Kommentar
11:57 Uhr, 03.05.2013

Wir ertränken die Probleme der Welt in Liquidität

Die neue große Koalition in Italien aus dem Mitte-Links Bündnis des neuen Ministerpräsidenten Letta, dem rechten Parteienbündnis Berlusconis und den Technokraten Montis hat der Sparpolitik und auch der italienischen Reformbewegung eine deutliche Abfuhr erteilt. Nur so lässt sich die Zwangsharmonisierung des italienischen Parteienbündnisses erreichen. Eine reduzierte Wettbewerbsfähigkeit und höhere Haushaltsdefizite werden die Folge sein.

Wettbewerbsfähigkeit kommt auch der zweitgrößten Euro-Wirtschaft Frankreich - wie zuletzt von der Bundesregierung festgestellt - zunehmend abhanden. Mangelnde Investitionen und die Abwanderung von Unternehmen ins Ausland müssen insofern durch staatlich geförderte Investitionen, im Klartext mehr Schulden, kompensiert werden. Die dringend erforderliche Verbesserung der französischen Standortqualitäten - die erst langfristig zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum führen - kommt definitiv zu kurz.

Deutscher Konsum als solides zweites Standbein

Lichtblick in der Eurozone bleibt Deutschland. Zwar treffen die Ausstrahleffekte der schwachen Euro-Konjunktur auch die deutsche Wirtschaft. Doch hat sich mittlerweile die Binnenkonjunktur zu einem bedeutenden Stabilisator für die deutsche Gesamtwirtschaft entwickelt. Die stabile Lage auf dem Arbeitsmarkt gepaart mit vergleichsweise positiven Tarifabschlüssen tragen laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zu robusten Einkommenserwartungen bei, die wiederum auf eine wieder anziehende Anschaffungsneigung hindeuten. Zudem schwindet mit Blick auf die niedrigen Anlagezinsen die Attraktivität von Zinsvermögen. Das Geld wird weniger gespart, es wird ausgegeben. So notiert der GfK Konsumklimaindex mit 6,2 auf dem höchsten Stand seit Oktober 2007, also vor der Immobilienkrise.

US-Geldpolitik: Es kann keinen Ausstieg geben

Auch der konjunkturelle Gegenwind in den USA nimmt zu. Die Zwangskürzungen im US-Budget hinterließen erste Bremsspuren im US-Wirtschaftswachstum für das I. Quartal 2013, das mit 1,8 Prozent zum Vorjahr hinter den Erwartungen zurückblieb. Und auch die US-Konjunkturstimmung zeigt sich gedämpft. So trübte sich der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe in den USA das zweite Mal in Folge ein und sank auf einen Wert von aktuell 50,7. Immerhin weist dieser noch auf ein moderates Wachstum hin.

Zinswende würde die Büchse der Pandora öffnen

Ein Konjunktureinbruch wie im Schreckensjahr 2009 wird geldpolitisch nicht zugelassen. So kündigte die Fed auf ihrer Zinssitzung am 1. Mai bereits an, ihr aktuelles Anleiheaufkaufprogramm dem sich verändernden Ausblick für Inflation und Arbeitsmarkt anzupassen. Sollten die Konjunkturrisiken also zunehmen, wird sie ihren Doppelschlag aus niedrigen Zinsen und massiver Liquiditätsversorgung nicht nur beibehalten, nein, sie wird ihre Liquiditätsoffensive sogar noch ausweiten. Das Kriterium Inflation wird ohnehin nie geldpolitische Restriktionen nahelegen. Wenn irgendwo in der Welt Inflationsschönung betrieben wird, dann in den USA.

