzen einer Immobilienblase geschieht. Im Fazit kommen die Autoren zu dem Schluss, dass es im Schnitt fünf bis zehn Jahre dauert, bis eine Volkswirtschaft eine Überschuldungskrise überwunden hat und wieder aus eigener Kraft wachsen kann. Die Idee dahinter ist, dass ein neuer Kreditzyklus nicht beginnen kann, bevor der alte nicht zu Ende gegangen ist. Alle Schichten der Gesellschaft ist überschuldet: Von der Regierung, bis zu den Unternehmen und Verbrauchern haben alle über ihre Verhältnisse gelebt. Das gilt für den Westen, also für Europa gleichsam wie auch für die USA. Um der Wirtschaft wieder ein nachhaltiges Wachstum einzuräumen, muss nun dieser Schuldenüberhang abgearbeitet werden. Es gibt es mehrere Möglichkeiten, dies zu tun. Wir stehen vor großen Entscheidungen. Die erste Lösung wäre ein Sparprogramm. Das bedeutet: Staatliche Zuwendungen, Renten und andere Ausgaben werden gestrichen. Eine andere Möglichkeit ist neues Wachstum, was aber durch das jetzt schon erreichte Niveau an Schulden wenig Erfolg verspricht, da eine so große Menge an Geld in den Schuldendienst geht, statt neu investiert zu werden. Die dritte Möglichkeit ist die Inflation. Damit kann man den bestehenden Schuldenberg entwerten – und das ist genau der Weg, den die US-Notenbank gewählt hat. Sie betreibt ein Programm zur quantitativen Lockerung, sie schafft Geld aus dem Nichts und kauft damit Anleihen der Regierung und hält die Leitzinsen niedrig, denn würden die Zinsen steigen, könnte dies die US-Wirtschaft stark belasten und das würde sich vermutlich dann auch auf die Weltwirtschaft auswirken. Ich habe in meinem Vortrag aber noch einen vierten Weg genannt und das ist der Weg der Staatspleiten. Ich halte diese Möglichkeit für den letzten Ausweg – egal wie schlimm die Situation wird – man wird diesen Weg nicht gehen wollen. Die Frage ist für die Politik: Welcher Weg verursacht die geringsten Schmerzen und die geringsten Nachteilen? Die drei Optionen sind also Sparprogramme, Wachstum oder Inflation und der Weg des geringsten Widerstandes ist die Inflation. Ich denke die Kombination aus Inflation und Sparen ist der Weg, mit dem wir am schnellsten wieder auf die Beine kommen.

Wenn die Inflationierung ein Ziel ist, dann besteht eigentlich auch keine wirkliche Bereitschaft, die Zinsen in den USA wieder hochzusetzen und es wird eine dritte Runde geldpolitischer Lockerung geben?

Es gibt keine Exit-Strategie aus der geldpolitischen Lockerung. Japan befindet sich schon seit dem Jahr 1989 in einer Deflationsspirale und die haben die Zinsen schon sehr lange auf niedrigem Niveau, aber sie kommen nicht mehr auf Kurs. Wenn man diese Entwicklungen betrachtet, muss man sich zwangsläufig fragen, ob sich die Eurozone oder die USA nicht auch in diese Richtung bewegen. In den USA wurde der Markt mit Geld geflutet und dieses Geld muss früher oder später irgendwo angelegt werden. Zuviel Geld jagt derzeit zu wenig Gütern hinterher, und das ist die klassische Definition von Inflation. Geldpolitische Lockerung und Inflation verhindern die Entschuldung, aber sie schaffen ein Umfeld, in dem es sinnvoll ist, Gold zu halten. Gold ist eine Rechnungseinheit und ein Wertspeicher. Einige Menschen bezeichnen Gold als Rohstoff, wo ich mit allem Respekt widersprechen würde: Gold ist Geld. Die Politik kann sich für einen klaren Kurs nicht entscheiden und immer mehr Menschen bekommen das mit und kaufen daher Gold, um sich abzusichern.

Welche Rolle spielt China am Goldmarkt?

