Kommentar
09:31 Uhr, 15.11.2016

Wie wird sich Trumps Präsidentschaft auf die Wirtschaft und die Märkte auswirken?

  • Verstärkter Protektionismus und Anti-Globalisierungs-Kurs stellen die größten Risiken für die Wirtschaft dar
  • Fed könnte im Falle beträchtlicher fiskalischer Impulse einen agressiveren Kurs verfolgen
  • Wir gehen in unserem Basisszenario davon aus, dass sich Trump als Pragmatiker entpuppt

Unter Donald Trump könnte sich die US-Wirtschaftspolitik grundlegend ändern. Die Frage lautet nur, wie umfangreich die Kursänderungen tatsächlich werden – und da in dieser Beziehung noch geraume Zeitlang keine Klarheit herrschen wird, könnten die Risikoaufschläge an den Finanzmärkten vom derzeitigen Niveau aus noch einige Zeitlang ansteigen.

Dies gilt vor allem für stark vom Außenhandel abhängige Sektoren und für die Schwellenländer. Insgesamt könnte sich das Wachstum in den USA und weltweit daher erneut deutlich verlangsamen. Wie schwerwiegend und umfangreich dies ausfällt, hängt vor allem davon ab, wie schnell die Märkte beurteilen können, ob sich Trump nach seinem Amtsantritt als Pragmatiker entpuppen wird.

In einem solchen Fall dürfte er auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Kongress setzen und extreme politische Maßnahmen vermeiden. Innenpolitisch ist dann mit Steuersenkungen für die Bezieher hoher Einkommen und für Unternehmen, einem öffentlichen Infrastrukturprogramm und Deregulierungen zu rechnen. Für sich genommen sollte ein solches Paket die US-Aktienkurse kurzfristig stützen. Schließlich dürfte das Haushaltsdefizit beträchtlich ansteigen.

Wenn Trump einen pragmatischen Kurs verfolgt, wird er wohl die Einwanderungsgesetze strikter handhaben und nur in begrenztem Umfang protektionistische Maßnahmen ergreifen, die zudem eher verdeckter Natur wären (d.h. kein Rückzug aus bestehenden Handelsabkommen, keine deutlichen Zollerhöhungen). Dennoch könnten andere Länder, insbesondere China, Gegenmaßnahmen verhängen. Dadurch könnte sich der bereits bestehende Trend hin zu einem stärkeren Protektionismus verstärken, was sich auch auf das globale BIP und das Produktivitätswachstum auswirken sollte. Dies könnte für sich genommen den Märkten Anlaß zu einem risikoaverseren Verhalten geben. Die Risikoprämien könnten auch deshalb ansteigen, weil es nach Auffassung der Märkte wahrscheinlicher wird, dass Globalisierungs-/Einwanderungs-gegner auch in anderen Ländern (insbesondere in Europa) an die Macht gelangen. Das Brexit-Votum wurde bemerkenswert gut verkraftet. Wenn jedoch die zugrundeliegenden Stimmungen (Ablehnung von Einwanderung und von Globalisierung) erneut die Oberhand gewinnen, und dieses Mal in der wichtigsten Volkswirtschaft der Welt, könnten die Märkte daraus den Schluss ziehen, dass die Wähler stärkeren Widerstand gegen die Globalisierung leisten als zuvor vermutet.

Möglicherweise lockerere Fiskal- und restriktivere Geldpolitik

Die kurzfristigen Auswirkungen auf die Risikobereitschaft in den USA und weltweit sind also nicht klar. Die Aussicht auf fiskalische Impulse und größere Freiheit für US-Unternehmen ist gegen steigende globale politische Risiken abzuwägen. Darüber hinaus muss auch die mittelfristigere Reaktion der Geldpolitik berücksichtigt werden. Wenn in den USA umfangreiche fiskalische Impulse (ähnlich wie in Reagans erster Amtszeit) erfolgen, könnte die Fed ihre Zinsen auf längere Sicht rascher anheben. Im Zuge der lockereren Fiskal- und restriktiveren Geldpolitik als unter Obama könnte der US-Dollar weiter aufwerten. Wie bereits im August 2015 bzw. in diesem Jahr zu erkennen war, kann dies in einer Welt mit beträchtlichen Ungleichgewichten zu einem merklichen Rückgang der Kapitalströme in die Schwellenländer führen, wodurch sich letztendlich die globale Risikobereitschaft verringert. Dies gilt vor allem dann, wenn auch die Rohstoffpreise merklich sinken. Inwieweit es zu solchen negativen Effekten kommen wird, ist unklar, weil die Schwellenländer und die globale Risikobereitschaft seit Jahresbeginn widerstandsfähiger gegenüber den Fed-Zinsanhebungserwartungen geworden sind.