Ein Ende der expansiven US-Notenbankpolitik steht damit nicht zur Debatte. Ohnehin würde die Ankündigung einer auch nur schrittweisen Beendigung der Anleiheaufkäufe die finanzwirtschaftliche Büchse der Pandora öffnen. Das Thema „Zinswende“ würde an den Finanzmärkten die Runde machen. In Erwartung steigender Zinsen und im Umkehrschluss Vermögensverluste über fallende Kurse würde insbesondere im Anleihebereich ein Verkaufdrang institutioneller Investoren einsetzen, der sich lawinenartig selbst verstärkte und auch zu fallenden Kursen bei anderen Anlageklassen wie Aktien führen würde. Der davon ausgehende Unsicherheitsschock würde zu einer Lähmung der gesamten US-Wirtschaft - wie schon nach der Pleite der Lehman Bank 2008 - führen. Zudem würden die steigenden Zinsen das Modell des schuldenfinanzierten Konjunkturwachstums drastisch erschweren und letztlich auch unkalkulierbare Folgen für die Weltkonjunktur hervorrufen.

Vier Ziele hat die EZB

Auch die EZB setzt ihre geldpolitische Mobilmachung fort. Aufgrund von Konjunkturrisiken in der Eurozone und einer - zumindest offiziell - abnehmenden Inflation von aktuell 1,2 Prozent senkt sie den EZB-Leitzins auf das historische Tief von 0,5 Prozent und sichert die Vollzuteilung eines jeden Liquiditätswunsches der Banken bis mindestens Mitte 2014 zu. So etwas könnte man auch Blankoscheck-Politik nennen.

Angesichts der strukturellen Konjunkturschwäche dürfte sich zwar der direkte Konjunktureffekt der Leitzinssenkung in Grenzen halten. Die EZB verfolgt mit ihrer Zinssenkung jedoch eine vierfache Zielsetzung.

Erstens signalisiert sie mit diesem Schritt die uneingeschränkte Unterstützung der Euro-(Finanz-)Wirtschaft in schwieriger Zeit.

Zweitens macht sie Zinsanlagen in der Eurozone jetzt noch unattraktiver. Die Bürger sollen ihr Geld alternativ zur Konjunkturstützung ausgeben.

Drittens versucht sie den Euro im weltweiten Währungsabwertungswettlauf zur Exportstimulierung abzuschwächen, der jetzt an Zinsattraktivität gegenüber dem Nullzins-Niveau der japanischen und der US-Notenbank verloren hat. Vor diesem Hintergrund ist dieses Jahr sogar eine weitere Zinssenkung von 0,50 auf 0,25 Prozent zu erwarten.

Viertens sollen die Banken das günstige Zentralbankgeld - wenn es schon nicht befriedigend in Form von Krediten an Unternehmen und Privatpersonen ausgeliehen wird - in Staatsanleihen der prekären Euro-Länder anlegen, damit deren Finanzierung des verschuldungsgetriebenen Konjunkturwachstums gesichert ist. Denn da Konsum, Investitionen und auch der Export in diesen Ländern aktuell kaum zur Wirtschaftsstimulierung beitragen, ist der Staat der einzig valide wirtschaftliche Aktivposten.

Ein Stimulanzfaktor dürfte dabei sein, dass Banken bei diesen Staatsanleihen kein hohes Risiko eingehen, hat doch EZB-Chef Draghi ein klares Rettungsversprechen für die Anleihemärkte der angeschlagenen Euro-Staaten ausgesprochen. Ebenso von Bedeutung ist zudem, dass sich die EZB mittlerweile auch für unkonventionelle Maßnahmen wie die Senkung des Einlagezinssatzes auf negatives Niveau aufgeschlossen zeigt. Parken die Banken Geld bei der EZB, könnten sie mit einer Parkgebühr bestraft werden. Dann werden sie mindestens in Staatsanleihen investieren.

Schwellenländer als Anlagealternative

Die Emerging Markets bleiben konjunkturelle Sorgenpausen. In China zeigt der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit einem aktuellen Wert von 50,6 - und damit auf expansivem Niveau - die Zuversicht an, dass das soft landing der chinesischen Wirtschaft glückt. Grundsätzlich weisen die Schwellenländer im Vergleich zu entwickelten Industriestaaten wie den Euro-Ländern Italien oder Frankreich oder selbst den USA ein deutlich dynamischeres Konjunkturwachstum bei gleichzeitig wesentlich niedrigerem Schuldenstand auf.