Chinas Goldimporte haben im Mai 2011 begonnen, stark anzusteigen. In diesem Monat haben gleichzeitig die Verkäufe von US-Staatsanleihen durch die chinesische Regierung begonnen, sichtbar anzusteigen. Damit endete für den Moment auch die unsichtbare Finanzierung des Haushaltsdefizits der US-Regierung, indem chinesische Außenhandelsgewinne wieder zurück investiert wurden in US-Staatsanleihen. Wozu sich die Chinesen entschieden haben, und da bin ich mir sicher, ist Gold zu kaufen. Das ist fast ein parabelförmiger Anstieg der Nachfrage. Es gibt zahlreiche weitere Belege. Venezuela hat sein Gold aus Europa und den USA angefordert, um es im eigenen Land zu lagern. Die Regierung von Kazakhstan hat seit Januar 2012 ein Vorkaufsrecht für die Goldproduktion der einheimischen Minen bis zum Jahr 2015. Zentralbanken kaufen insgesamt Gold – im Jahr 2010 wurden rund 40 Tonnen Gold durch Zentralbanken gekauft, für das Jahr 2012 gab es Prognosen, dass Zentralbanken 330 Tonnen importieren werden. Jetzt sind sie auf Kurs schon 500 Tonnen zu kaufen. Gleichzeitig spricht die US-Notenbank aber davon, dass sie die Inflation unter Kontrolle halten wird, aber sie lässt die Leitzinsen nahe Null und führt geldpolitische Lockerung durch. Das ist ein klassischer Beleg dafür, dass die Notenbanken etwas anderes tun, als sie sagen.

Die Inflation war ein großes Problem in China. Dank der staatlich gewollten Abkühlung der Wirtschaft hat sich das Inflationsproblem seither beruhigt. Investoren hoffen auf eine Lockerung der chinesischen Geldpolitik und neue Wachstumsbeiträge in der zweiten Jahreshälfte. Ist die Hoffnung gerechtfertigt?

China ist immer interessant, aber in diesem Jahr ist es besonders interessant, weil wir uns in diesem Jahr in einer politischen Übergangsphase befinden. Das Spiel in China heißt Überleben, und das ist genau das Ziel, das die chinesische Regierung verfolgt und das sie verfolgen muss. Einerseits wird uns in den dortigen Medien eine ausgeglichene Gesellschaft präsentiert, aber die Zahlen, die mich erreichen, zeigen eine Lohnspirale. Die Löhne und Gehälter steigen seit neun Monaten um 15% pro Monat, also haben wir es in China immer noch mit Inflation zu tun. Der durchschnittliche Stundenlohn lag im Jahr 2000 bei 50 US-Cents, heute sind es 3,50 US-Dollar. Die Menschen streben einen höheren Lebensstandard an und das impliziert auch die Forderung nach höheren Löhnen. Wenn Sie ein Unternehmen sind sind Sie mit der Frage konfrontiert, ob Sie die höheren Löhne bezahlen wollen oder ob Sie in ein anderes Land umsiedeln, weil Ihre Kunden Ihre Preise nicht mehr bezahlen wollen. Natürlich findet die Lohninflation in China auf einem viel geringeren Lohnniveau statt – die Löhne sind viel geringer als in Deutschland oder im Westen. Diese Frage halte ich für viel bedeutender als die Frage über eine weitere mögliche Abkühlung der chinesischen Exporte wegen der Wirtschaftsschwäche in Europa. Das wirft nun einige Fragen auf hinsichtlich des mittel- bis langfristigen Kurses der chinesischen Wirtschaft. Sie muss umgebaut werden von einer Volkswirtschaft, die von Investitionen und Exporten angetrieben wurde, zu einer Volkswirtschaft, die weniger davon hat und stärker von der Binnennachfrage leben kann. Das ist eine kulturelle Veränderung, die Zeit benötigt. Da kann man nicht einen Schalter umlegen und das Ziel ist erreicht…

…es ist auch nicht möglich die Leitzinsen zu senken, damit sich das Problem erledigt…

…richtig, die Chinesen haben zwar die Möglichkeiten die Geldpolitik zu lockern, etwa über die Senkung der Reserveanforderungen für Geschäftsbanken oder die Leitzinsen. Jeder beobachtet China und ich blicke auf die aktuellen Entwicklungen mit Besorgnis, denn ich fürchte, dass sich das Wachstum weiter abschwächen wird. Ich rechne nicht mit einer harten Landung. Die Politik hat die kontrollierte Abkühlung der Wirtschaft bislang erfolgreich bewerkstelligt – das Wirtschaftswachstum liegt jetzt bei 8,1% – und ich denke, dass ihnen die Abkühlung auch weiterhin gelingen wird.