Selbst wenn Trump (wie in unserem Basisszenario) pragmatisch agiert, wird also die Unsicherheit zunächst steigen. Dies gilt erst recht, wenn Trump tatsächlich versucht, seine Wahlkampf-versprechen umzusetzen. In einem solchen Falle dürfte die Risikoaversion weltweit beträchtlich zunehmen und die Wachstumsprognosen dürften für zahlreiche Weltregionen überarbeitet werden, weil ein reales Handelskrieg-Risiko bestünde. Die Treasury-Renditen sollten insgesamt sinken; es lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass die Anleger höhere Risikoprämien für US-Treasuries verlangen, wenn die politische Unsicherheit hoch ist. Die Fed wäre dann sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite mit negativen Schocks konfrontiert (ausgelöst durch höhere Importpreise, ein geringeres Arbeitsangebot und eine anhaltende Belastung des Produktivitätswachstums). Angesichts der Inflationserwartungen müsste die Fed dann wohl zur quantitativen Lockerungspolitik (QE) zurückkehren.

Aktien

  • Infrastrukturausgaben, Deregulierung und Unternehmenssteuersenkungen sind positiv für Aktien
  • Sofern die Märkte nicht instabiler werden, dürfte die Fed den Leitzins im Dezember anheben
  • Optimistischer für Gesundheitswesen, pessimistischer für Schwellenländer

Aktien notieren nach der Wahl höher

Als Reaktion auf das US-Wahlergebnis war mit einem Kurseinbruch gerechnet worden, aber davon waren die Märkte weit entfernt. Aktien notieren sogar höher. Dies ist auf die vorsichtige Positionierung der Anleger vor den Wahlen zurückzuführen. Der Aktienmarkt war in den überverkauften Bereich gefallen, die Anlegerstimmung war sehr trübe, und die Positionierung war eindeutig vorsichtig; die Anleger hielten beträchtliche Liquidität. In gewissem Umfang hatten die Anleger also bereits ein ungünstiges Ergebnis eingerechnet.

Dies ändert allerdings nichts daran, dass Trumps Sieg die politische Unsicherheit erhöhen wird. Dies wird wohl so lange der Fall sein, bis die Namen wichtiger Kabinettsmitglieder bekannt sind und seine Pläne in der Wirtschaftspolitik klarer werden. Die versprochenen höheren Infrastrukturausgaben dürften das Wachstum ankurbeln, könnten aber auch das Haushaltsdefizit nach oben treiben, was sich auf die langfristigen Anleiherenditen auswirken sollte. Eine Unternehmenssteuersenkung und weitere Deregulierungen sind per se auch nicht negativ für die Unternehmen. Viel wird davon abhängen, wie protektionistisch seine Politik tatsächlich ausfällt. Bis mehr Einzelheiten bekannt werden, dürften die Risikoprämien für Aktien höher ausfallen, um die gestiegenen politischen Risiken zu kompensieren.

Eine gedämpfte Marktreaktion könnte sich auch auf die Mitte Dezember anstehende Zinsentscheidung der Fed auswirken. Sofern sich die Instabilität an den Finanzmärkten nicht erhöht, dürfte Yellen die Zinsen angesichts der Wirtschaftsdaten und der anziehenden Inflationserwartungen anheben.