Grafik der Woche: Fundamentaler Vergleich von Industriestaaten und Emerging Markets

Vor dem Hintergrund einer sinkenden Bonität der Staatsanleihen von Industriestaaten lohnt ein Blick auf die vergleichsweise stabilen Staatsanleihemärkte der Emerging Markets. Denn ihre Renditen liegen trotz der von Moody’s & Co. vergebenen guten Bonitätsnoten deutlich vor denen aus Ländern der westlichen Welt, z.B. der Eurozone. So befindet sich z.B. der Risikoaufschlag fünfjähriger brasilianischer zu deutschen Staatsanleihen bei fast neun Prozent und der von Südafrika bei gut fünf. Aufgrund der weiteren fundamentalen Argumente der Emerging Markets in Form wachsender Bevölkerungen und teilweise Rohstoffreichtum ist zudem mit langfristigen Währungsgewinnen dieser Länder zu rechnen. Diese Einschätzung wird auch vom anhaltenden Aufbau einer schlagkräftigen Binnenkonjunktur gestützt, die für eine wachsende Mittelschicht sorgt, die schon in Deutschland nach dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg für nachhaltiges Wirtschaftswachstum sorgte.

Geldpolitik schlägt harte Fundamentaldaten

Vor diesem positiven Fundamentalhintergrund macht ebenso die Aktienmarktentwicklung einzelner Emerging Markets seit 2012 - in Euro währungsbereinigt - der deutschen Aktienmarktentwicklung Konkurrenz. Top-Performer ist der türkische Aktienmarkt, der seit Jahresbeginn 2013 allerdings deutliche Konkurrenz von Japan erhält. Allerdings lässt sich feststellen, dass die fundamentale Stärke der Schwellenländer von der Liquiditätsoffensive der großen Notenbanken in den USA und Japan mit dem Ziel der Vermögenspreisinflationierung aktuell in den Schatten gestellt wird. Eine Outperformance japanischer und US-Aktien ist klar zu erkennen.

Grundsätzlich sind Aktien der Emerging Markets insgesamt sowohl aus Sicht der Ertrags- als auch der Substanzbewertung historisch nach wie vor günstig bewertet sind.

Berichtsaison zum I. Quartal 2013 kein Hemmschuh für Aktien

Die Deutschen Bank überrascht die Analysten mit einer Gewinnsteigerung um gut 20 Prozent zum Vorjahr und profitiert hierbei insbesondere von Kosteneinsparungen sowie dem Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren. Um künftiges Wachstum zu ermöglichen und die damit einhergehenden hohen Kapitalanforderungen zu erfüllen, kündigte die Bank auch gleich eine Kapitalerhöhung in Höhe von 2,8 Mrd. Euro an. Fresenius konnte trotz einer soliden Nachfrage nach Generika und einer steigenden Patientenzahl den Gewinneinbruch der Dialysetochter Fresenius Medical Care nicht ausgleichen und musste insgesamt einen Gewinnrückgang um gut vier Prozent hinnehmen. Der Ausblick für 2013 bleibt unverändert positiv. Infineon muss im Vorjahresvergleich zwar einen Nettogewinnrückgang um 73 Prozent hinnehmen, konnte das Ergebnis zum Vorquartal jedoch deutlich steigern. Der Ausblick für 2013 ist optimistischer, auch angesichts einer beginnenden Normalisierung auf dem Halbleitermarkt.