Der Goldminensektor und der Minensektor ist ein klarer Underperformer relativ zu der Entwicklung der Metallpreise selbst. Warum ist das so?

Das macht mich verrückt, darüber nachzudenken (lacht). Alle Gründe, die den Goldpreis von 200 Dollar pro Unze auf 1600 Dollar pro Unze haben ansteigen lassen, sind weiterhin intakt. Zentralbanken versuchen sich noch vor ihrer Verantwortung zu drücken und sehen nicht ein, dass sie die Defizite der Staaten finanzieren müssen, das Goldangebot stagniert seit mindestens neun Jahren, die Nachfrage von Zentralbanken steigt, neue Verbraucher in Indien und China kaufen Gold, neue Nachfrage entsteht in physisch besicherten ETFs. Unter dem Strich kann man feststellen, dass es immer neue Nachfrage gibt, die für Gold entsteht, während die Minenproduktion stagniert. Wenn wir vor diesem Hintergrund uns nun den Goldminensektor betrachten, dann müssen wir uns überlegen, was eine Rally bei den Goldminenaktien auslösen könnte. Ich weiss nicht, was dieser Auslöser sein könnte. Wenn Sie sich Unternehmen wie Barrick, Goldcorp oder Newmont ansehen: Diese Unternehmen verdienen soviel Geld, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie mit dem Geld tun sollen – sie bezahlen bereits eine Dividende, sie führen Aktienrückkaufprogramme durch, sie akquirieren kleinere Minen, aber die Aktien bewegen sich seitwärts. Ich tendiere daher zu den Junior-Minen-Unternehmen, da sie hier mit einer Hebelwirkung agieren. Weltweit haben wir strukturelle Probleme in den Volkswirtschaften auf der ganzen Welt, die bislang noch nicht angegangen worden sind und die Zentralbanken und die Politik führt lediglich Maßnahmen durch, die Zeit gewinnen und früher oder später wird das nicht mehr möglich sein.

Das ist alles nicht sehr optimistisch…

Gold ist ein Angstindikator. Und es ist eine Form der Absicherung gegen versteckte Steuern wie die Inflation. Man ist aber in der Lage von den Entwicklungen zu profitieren, etwa über die Investition in etwas, das ich Energie-Metalle nenne. Sie ermöglichen den Zugang zu Elektrizität und Energie. Die Entwicklungen in den BRIC-Staaten und den dahinter stehenden Emerging Markets werden weiter anhalten. Die TIMBI-Staaten sind noch viel interessanter als die BRIC-Staaten, da sie ein ausgeglicheneres Wachstum aufweisen. TIMBI – das sind die Türkei Indonedien, Mexiko, Brasilien und Indien. Interessant sind auch die von der HSBC als CIVICS bezeichneten Staaten – Kolumbien, Indonesien, Vietnam, Ägypten, Türkei und Südafrika. Sie alle verfügen über eine junge Bevölkerung, einen wachsenden Mittelstand, eine relative politische Stabilität und offene Gesellschaften und auch über diversifizierte und nicht einseitig ausgerichtete Volkswirtschaften. Das BIP Chinas im Jahr 2011 betrug 5,8 Billionen US-Dollar, jenes der TIMBI-Staaten aufsummiert 6,2 Billionen US-Dollar. Wenn wir uns vorstellen, dass die TIMBI-Staaten in den nächsten neun Jahren mit durchschnittlich 6,5% wachsen können, und China wüchse um 7,2% in diesem Zeitraum, würden die TIMBI-Staaten kombiniert 11,1 Billionen Dollar erwirtschaften, während die Wirtschaftsleistung Chinas bei nur 11,0 Billionen Dollar läge. Meine These ist es, dass die TIMBI-Staaten in der Lage sind, eine weitere Abschwächung des chinesischen Wachstums zu kompensieren. Darin sind noch nicht die Wachstumsaspekte in anderen Teilen der Erde enthalten, was insgesamt ein positives Bild zeichnet für die zu erwartende Rohstoffnachfrage. Der Wunsch nach einem höheren Lebensstandard besteht nicht nur in China, sondern auch in anderen Teilen der Erde. Als Investor kann man davon profitieren.

Das Interview führte Jochen Stanzl, Rohstoffanalyse Godmode-Trader.de

Rohstoff-Blog: www.limitup.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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