Clinton-Abschlag für den Gesundheitssektor könnte sich verflüchtigen

Das Gesundheitswesen gehört zu den Sektoren, die von Trumps Wahlsieg profitieren. Im bisherigen Jahresverlauf gehörte es zu den am schlechtesten abschneidenden Sektoren; die Kursentwicklung lag um 11 % unter derjenigen des Gesamtmarkts. Seit Ende August 2015 wurden diese Titel durch einen Clinton-Abschlag schrittweise in Mitleidenschaft gezogen, da es bei einem Wahlsieg Clintons gegebenenfalls zu höherem regulatorischem Druck auf Pharmaunternehmen gekommen wäre. Dieser Abschlag könnte sich jetzt abbauen, weshalb wir statt der leichten Untergewichtung des Gesundheitssektors jetzt eine neutrale Position einnehmen. Vorerst lassen wir die Gewichtung der anderen Sektoren unverändert. Wir tendieren weiterhin zu Sektoren, die von einer Reflation profitieren sollten. Höhere Anleiherenditen dürften die zinssensiblen Sektoren wie Versorger stärker in Mitleidenschaft ziehen als zyklische Sektoren.

Schwellenländer könnten von noch ungünstigeren Handelsaussichten in Mitleidenschaft gezogen werden

Für die Schwellenländer dagegen könnte sich die Situation – ausgehend von Trumps protektionistischer Rhetorik – ungünstig entwickeln. Derzeit ist noch nicht klar, welche Auswirkungen Trumps Politik auf die US-Handelsbeziehungen zu Schwellenländern haben wird. Die Finanzmärkte dürften jedoch einen höheren Grad an Unsicherheit und steigende Risiken für den Handel mit den Schwellenländern einpreisen. In der Folge könnten die Kapitalflüsse in die Schwellenländer sinken und die finanziellen Bedingungen in den Schwellenländern restriktiver werden. Für Anleger in Schwellenländer-Vermögenswerten dürfte dies in den kommenden Monaten die Hauptsorge sein.

Exporteure aus den Schwellenländern haben bereits mit dem schwachen Wachstum des globalen Handels zu kämpfen. Bei einer protektionistischeren Politik in den USA wird es den Schwellenländern noch schwerer fallen, wieder ein positives Exportwachstum zu erzielen. Dementsprechend müssen die Schwellenländer noch stärker auf das Wachstum der Binnennachfrage setzen, das sich aber aufgrund der hohen Verschuldung und der begrenzten

Reformen auf der Angebotsseite nur in moderatem Umfang erholen kann. Vor allem chinesische Exporteure scheinen verwundbar, da Trump China bereits mehrfach vorgeworfen hat, selbst eine protektionistische Politik zu verfolgen. Falls die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China schwieriger werden, könnte mehr Kapital aus China abgezogen werden und der Wechselkurs könnte deutlicher schwächeln. Damit könnten die Risiken für China wieder in den Vordergrund rücken, wenn den Anlegern klar wird, dass die derzeitige Unterbrechung der Konjunkturverlangsamung in China vor allem auf die Entwicklung im Immobiliensektor zurückzuführen ist, es den anderen Sektoren jedoch bisher nicht besser geht. Im Falle einer Zinsanhebung im Dezember hätte die Geldpolitik der Fed ebenfalls dämpfende Auswirkungen auf China.

Aus diesem Grund haben wir die Schwellenländer von einem leichten Übergewicht auf neutral heruntergestuft, nachdem wir einige Gewinne mitgenommen haben; schließlich haben Schwellenländeraktien im bisherigen Jahresverlauf um über 10 % besser abgeschnitten als Industrieländeraktien.

Asset-Allokation

  • Geringeres Engagement in Schwellenländern, aber weiterhin Übergewichtung von Aktien und Immobilien

Da die politischen Risikoaufschläge an den Finanzmärkten hoch bleiben dürften, gehen wir geringere Risiken ein als wir es sonst täten. Die defensive Positionierung der Anleger im Vorfeld der US-Wahlen hat die Effekte von Trumps Wahlsieg auf riskante Vermögenswerte bislang abgemildert. Der deutlich versöhnlichere Tonfall von Trumps Siegesansprache und klare Hinweise auf anstehende beträchtliche fiskalische Impulse könnten ebenfalls dazu beigetragen haben, die Auswirkungen der gestiegenen politischen Unsicherheit in anderen Bereichen zu verringern.

Wir haben das Gewicht der Schwellenländer bei unseren Aktien- und Rentenanlagen verringert, halten aber (zunächst) an der leichten Übergewichtung von Aktien und Immobilien fest. Staatsanleihen bleiben deutlich untergewichtet, da die höheren Haushaltsdefizite und steigenden Inflationserwartungen den zuletzt zu beobachtenden Aufwärtstrend der globalen Anleiherenditen verstärken könnten.

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