BMW hatte aufgrund der Flaute in Europa und dem verlangsamten Wachstum in China einen Gewinnrückgang um knapp 3 Prozent zum Vorjahr zu verzeichnen. Vor allem das Geschäft mit Leasing-Verträgen rettete dem Automobilhersteller aber die Bilanz, so dass sich BMW für 2013 weiterhin auf Kurs sieht. Beiersdorf kann dank zweistelliger Wachstumsraten in den Schwellenländern eine Gewinnsteigerung um 33 Prozent erzielen und bleibt auch im Ausblick zuversichtlich. Die Deutsche Lufthansa schreibt aufgrund des teuren Konzernumbaus sowie der Streiks weiterhin rote Zahlen. Im Ausblick geht man jedoch von zunehmend positiven Effekten des Sparprogramms aus. Siemens konnte vor allem aufgrund negativer Sondereffekte im Vorjahr eine Gewinnsteigerung um gut 12 Prozent erzielen. Das angespannte globale Konjunkturumfeld zwingt den Elektrokonzern jedoch dazu, die Jahresprognose zu kappen. Adidas erzielte eine Gewinnsteigerung um 6,5 Prozent zum Vorjahr, die vor allem auf einen verbesserten Preis- und Produktmix sowie einen größeren Einzelhandelsumsatz zurückzuführen ist. Den Ausblick bestätigte der Sportartikelhersteller.

Und was passiert in der 19. Kalenderwoche?

Auf Makro-Ebene steht in der nächsten Woche ein dünner Datenkalender bevor. So richtet sich der Fokus insbesondere auf die Konjunkturlage in Deutschland. Die Auftragseingänge in der Industrie dürften schwach ausfallen. Ein freundlicheres Bild zeichnen hingegen die Exporte.

Auf Unternehmensebene neigt sich die Berichtsaison für DAX-Unternehmen dem Ende zu.
Linde dürfte solide Quartalszahlen aufgrund einer robusten Gas-Nachfrage aus den Schwellenländern verzeichnen. Nachdem bereits eine Gewinnwarnung herausgegeben wurde, dürften sich die schwachen Zahlen der Commerzbank bestätigen. Im Gegensatz dazu dürfte die Münchner Rück ein solides Zahlenwerk präsentieren. Lanxess dürfte eine schwache Nachfrage vor allem aus dem Reifen-Geschäft zu spüren bekommen haben. Die Deutsche Telekom dürfte ihre Jahresprognose 2013 bestätigen. Henkel dürfte den Schwung aus dem Rekordjahr 2012 auch in das abgelaufene Quartal mitgenommen haben. Zudem werden Ergebnisse von HeidelbergCement und E.On erwartet. Der Versorger dürfte weiterhin die Auswirkungen der Energiewende zu spüren bekommen haben

Aus charttechnischer Sicht erhält der DAX eine erste Unterstützung bei 7872 und darunter eine weitere, wenn auch schwache bei 7700 Punkten. Darunter gibt die Auffangzone zwischen 7600 und 7550 Punkten halt.

Auf dem Weg nach oben verläuft der erste Widerstand bei 7953 Punkten. Darüber tritt die psychologisch wichtige Marke bei 8000 Punkten in den Vordergrund. Weitere Widerstände warten am bisherigen Jahreshoch bei 8074 und am Allzeithoch bei 8151 Punkten.

Halvers Woche: Wer Streber ist, kennt auch Klassenkeile

Deutschland sitzt als Sünder beim Internationalen Währungsfonds und bei der Europäischen Union auf der Anklagebank: Aufgrund unserer extremen Wettbewerbsstärke - böse Zungen werfen uns Lohndumping vor - könnten sich die anderen Euro-Partnerländer konjunkturell nicht mehr behaupten. Und weiter, obwohl wir Euro-Krisengewinner sind und als sicherer Hafen in Form rekordniedriger, teilweise sogar negativer Anleiherenditen profitieren, würden wir uns gegenüber der Euro-Familie nicht genügend solidarisch zeigen.

Stellen wir uns zur Klärung der Vorwürfe alle Mitglieder der Eurozone einmal als Schulklasse vor. Ja, auch Deutschland war von 2001 bis 2005 ein Bummelschüler, der das Maastricht-Defizitkriterium teilweise kräftig verfehlte. Dagegen avancierte beispielsweise Spanien mit ausgezeichneten Haushaltszahlen und 2005 sogar mit einem Überschuss zum Musterschüler. Seinerzeit wurde Deutschland von der europäischen Schulleitung zu Recht kritisiert. Nach der Standpauke zeigten wir uns jedoch als einsichtigen Schüler, haben uns auf die Reform-Hinterbeine gesetzt, mit der Agenda 2010 sozialpolitisch zwar schmerzhafte Hausaufgaben gemacht, aber schließlich das Klassenziel mit Bravour erreicht.

Reformhausaufgaben bleiben unerledigt

Und die einstigen Musterschüler? Nach dem Ende ihres Zuckerrauschs, dem Platzen der südeuropäischen Immobilienblasen, habe ich bis heute nicht den Eindruck, dass Spanien & Co. ihre Hausaufgaben erledigen, um an ihre früheren Schulerfolge anzuknüpfen. Dabei geht es nicht um Sparen, Sparen, Sparen. Das würgt tatsächlich Wachstum ab und lässt ein Volk - siehe unsere Erfahrungen mit dem Hungerkanzler Brüning ab 1929 - mit schweren sozialen Problemen darben, für die irgendwann auch ein politischer Preis bezahlt wird. Jedoch führt an Reformen, Reformen, Reformen kein Weg vorbei, auch wenn sie für Politiker und das sie wählende Wahlvolk nicht angenehm sind. Aber sie sind doch für Problemlösungen gewählt worden, oder? In Deutschland wurde zwar ein Kanzler einst für seine Reformpolitik auf die Dartscheibe gesetzt, heute allerdings hängt sein Konterfei vielfach als Heiligenbild in den Vorstandsetagen der deutschen Exportindustrie.

Mit halbherziger Reformanstrengung ist es jedoch nicht getan. Reformen müssen die Standortqualitäten nachhaltig derart verbessern, dass Unternehmen wieder gerne freiwillig investieren und damit neue Arbeitsplätze - der Lustgewinn schlechthin in einer Volkswirtschaft - geschaffen werden. Damit schafft man dann auch soziale Ruhe. Mein Opa pflegte immer zu sagen, wer tagsüber Arbeit hat, wirft nachts keine Fensterscheiben ein. Reformen sind also auch sozialpolitisch geboten.

Solidarität ist keine Einbahnstraße

Stattdessen aber werden Lösungen angeboten, die ich nur mit politischer Zwangsharmonisierung beurteilen kann. Nicht die angeschlagenen Länder sollen sich anpassen, nein wir. Der Streber soll absichtlich schlechte Noten schreiben. Wir sollen unser erfolgreiches deutsches Exportmodell schwächen, indem wir mit kräftig steigenden Löhnen unsere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zugunsten von Frankreich oder Italien reduzieren. Unabhängig davon, dass in Deutschland Löhne zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern ausgehandelt werden und nicht vom Staat festgesetzt werden, wie lange würde es wohl dauern, bis die im scharfen Exportwettbewerb stehenden Unternehmen Entlassungen vornehmen? Warum bauen wir nicht direkt jede zweite deutsche Maschine bewusst mit Fehlern und verbieten Innovationen mit einem strikten Gesetz. Auch mit den aktuellen Steuererhöhungsversprechen einiger deutscher Parteien, die ebenfalls Personengesellschaften im Mark treffen würden, ließe sich die deutsche Exportposition mühelos schwächen. War es nicht in früheren Bundestagswahlkämpfen üblich, mit Steuersenkungen auf Wählerfang zu gehen? Oder habe ich da etwas nicht verstanden?

Die Forderung nach gesamtschuldnerischen Staatsanleihen, d.h. Eurobonds, komplettieren die Vorschläge zur Zwangssolidarisierung. Wir geben also unsere gute Schuldnerreputation dafür her, dass andere, reformmüde Partnerländer in den Genuss günstiger Zinsen für ihre Staatsschulden kommen. Dass unsere Zinsen aufgrund der größeren Haftungsvolumina steigen würden, versteht sich von selbst. Ebenso wird die erste Rating-Herabstufung Deutschlands nicht lange auf sich warten lassen.

Und bist Du nicht willig, dann tritt aus dem Euro aus

Und wenn wir dazu nicht bereit seien, so mahnt es die Hedge Fonds-Legende George Soros an, sollte der Musterschüler aus der Euro-Schulklasse austreten, damit er den Notenschnitt auch ja nicht kaputt macht. Denn wenn alle eine durchschnittliche Schulnote gemäß dem Motto „Die 4 ist die 1 des kleinen Mannes“ anstreben, kann ja auch niemand mehr gegenüber dem anderen profitieren. Es lebe der Gleichheitsgrundsatz, es lebe die Zwangsintegration Eurolands auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dass damit schließlich auch Deutschland wirtschaftlich verliert und sich keine Hilfsleistungen für prekäre Euro-Länder mehr leisten kann, wird von vielen der Gerechtigkeit verschriebenen Empörungsbeauftragten verschwiegen.

Welt- nicht Euro-Klasse ist das Ziel

Natürlich sollte Deutschland nicht großspurig wie Graf Koks auftreten und die Parole ausrufen „Am deutschen Stabilitäts-Wesen soll die Euro-Welt genesen“. Und selbstverständlich geht es auch um Solidarität. Diese darf aber nicht dazu führen, dass wir den Ast, auf dem wir sitzen, absägen. Wir müssen Euroland immer vor Augen halten, dass Wirtschaftsstärke eine Bringschuld ist.

Für die deutsche Wirtschaft kann Europa nicht der Maßstab allein sein, es ist die viel größere, viel konkurrenzfähigere, die weite große Welt. So schreiben z.B. unsere deutschen Autokonzerne im Gegensatz zur europäischen Konkurrenz nur deshalb schwarze Zahlen, weil für uns die Welt an der Außengrenze Europas nicht mit Brettern vernagelt ist. Wir schauen über den euroländischen Tellerrand hinweg. Euro-Klasse zu sein ist zwar schön, Weltklasse zu sein aber das im globalisierten Wettstreit zwingend anzustrebende Ziel. Denn in den Schwellenländern wird nicht auf Reformmüdigkeit, Staatsschuldengläubigkeit mit geldpolitischem Feuerschutz gesetzt wie in vielen Euro-Ländern. In China & Co. gibt es einen Evergreen, das Lied von Geier Sturzflug „Wir steigern das Bruttosozialprodukt“, und zwar mit harter Arbeit, Innovation und Leistungsorientierung. Nur das stärkt die Volkswirtschaft nachhaltig.

Die Qualität von europäischen Politikern bemisst sich für mich auch daran, ob sie außer Schuldenmachen noch andere Fähigkeiten haben. Ich hoffe, dass auch nach der nächsten Bundestagswahl weiter klar ist, dass die deutsche Wirtschaft mit den Adlern fliegen muss, und nicht mit den Hühnern scharren darf. Der Streber mag nicht unbedingt beliebt sein, aber er zieht die Euro-Schulklasse hoch und nicht herunter. Die Kritiker Deutschlands sollten sich bewusst machen, dass ein europäisches Industriemuseum keine wirtschaftliche Perspektive bieten kann.

Das ist nicht zuletzt für die Wertentwicklung europäischer Aktien wichtig, denn nach der neuerlichen Zinssenkung der EZB sind Festgeld, Sparbuch und Staatsanleihen nach Inflation der sichere Vermögensverlust. Wir brauchen dringend diese Anlagealternative.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen